Klardeutsch. Neuro-Rhetorik für Manager

Gleich bei Amazon bestellenKlardeutsch. Neuro-Rhetorik für Manager“ – ein wunderschönes Buch, was uns da der Markus Reiter geschrieben hat. Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften schreiten voran und halten Einzug in Bereiche, die weitgehend vorwissenschaftlich behandelt wurden. Zu diesen Bereichen zählt nun – auch dank dieses Buches – die menschliche Kommunikation und die Rhetorik. Reiter erläutert uns, wie wir gehirngerecht sprechen und schreiben sollen. Damit hebt er sich wohltuend von Kommunikationsbüchern ab, deren Ratschlag-Kompetenz ausschließlich auf die singuläre Erfahrung oder das Sendungsbewusstseins des Autors basiert.

Reiter geht es nicht um Manipulation oder wie setze ich die gegebenen Strukturen des Gehirns möglich so ein, dass ich erreiche, was ich will, ohne dass es der andere merkt. Vielmehr ist die Fragestellung, wie schaffe ich aufgrund der Gegebenheiten des Gehirns meines Kommunikationspartners, Transparenz und Verständlichkeit für meine Ideen. Das erinnert an die Unterscheidung zwischen Manipulation und faires Einflussnehmen.

Da das Buch mit „Klardeutsch“ gehirngerecht geschrieben ist und auf „Blähdeutsch“ (Ausdruck des Autors für aufgesetzte, nichtssagende, verkomplizierende Sprache) verzichtet, liest es sich leicht und schön. Gespickt ist es mit Referenzen aus allen Bereichen. Da freut sich der Bildungsbürger 2.0, dass Schoppenhauer, Umberto Eco oder Rainer Werner Fassbinder erwähnt und zitiert werden, was den sehr guten Gesamteindruck von „Klardeutsch“ verstärkt. Eine echte Kaufempfehlung!

Johnny Bunko – das Karriere-Guide Manga-Comic

Die Abenteuer von Johnny BunkoDie M-TV Generation sitzt mittlerweile in den Cubicels der Konzerne und fühlt sich gefangen. Was ist nur aus Ihrem einst so jugendlichen Leben und ihren Interessen geworden. Jetzt müssen sie Excel-Tabellen anstarren oder Powerpoint-Präsentationen basteln anstatt aufregende Marketingkampagnen zu entwickeln oder Filmstar zu sein.  Ein Schicksal, das Sie mit Johnny Bunko teilen. Er ist der Held eines Karriere-Guides, der als Manga-Comic daherkommt: „Die Abenteuer von Johnny Bunko“ von Daniel H. Pink und dem Zeichner Rob Ten Pas (Eichborn Verlag).

Eine feine Idee, Karrieretipps in einen Comic zu verpacken. Die Inhalte sind sicherlich nicht neu und die Lektionen („Konzentriere Dich auf Deine Stärken“) möchte man nicht als außerordentliches Avantgardedenken bezeichnen, aber es macht einfach Spaß, einen Comic zu lesen, der den ein oder anderen A-ha Effekt bietet und so das Gemenge aus privaten Interesse und Business weiter enger verknotet.

Außerdem trifft das Comic einen Nerv der Mittdreißiger: Die Spannungen des Spagates, die Arbeitswelt und ihren modus operandi anstrengend und aufgesetzt zu empfinden, aber doch dabei zu sein und mitzumachen.  Wie im Leben so wird diese Spannung auch im Buch mit Ironie besänftigt. Beispielsweise wird Bunko von einem Personaler bei seinem Einstellungsgespräch nicht nur danach gefragt, wo er in 5 Jahren sein möchte, viel mehr gibt es hier eine Steigerung zum Nonsens bis hin, wenn Sie eine Dosensuppe wären, welche Geschmacksrichtung wären Sie dann?

Was noch ein wenig stört ist der Untertitel des Buches: Der einzige Karriere-Guide, den Du wirklich brauchst. Hier haben die deutschen Übersetzer, die amerikanische Marktschreierei  (The last career guide you’ll ever need) direkt übernommen, was ein wenig schal daherkommt. Man sollte doch als Karriereinteressierter zumindest die Karrierebibel regelmäßig besuchen, die bereits über die amerikanische Ausgabe von Johnny Bunko berichtet hat und den Helden sogar zu einem Interview überreden konnte.

Ansonsten eignet sich Johnny Bunko für eine vergnügliche Mittagspause, bei der man dann sogar noch das Gefühl haben darf, etwas beruflich Relevantes getan zu haben.

