Buyology

buyologyDas Buch Buyology erzählt uns erst einmal und ausführlich über die Großartigkeit des Autors Martin Lindstrom. Er – gerade vom Time Magazine zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gekürt – ist ständig im Flugzeug, schläft 300 Nächte in Hotels, wird dauernd gebraucht, überall wo wir kalkulierbaren Leser auch nur hinschauen, hat er, der bereits mit 12 Jahren seine Karriere in der Werbebranche begann, seine Spuren hinterlassen und ist für unsere Markenwahrnehmung sämtlicher Produkte verantwortlich. Ein Tausendsassa, der jetzt noch weitergeht und der Wahrheit der Markenbildung und unseres Kaufverhaltens mit Hilfe von Gehirn-Scans, also bildgebenden Verfahren, die unsere Gehirnaktivitäten mit Hilfe moderner Tomografen messen, auf den Grund geht. Soweit das Selbstmarketing, das bei uns nach diffuser Synapsenverschaltung den Eindruck „zu dick aufgetragen, Junge!“ hinterlässt.

Aber was hat Lindstrom mit seinem Thema – dem Neuromarketing – zu bieten. Beantwortet er uns auf den 230 Seiten, die auf dem Cover gestellte Frage „Warum wir kaufen, was wir kaufen?“?

Natürlich nicht in der Einfachheit und der Klarheit, wie man sich das als Leser in dem Moment, in dem man die Frage liest, wünscht. Allerdings ist das Buch eine hervorragende Sammlung an Studien und Fallbeispielen aus dem Bereich Marketing, Psychologie und Neurowissenschaften, flüssig geschrieben, einfach zu lesen und insgesamt macht es einen großen Spaß. Diese Beispiele werden nun entlang der Kapitel sortiert: Produkt Placement (ob es etwas bringt, wenn James Bond einen Austin Martin fährt, oder nicht), Spiegelneuronen (warum das wollen, was andere haben), unterschwellige Botschaften (subliminale Wahrnehmung) usw.

Also alles nett zu lesen. Die Krux des Buches ist das marktschreierische Versprechen, dass durch die Gehirn-Scans jetzt die reine Wahrheit unseres Kaufverhaltens ans Licht kommt. Sicherlich sind die modernen Methoden ein Erkenntnisfortschritt und die bisherigen Werkzeuge der Marktforschung mit Fragebögen und Gruppendiskussionen sind beschränkt im Erfassen des gesamten – meist auch irrationalen – Kaufverhaltens. Aber die Scans zur ganzen Wahrheit auszurufen ist doch verfrüht.

Nur, weil wir wissen, welche Neuronen beispielsweise beim Sehen feuern und welche Hirnareale verstärkt durchblutet sind, verstehen wir noch langen nicht die Gesamtkomposition „Sehen“. Und genauso verstehen wir auch nicht die Gesamtkomposition „Kaufen“, nur weil bei einer Marke wie Gucci der Nucleus Accumbens besonders durchblutet ist. Noch kann auch das Buch nicht aufzeigen, was die praktischen Ableitungen sind.

Und Lindstrom wird seinem eigenem Anspruch nicht gerecht. Liest man das letzte inhaltliche Kapitel „Sex in der Werbung“ gewinnt man den Eindruck, dass er dieses beim Ein- und Aussteigen seiner Flugzeugreisen zusammengeschrieben hat. Alles, was er an Marktforschung und Marketing ohne Scans kritisiert, wird hier nun als wahnsinnige Erkenntnis präsentiert. Korrelationen zwischen Marketingkampagnen mit aufreizenden jugendlichen Körpern und Umsatzverlauf werden zu Kausalitäten verdichtet.

Das Wort Neuro und das damit einhergehende Erkenntnisversprechen sind zunächst einmal Marketingerscheinungen. Der nutzbare Gewinn der Neurostudien in diesem Bereich wird sicherlich kommen; er hat sich nur noch nicht in der Gänze in dem vorliegenden Buch gezeigt. Trotzdem ist Martin Lindstroms „Buyology“ gute Kreuzfahrtlektüre für Psychologie-Studenten im Vordiplom.

4 Antworten auf „Buyology“

  1. Liebe Blogger-Kollegen,

    vielen Dank, dass Ihr mich vor dem Kauf dieses Buchs bewahrt habt. Hatte mir schon überlegt, ob ich es bestellen soll. Werde dies jetzt aber sicher nicht tun 😉

    Weiterhin fröhliches Bloggen
    Andreas

  2. Pingback: My Skills
  3. Lindstrom ist vor allem ein begnadeter Selbstdarsteller und Verkäufer, damit hat es sich dann schon. Der Mix von Facts, Halbwissen und Unsinn in seinen Büchern bringt einem kaum weiter. Wenn man sich für den Einfluss der Neurowissenschaften auf das Marketing und die Werbung interessiert, gibt es viel Besseres, zum Beispiel:
    – Kai Fehse, Neurokommunikation (2009)
    – Werner T. Fuchs, Tausend und eine Macht (2005)
    – Hans-Georg Häusel, Neuromarketing (2008)
    – Dieter Herbst/Christian Scheier, Corporate Imagery (2004)
    – Werner Kroeber-Riel/ Franz-Rudolf Esch, Strategie und Technik der Werbung. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze (2011)
    – Christian Scheier/Dirk Held, Wie Werbung wirkt (2008)
    – Christian Scheier/Dirk Held, Was Marken erfolgreich macht (2009)
    – usw.

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