Wortfetzen aus dem ICE Mannheim-Hamburg

ice-small.jpgIn einem ICE findet man unterschiedliche Gruppen von Menschen: Diejenigen, die schlafen, diejenigen, die das auch mit offenen Mund machen, die Leute, die über ihren Laptop DVDs schauen und manchmal in sich hinein lachen, die laut Telefonierer („Du, ich muss Dir eine Information rüberwachsen lassen!“), die angetrunkene Reisegruppe (meist steigen die am Frankfurt Airport Fernbahnhof ein und haben bunte Hüte auf) oder die Bundeswehrsoldaten, die man auch als Soldaten erkennt, wenn sie in zivil sind (unreine Haut, kurzer Haarschnitt, Gel, Halsketten, offenes Knitterhemd oder enganliegendes T-Shirt, Hosen mit Applikationen und weiße Turnschuhe, bevorzugter Platz: im Gang sitzen, auch wenn es noch genügend Sitze gibt).

Und auch in einer solchen zufälligen Ansammlung von Menschen bestimmen die selbstwerterhöhenden Mechanismen unser Verhalten. Ein immer wiederkehrendes Ritual ist zu beobachten, wenn die meist säschsische Zugbegleiterin ihre Durchsage auf Englisch zelebriert: „Lädies and Tschädelmäns, wie äreif in ä fu momends…“ Nun wird mindestens einer der ICE Menschen lachend den Kopf schütteln oder zumindest seine Lippen zu einem spitzen Lächeln ziehen und mit den Augen den Gegenüber oder den Sitznachbarn nach Zustimmung abtasten.

Zugegeben, bei den Ansagen handelt es sich seltenst um Oxford English und tatsächlich hat mich mal während der Weltmeisterschaft ein australischer Passagier gefragt: „Which wire? Is something broken?“, als die Zugbegleitung die nächsten Reisemöglichkeiten in englischer Sprache auflistete, die dann via Wolfsburg nach Berlin fahren. Aber trotzdem muss man zunächst wohl nicht Englisch studiert haben, um einen guten Job als Zugbegleiter zu machen. Das Kopf schüttelnde Lachen und kichern wirkt doch häufiger als ein plumper Akt, um sich besser, gebildeter oder sprachlich versierter zu fühlen.

Wer das übrigens oft macht, das sind bereits oben genannte „laut Telefonierer“, die sich körperlich und mental breitbeinig in die Sitze gelümmelt haben. Und vorgestern bei meiner Fahrt nach Hamburg gab es wieder das gleiche Spiel. Die säschsische Zugbegleiterin sagt an: „…Blädform srie…“ und der „lockere“ Typ vom Sitz zwei weiter, lacht den Kopf schüttelnd und meint irgendwas mit „peinlich“.

Diesmal geht die Geschichte aber weiter. Der Typ und ich steigen am gleichen Bahnhof aus. Wir warten im Gang darauf, dass der Zug hält. Sein Telefon klingelt, er meldet sich und meint: „Jes, Stief, ei tschast äreif, wie sie ass in ä sek!“ Selten war es so schön, so mieses Englisch zu hören. In Gedanken lachte ich laut.

7 Antworten auf „Wortfetzen aus dem ICE Mannheim-Hamburg“

  1. Es ist nicht besonders fair, geschweige denn glaubwürdig, sich über Menschen zu „beschweren“, die offensichtlich in Klischees denken, wenn man dabei selber nicht ohne billigste Klischees auskommt.
    Nicht, dass ich besonders viele Soldaten kennen würde, aber mit „unreiner Haut“ (nur ein Beispiel, die restlichen „Paremeter“ sind nicht weniger klischeebeladen) dürfte nur ein Bruchteil der in der Bundeswehr dienenden gestraft sein. Ich wüsste jedenfalls nicht, warum ausgerechnet in der Bundeswehr der Anteil hoch genug sein sollte, um unreine Haut als Erkennungsmerkmal für Soldaten rechtfertigen zu können.
    Solche Peinilichkeiten bin ich, zumindest in der Öffentlichkeit geäussert, eigentlich nur von Raab & Co gewohnt.

  2. Es hat halt häufig das Resonanz, was selber in einem ist. Auf diesem oder auf jenem Wege. Ein sehr treffendes Beispiel aus dem täglichen Leben. Danke für’s Mitteilen.

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