Tierisches Management

Tier-Metaphern haben Konjunktur in der Management-Literatur, insbesondere wenn es um Veränderungen geht (Change Management). Beispiele gefällig?

pinguin-prinzipDas Pinguin-Prinzip von John Kotter. Pinguine im Management? Worum bitte schön geht es? Laut Untertitel geht es darum, „Wie Veränderung zum Erfolg führt“. Kotter erzählt uns die Geschichte von einer Pinguin-Kolonie, der das Eis unter den Füßen wegschmilzt. Pinguin Fred erkennt die Gefahr. Fred und sein Team zeigen uns, wie wir schwierige Situationen bewältigen und Veränderungen erfolgreich meistern können.

Das Buch schildert, wie Veränderung funktioniert. Kotter orientiert sich dabei an seinem 4-Phasen-Modell:

  • Vorbereitungen treffen
  • Entscheidungen fällen
  • Aktives Umsetzen
  • Nachhaltigkeit sichern

Wer die Pinguin-Geschichte zu simpel findet, kann „Leading Change“ vom selben Autor lesen, ebenfalls ein Bestseller, und eher im Stil der üblichen Management-Literatur geschrieben.

mause-strategieDie Mäuse-Strategie für Manager von Spencer Johnson. Auch hier geht es um Veränderung, auch hier wird eine Geschichte erzählt. Die Geschichte handelt von Mäusen und Zwergen, die in einem Labyrinth leben. Eines bösen Tages verschwindet ihre gemeinsame Hauptnahrungsquelle, nämlich der Käse (der Original-Titel heißt „Who moved my Cheese?“). Der Käse ist hier ein Symbol für alles, was für uns wertvoll ist. Nun schildert Johnson, wie unterschiedlich die Reaktionen auf Veränderungen ausfallen und welche Strategie zum Erfolg führt.

Was macht diese Bücher so erfolgreich? Es ist im Wesentlichen das Prinzip Storytelling. Der Mehrwert dieser Literatur liegt darin, dass komplexe Sachverhalte und Konzepte in Geschichten verpackt werden, die leicht nachvollziehbar sind und im Gedächtnis bleiben. Durch diese Anschaulichkeit, und die Lebendigkeit der Akteure (z.B. Pinguine), werden die Inhalte leichter transportiert. Wir Menschen hören und lesen eben gerne Geschichten.

Weitere „tierisch“ gute Bücher:

Die Bären-Strategie – In der Ruhe liegt die Kraft von Lothar Seiwert

Fish!: Ein ungewöhnliches Motivationsbuch von John Christensen, Stephen C. Lundin, Harry Paul

Ente oder Adler: Vom Problemsucher zum Lösungsfinder von Ardeschyr Hagmaier

Wenn die Giraffe mit dem Wolf tanzt: Vier Schritte zu einer einfühlsamen Kommunikation von Serena Rust

Der schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse von Nassim Nicholas Taleb

Tony Soprano ist kein Manager!

tonysopranoonmanagement.jpgSo, Anfang Februar sind nun endlich alle Weihnachtsgeschenke konsumiert, ob Comics, Bücher, CDs oder DVD-Serien. Dieses Weihnachten stand wenig christlich im Zeichen der Sopranos, die Mafiafamilie von neben an in New Jersey. Die TV-Serie ist mit Emmys und Golden Globes überhäuft worden. 82 Stunden feinste Unterhaltung mit psychologisch dichten und undichten Charakteren und Handlungswendungen und Spaß und alles, was man sich für gute Zerstreuung wünscht.

Da dauert es dann auch nicht lange bis ein Buch zu dem Führungsstil der Hauptfigur erscheint: „Tony Soprano on Management: Leadership Lessons Inspired by America’s Favorite Mobster“ . Die Idee ist sicherlich nett. Auch deshalb, weil sich manch Manager gerne den Satz sagen hört, „alles, was ich über Führung weiß, habe ich von dem Paten 1-3“. Neu aber ist die Idee keinesfalls. Erfolgreiche Serien und der daraus abgeleitete „Leadership-Stil“ gibt es bereits mehrere auf dem Markt, beispielsweise auch zu Star Trek.

Das Buch „Tony Soprano on Management“ ist schlecht, langweilig und unnötig und hat auch nur sehr wenig mit dem Tony Soprano zu tun, wie er sich mir vorgestellt hat. Es macht den Anschein, dass in einem „Management Literatur Sweat Shop“ Praktikanten eingesperrt wurden. Die eine Hälfte musste „copy paste“ Allerweltsweisheit der Management Literatur in Word kopieren und die andere Hälfte musste krampfhaft die 82  Stunden schauen, wo denn ein Beleg zu dieser Management Weisheit in der Serie zu finden ist. Das ist ein wenig wie bei sozialwissenschaftlichen Experimenten, bei hoher Anzahl der Versuchspersonen kommt schon ein Effekt dabei heraus. In 82 Stunden Laufzeit findet man zu jedem Verhalten ein Beleg.

Der Charakter Tony Soprano ist gerade deshalb spannend, weil er keine einheitliche Persönlichkeit hat. Er ist gebrochen, impulsiv und irrational. Er tötet Männer aus seiner Crew, was weder mit dem Teamgedanken noch mit dem Support einer Führungskraft vereinbar ist.

Diese Art Bücher geben mir immer nur ein Rätsel auf. Wer schreibt diese Testimonals auf der Rückseite? Hier ist zu lesen: “Smart, funny and relevant, Tony Soprano on Management will help you be a better manager, run a more effective company, and make more money.” Um das Klarzustellen, mit diesem Buch bekommen Sie keinen Cent mehr aus irgendetwas. Schauen Sie sich lieber die Serie an. Da bekommen Sie Unterhaltung vom feinsten, gut abgehangen im Satriale’s Pork Store, northern New Jersey.

Martin Luther King über wirkungsvolle Visionen

080806-atlanta-mlk-by-gerald-petersen.JPGHeute ist Martin Luther King Day. Der Martin Luther King Day ist seit 1983 per Gesetz in allen Staaten der USA ein nationaler Feiertag für den im Jahre 1968 ermordeten Martin Luther King. King wurde am 15. Januar geboren, doch der Feiertag ist immer am dritten Montag im Januar.

Letztes Jahr habe ich das Grab der Kings (seine Frau Coretta Scott King wurde neben ihm beigesetzt) in Atlanta besucht (siehe Foto). Wenn Sie mal in Atlanta sind, können Sie ja auch einmal vorbeischauen – das Geburtshaus Kings, sein Grab, und das sehr informative King Center liegen ganz nahe beisammen.

King war ein großartiger Führer, der sehr viele Menschen mobilisiert hat und mit diesen Menschen zusammen eine Gesellschaft verändert hat. Für viele Menschen ist King heute noch eine große Inspiration. Anlässlich des heutigen Tages bringe ich ein Zitat von King zum Thema „Vision“. King beschreibt die Macht wirksamer Visionen:

“Effective visions provide context, give purpose, and establish meaning. They inspire people to mobilize, to act, to move in the same direction… Every good leader realizes that effective visions cannot be forced upon the masses. Rather they must be set in motion by means of persuasion and inspiration.”

Viele Manager denken scheinbar “Ich habe eine Vision, also folgen die anderen mir” und sind dann verwundert, wenn das so nicht funktioniert. Es bestehen große Unterschiede zwischen Visionen und wirksamen Visionen (effective visions). „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“ (Helmut Schmidt). Wer jedoch wirksame Visionen vermitteln kann, wer andere inspirieren und mitreissen kann, der wird etwas erreichen in der Welt.

Natürlich ist es nicht genug, eine Vision zu vermitteln, aber ohne Vision zu führen wirft die Frage auf: „Wohin führt das?“. Wirksame Visionen schaffen Orientierung, vermitteln Sinn, und richten eine Gruppe von Menschen auf ein gemeinsames Ziel aus.

mlk-leadership.jpgIn dem Buch “Martin Luther King Jr. on Leadership” (nur in englischer Sprache erhältlich) sind die Punkte zusammengefasst, die nach Meinung des Autors Donald T. Phillips die Führungsqualitäten Kings auszeichnen und von denen Führungskräfte allgemein lernen und sich inspirieren lassen können.

Wenn Sie einen schnellen Einblick in Kings praktisch-rhetorische Vermittlung von Visionen erlangen möchten, empfehle ich diese Blog-Beiträge:

Martin Luther King – I have a dream
I have a dream – als Fallbeispiel

Neues Jahr – neues Denken

Gleich bei Amazon bestellenIn einem Buchladen in Australien sah ich das Buch „Six thinking hats“ von Edward De Bono im Regel neben The Picture of Dorian Gray, The Great Gatsby und Breakfast at Tiffany’s stehen. Alle aus der Klassik Reihe „Popular Penguins“. Wow, ein moderner Klassiker in einer Reihe mit Oscar Wilde und Truman Capote, eine absolutes Verkaufsargument. Doch zunächst widerstand ich diesem Impuls. Als aber in dem Seminar „Kommunikationsstrategien für Führungskräfte“ ein Teilnehmer eine Diskussion mit Hilfe der 6 Hüte leitete und damit eine Businessidee geboren war, die auch noch über das Seminar wirkt, habe ich mir das Buch „De Bonos neue Denkschule“ zugelegt.

In einfachen klaren Worten erklärt De Bono das Denken, wie es bei uns Durchschnittsmenschen abläuft und wie sich über die Zeit Muster der Denkfehler in diesen Informationsprozess einschleichen. Als anschauliches Beispiel zeigt er auf, dass Menschen sich zuerst eine Meinung bilden und dann erst nachdenken, warum. Um den Selbstwert zu erhöhen („meine Meinung ist eh die richtige“, „Ich habe es immer schon gewusst“) werden jetzt vermehrt Information gesammelt, die konsistent mit dieser Meinung sind. Informationen und Argumente, die entgegen dieser Meinung stehen, werden automatisch abgewertet. Das führt zu Urteilsfehlern. Gerade intelligente Menschen sind dafür anfällig. Ihnen fällt es einfacher, Informationen zu finden, die mit Ihrer Meinung konsistent sind.

Er schlägt als Gegenmittel PMI vor: Plus, Minus, Interesse. Also bevor man sich seine Meinung bildet, erstmal überlegen, was gibt es da Positives, was Negatives und was Interessantes. Nicht gleich sagen „Grundeinkommen ist der falsche Ansatz, weil…“, sondern erst einmal denken: Was sind Vorteile von Grundeinkommen, was Nachteile und was gibt es dazu für interessante Aspekte.

Neben den PMI gibt es eine Reihe weiterer „anderer Denkansätze“, die entgegen unseres intuitiven, manchmal eben auch dysfunktionalen Denken arbeiten. De Bono hält diese Denkansätze meist in drei großen Buchstaben fest: AMA (Alternativen, Möglichkeiten, Auswahl), BAF (Berücksichtige alle Faktoren), EBS (Erforsche beiden Seiten). All das und natürlich noch mehr soll uns helfen besser, smarter, bewusster zu denken.

Die meisten seiner Gedanken machen Spaß. Leider gewinnt man mit zunehmenden Lesen den Eindruck, dass Herr De Bono keine bescheidene Seele ist. Der Leseweg zum neuen Denken ist gepflastert mit vielen Verweisen auf seine anderen Bücher und was er alles entwickelt (Puzzles und Spiele) hat; auch dass er einen Begriff zu dem Oxford Dictionary (laterales Denken) beigetragen hat, liest man mehrmals.

Wenn man dies ausblendet, ist der Spaß am verbesserten Denken ein schönes Lesevergnügen zwischen den Jahren, und bestimmt auch danach. Frohes neues Denken!

Beschwerdemanagement

reklamation2.jpgHier einmal ein richtig praktisches Buch: „Beschwerden und Reklamationen managen“. Direkt aus der Anwendung! Das Thema ist Beschwerdemanagement und der Autor selbst – Udo Haeske – arbeitet seit vielen Jahren als Trainer und Berater und das merkt man dem 180 Seiten an.

Es treten zwar die üblichen Verdächtigen der Reihe nach auf (das Johari-Fenster, die 4-Ohren, richtige Zielsetzungen) und stellen sich brav vor, aber die Inhalte der Konzepte werden sehr gut in den Zusammenhang des Beschwerdemanagement gesetzt. Diese Übersetzungsaufgabe klappt hervorragend.

Der Praxisteil ist mit vielen Tipps und Checkliste umfassend. Umfassend ist auch das Ausleuchten des Themas Beschwerdemanagement: sowohl aus Sicht des Service-Mitarbeiters als auch aus Sicht des Unternehmens, das Beschwerde-Management einführen will.

Besonders gefreut habe ich mich über den Überblick an Kompetenzen (Skills), die ein Service-Mitarbeiter haben bzw. ausbilden sollte. Haeske unterscheidet da zwischen fachlichen Kompetenzen (z. B. Produkt- und Anwendungskenntnis), sozialen Kompetenzen und persönliche Kompetenzen (positives Menschenbild, Offenheit, Eigeninitiative). Interessant für unseren Blog sind sicherlich die sozialen Kompetenzen. In Haeskes Wortwahl sind das Kommunikationsfreude (z. B. kompetentes Zuhören, Fragetechniken), Selbstbewusstsein, Konfliktkompetenz, Belastungskompetenz und Hilfsbereitschaft.

Das Buch ist in der Reihe „Weiterbildung“ im Verlag Beltz erschienen. Bei Beltz erscheint auch die Zeitschrift Psychologie Heute. Sicherlich nicht das letzte Buch aus dem Verlag, das ich gelesen habe, und falls das nächste nichts kann, werde ich mich beschweren!

Mensch ärgere dich!

focusaerger.jpgMal wieder Ärger im Büro?” fragt der aktuelle Focus in der Titelstory. Ärger bewegt uns, häufig mehr als uns lieb ist. Da ist sie wieder, diese unangenehme Emotion, die zu nichts gut ist! Es wird Zeit, darüber aufzuklären, auf dass wir uns und das Phänomen Ärger besser verstehen.

Leider trägt der Focus-Artikel (auf dreizehn Seiten!) keineswegs zu einem besseren Verständnis von Ärger bei. Vielmehr werden Fälle und Fakten zusammenhanglos dargestellt. Allgemeine Unzufriedenheit, Schlammschlachten, Mobbing, innere Kündigung, schlechtes Betriebsklima, cholerischer Chef, Karrierefrust, Zukunftsangst, mangelnde emotionale Bindung an das Unternehmen, Einsamkeit an der Spitze, Burnout, Dauerstress, oder im Gegenteil, große Langeweile: Alles wird ohne weitere Differenzierung unter den Titel „Ärger“ gezwängt.

Der Artikel wirkt wie ein dilettantisches Zusammengeschreibsel von Fundstücken. Ohne eine Klärung, was als Ärger verstanden wird, ohne Zusammenhang, ohne psychologische Mechanismen zu klären, ohne die Unterscheidung von Ursache und Wirkung, ohne Abgrenzung von anderen Emotionen wie zum Beispiel Wut oder Angst, ohne nach der Funktion von Ärger zu fragen. Mein Eindruck: Hier haben Journalisten einen Beitrag vorbereitet, der Ursachen für die schlechte Stimmung in deutschen Unternehmen beleuchten sollte. Da „schlechte Stimmung“ keiner mehr hören kann, und das auch wenig verkaufsfördernd klingt, hat jemand (Markwort?) entschieden: Nehmen wir doch „Ärger“ als Titel, jeder ärgert sich doch mehr oder weniger, vor allem im Job, und kauft dann das neue Heft! Leider ist es bei mir umgekehrt: Ich halte den neuen Focus in Händen und ärgere mich über diesen Artikel!

Ein ganz anderes Bild vom Ärger vermittelt der aktuelle Titelbeitrag des Weiterbildungsmagazins managerSeminare, „Antriebskraft Ärger: Vom Wert der Wut“ von Christoph Burger.

Nanu? Ärger = „größter Motivationskiller“ (Focus) oder Ärger = „Antriebskraft“ (managerSeminare)?

derzornkonig.jpgAutor Christoph Burger („Der Zornkönig: Wie Sie Ihren Ärger positiv nutzen“) nennt Beispiele für die positiven Seiten des Ärgers: „Ärger ist ein Zeichen für Motivation. Wenn sich Mitarbeiter aufregen, zeigt das: Ihre Arbeit ist Ihnen wichtig, sie sind engagiert bei der Sache“. Und das, nebenbei, ist etwas völlig anderes, als wenn Mitarbeiter völlig gleichgültig sind und sich im Zustand der inneren Kündigung befinden. „Ärger ist ein Hinweisgeber, wo und wie Leistung im Unternehmen gesteigert werden kann“. „Ärger steigert die analytische Kompetenz“. „Ärger zeigt an, wo persönliches Entwicklungspotenzial liegt“.

Was ist Ärger überhaupt? „Ärger ist ein emotionaler Hinweis darauf, dass sich der Mensch in einer Situation befindet, die es erfordert, diese Situation zu überwinden“ (Wikipedia).

Damit gibt es also einen konstruktiven und durchaus rationalen Kern in dieser Emotion. Es kommt jedoch darauf an, sich nicht vom Ärger beherrschen zu lassen, sondern die darin steckende Botschaft und Energie positiv zu nutzen, bei sich selbst und bei anderen.

Mensch, ärgere dich!

Amazon – DHL 1:0

Für den My-Skills Beitrag für diese Woche habe ich extra ein Buch von Amazon bestellt. Vor vier Tagen hätte es bereits bei mir in der Packstation liegen sollen. Heute rief ich bei der Amazon Hotline an, um mich nach dem Verbleib zu erkundigen. Relativ schnell nahm sich eine real existierende nette Dame meines Problems an und wie ich bereits ahnte, lag das Problem bei dem Lieferservice DHL.

Die Dame sagte nun nicht: „Damit haben wir nichts zu tun, rufen sie doch da mal an!“, sondern „Darf ich Ihnen kurz Musik vorspielen, solange ich bei DHL anrufe.“ Zwei Minuten später schilderte sie mir das Problem. Die Packstationen der Post spielen zurzeit eine Software auf. Da scheint ein Fehler aufgetaucht zu sein, so dass ich weder über Mail noch per SMS benachrichtigt werde, wenn ein neues Paket für mich in der Packstation ist. Aber das Paket sei da und ich könne es abholen. Das ist doch schön, wenn sich Amazon für die gesamte Abwicklung des Auftrags verantwortlich fühlt und nicht auf andere zeigt und den Kunden allein mit seinem Problem lässt.

Voller Vorfreude fahre ich also zur Packstation. Ich schiebe die Karte ein und tippe die PIN Nummer, aber kein Türchen öffnet sich. Also rufe ich jetzt die Hotline der DHL Packstation an. Nach Schilderung des Problems sagt mir die Dame, dass die Packstation defekt sei. Aber ich habe Glück, der Fehler sei schon gemeldet und sie sei „felsenfest davon überzeugt, dass die Packstation am Montag wieder funktioniert“.

Hm, hoffentlich habe ich dann das Buch: „Beschwerden und Reklamationen managen“. Bei Amazon wurde es wohl bereits gelesen.

Gut aufgestellt!

gutaufgestellt.jpgVon Albert Camus ist übermittelt, dass er seine Sprachlosigkeit als Junge in Algerien mit Fußball überwand und später sagte: „Alles, was ich über das Leben weiß, habe ich beim Fußball gelernt.“ Da hat sich wohl Reinhard Sprenger gedacht, mal sehen, was unsere Führungskräfte so alles vom Fußball lernen können. Seine Erkenntnisse hat er in das unterhaltsame Buch „Gut aufgestellt – Fußballstrategien für Manager“ gepackt.

Da wird nicht nur „ein legendärer Bezirksligatrainer aus dem Ruhrgebiet“ zitiert („Männer denkt an die drei großen A’s: Abwehr, Angriff, Angagement!“) und Jürgen Klinsmann lustigerweise das Attribut „Plakatpsychologie“ zugeschrieben, sondern gut recherchierte Zusammenhänge zwischen Fußball und Führungsverhalten aufgezeigt. Fußball mit seiner Taktik, Leidenschaft, Teamgeist und individueller Klasse dient als Blaupause für die Wirtschaft. Das zu lesen und wie es geschrieben ist macht wirklich Spaß und die anschauliche Art vermittelt tolle Aha-Effekte.

Also mal wieder ein Buch aus dem Hause Campus das absolut lesenswert ist. Ich glaube, so langsam rufe ich mal bei denen an und frage nach Belegexemplaren.

Humanomics

humanomics.jpgDie Wissenschaften wachsen zusammen. Eindrucksvoll führt dies das Buch „Humanomics“ von dem „Die Zeit“ Wirtschaftsredakteur Uwe Jean Heuser vor. Der Paradekritik des wissenschaftlichen Silo-Denkens, wenn Forscher unterschiedlicher Disziplinen einen Elefanten untersuchen, weiß man zwar wie ein Bauch oder ein Rüssel oder die Ohren aussehen, man versteht aber nie den ganzen Elefanten, wird hier entgegnet.

Heuser führt Psychologie, Ökonomie, Politik, Soziologie und Neurowissenschaften elegant zusammen und beschreibt anschaulich, wie der moderne Mensch bei Kaufentscheidungen denkt, was ihn dabei wie glücklich macht und was ihn antreibt. Dabei werden State-of-the-Art Forschungsergebnisse zur Belegung von Thesen herangezogen, die nicht immer dem Alltagsglauben entsprechen.

Ziel des Buches, so der Klappentext, sei es, „den Menschen als Kunden und Mitarbeiter besser kennen zu lernen (…) und nicht zuletzt hilft das neue Wissen der Ökonomie uns allen dabei, Wirtschaft, Gesellschaft und den Staat so zu gestalten, dass sie dem Wohle der Menschen wirklich dienen.“ Ein Anfang ist gemacht.

Interview (6): China verstehen!

china-wirtschaftspartner.jpgZurzeit ist es wohl bitter kalt in China und die Infrastruktur zeigt gerade jetzt, wo Millionen von Menschen am Neujahrsfest zu ihren Familien fahren wollen, erhebliche Mängel. Die Bahnhöfe werden vom Militär bewacht und auch die Aktien wanken. Dennoch oder gerade auch deshalb ist der Bedarf an interkulturellem Wissen so hoch wie nie. Dr. Theresia Tauber ist eine der Autorinnen des Buches China, Wirtschaftspartner zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ein Handbuch für Praktiker und führt Trainings im Bereich interkulturelles Verhalten durch und steht uns heute Rede und Antwort.

Frage > Was sind denn die wesentlichen Denkunterschiede zwischen Chinesen und Europäern?

Die wichtigsten drei:
1. Chinesen sind derzeit Optimisten mit ungebremstem fröhlichem Fortschrittsglauben, denn seit 30 Jahren geht es den meisten stetig besser, in jeder Hinsicht.
2. Chinesen glauben nicht wirklich an den Sinn von Planung und auch nicht an Wahrheit. Deutsche versuchen Fragen „prinzipiell“ zu lösen. Wir fragen: „Wo kommt das Problem eigentlich her? Was ist die wahre Lösung?“ Chinesen fragen lieber: „Wie kriegen wir das Problem vom Tisch?“ Immer ganz konkret, ganz praktisch. Pfeif auf die Prinzipien. Was jetzt und hier funktioniert, ist gut.
3. Deutsche schätzen an einem Streit, dass er so etwas wie ein „reinigendes Gewitter“ sein kann. Das sehen Chinesen ganz anders. Streit bedeutet für sie eher: Blitzschlag und verbrannte Erde. Lieber vermeiden sie den Streit von vorneherein, jedenfalls, wenn sie an einer Fortsetzung der gemeinsamen Beziehung interessiert sind

Frage > Wie manifestieren sich solche Denkunterschiede in Verhalten und Kommunikation?

Entsprechend den oberen drei Antworten:
1. Der Optimismus führt generell zu einem freundlichen Umgang mit uns Fremden. Und manchmal zu Ratlosigkeit, wenn wir zum Beispiel Umweltprobleme in der uns eigenen drängenden Form ansprechen.
2. Wenn ein Chinese etwas verspricht, bedeutet das nicht, dass er wirklich weiß, ob und wie er seine gute Absicht in die Tat umsetzen kann. Auch Auskünfte aller Art sind mit Vorsicht zu genießen, da diese nicht immer abgesichert sind.
3. Im Zweifelsfall drücken viele Chinesen sich gern unklar aus, damit es zu keinem Streit kommt. Außer, sie wollen Streit.

Frage > Welche sozialen Fertigkeiten sollten Chinareisende erlernt haben bzw. mit nach China bringen?

Ich nenne 8, weil 8 eine chinesische Glückszahl ist:
1. Bei unklaren Situationen nicht in Panik ausbrechen, sondern cool bleiben.
2. Vorgefasste Meinungen rasch durch offene Beobachtungen ersetzen können.
3. Indirekte Botschaften entschlüsseln können.
4. Wissen, wann indirektes und wann direktes Vorgehen zielführender ist.
5. Flexibel sein, offen für Neues.
6. Geduld haben, aber auch sich rasch entscheiden können.
7. Wissen, wie man zu viel Alkohol oder unliebsame Speisen elegant/witzig ohne Affront ablehnt.
8. Neugier und die Lust, jede Menge Beziehungen aufzubauen/zu pflegen.

Frage > Was sind die wesentlichen Erfolge Ihrer Trainings? Haben Sie dazu Beispiele?

Drei ganz unterschiedliche Beispiele:
1. Unsere Teilnehmer lernen, dass es bei der Kommunikation nicht auf das „Was“ ankommt, sondern auf das „Wie“. Falsche Kommunikation läuft ins Leere, die Leute bekommen gar keine Antworten auf ihre Mails, oder sie verärgern und blockieren ihre chinesischen Partner. Mit unserer Hilfe entwickeln die Seminarteilnehmer Wege, mit den chinesischen Partnern eine unverkrampftere Kommunikation aufzubauen. Das wiederum ist ein notwendiger Schlüssel zur raschen Lösung von Problemen aller Art. Je besser die Kommunikation, desto rascher und damit kostengünstiger kann die Lösung sein.
2. Manche für uns Deutsche negativen Vorkommnisse in China (wie Job-Hopping unter Mitnahme von Firmen-Know-how) lassen sich auch durch perfekte Kommunikation nicht verhindern. Unsere Seminarteilnehmer lernen aber, unter welchen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen chinesische Partner agieren. Das macht sie kompetenter in der Entwicklung schützender Geschäftsstrategien.
3. Personen, die nach dem Training nach China ausreisen, fühlen sich mit dieser Unterstützung sicherer und kompetenter und tun sich mit dem Einstieg in China wesentlich leichter als ohne Training. Zumal sie wissen, dass sie sich mit Fragen auch von China aus jederzeit an uns wenden können.

Frage > Wenn Sie nur einen Tipp geben könnten an einen nach China dienstlich Reisenden, was wäre dieser?

Nehmen Sie sich doppelt soviel Zeit für die Reise, wie Sie zu benötigen denken.
Gründe:
1. Vielleicht erweisen sich chinesische Planungen als nicht belastbar und Sie müssen umdisponieren.
2. Nur mit genügend Zeit können Sie genügend Umfeld in Augenschein nehmen. Verlassen Sie den Besprechungsraum, schauen Sie sich um, machen Sie sich ein Bild! (Von Fabriken, Arbeitsbedingungen und allem, was für Sie wichtig sein könnte)
3. Nutzen Sie die Zeit, vorab auszuschlafen und einen klaren Kopf zu bekommen. Auf Ihre Beobachtungsklarheit kommt es mehr an als auf jedes Klischee, das Sie über China gelesen haben.

Frau Dr. Tauber, ich danke für das Gespräch.

Die psychologischen Tricks der Werbung

Wie bringt uns die Werbung dazu, „Ja“ zu sagen? Welche psychologischen Mechanismen sind da im Spiel? Robert Cialdini von der Arizona State University hat über diese Fragen geforscht und eine Reihe von Mechanismen gefunden, die uns in unserer Entscheidung beeinflussen. In der Regel greifen hier eingeschliffene Automatismen, die unbewusst ablaufen. Cialdini schildert diese Mechanismen kurz in einem Video-Beitrag (Dauer 3:49):

1. Reziprozität (im Video „reciprocation“ = Erwiderung, sich erkenntlich zeigen): Wir sind geneigt, jemandem, der uns einen Gefallen getan hat, diesen Gefallen zu erwidern. Dieses Prinzip wird zum Beispiel genutzt bei der Methode „Kaffeefahrt und Rheumadecken“ [Link entfernt]. Mehr zu diesem Thema in dem Beitrag: Reziprozität – wenn jemand Ihnen eine Cola schenkt.

2. Knappheit (Im Video „scarcity“): Ein Produkt wird in limitierter Auflage herausgebracht, oder ist nur begrenzte Zeit erhältlich. Erst gestern sah ich eine Anzeige vom Media Markt: „Ohne Mehrwertsteuer, -19%, nur heute, 3.1.2008“.

3. Autorität („authority“): Promis machen Werbung. Das kann, in Kombination mit „heavy rotation“ (ständige Wiederholung), ein Nervfaktor erster Güte sein. Noch Jahre nach der Kampagne können wir uns erinnern, wie Verona Feldbusch den „Blobb“ verkaufte oder Boris Becker verblüfft verkündete „Ich bin drin“. Aber es funktioniert, sonst würden wir auch Thomas Gottschalk, Harald Schmidt oder Günter Jauch weniger oft sehen.

4. Commitment und Konsistenz („commitment“): Dieses Prinzip geht in die Richtung „Wer A sagt, muss auch B sagen“. Wir haben ein starkes Bestreben, uns als konsistent wahrzunehmen. Wenn wir uns nicht als konsistent wahrnehmen in unserem Handeln, dann erzeugt das kognitive Dissonanz und das ist unangenehm. Wenn wir also bereits zu einem kleinen Aspekt einer Sache „Ja“ gesagt haben, dann sind wir eher bereit, auch einem Aspekt mit weiter reichender Bedeutung zuzustimmen, z.B. etwas Konkretes dafür zu tun. Verkäufer nennen das die „Fuß-in-der-Tür-Taktik“. Erst geht es um kleine Dinge, zu denen wir leicht „Ja“ sagen können. Dann geht es aber um größere Dinge und es wird schwieriger, sich da heraus zu winden (wir haben schließlich schon einmal zugestimmt…).

5. Sympathie („liking“): Dieses Prinzip entfaltet seine Wirkung, wenn wir von uns bereits bekannten Personen kaufen, oder wenn fremde Personen sich geschickt bei uns einschmeicheln. Wir sind dann viel eher geneigt, „Ja“ zu sagen, denn es ist (quasi) eine befreundete Person, von der wir kaufen. Das Sympathie-Prinzip wird ganz bewusst genutzt bei Tupperware-Parties. Auch Multi-Level-Marketing (MLM), neuerdings auch „Network-Marketing“ genannt, funktioniert so.

6. Soziale Bewährtheit („consensus“): „Das meistverkaufte Produkt“, „der führende Hersteller“, etc. Ja, wenn so viele das kaufen, dann muss es doch gut sein. Da kann ich ja nichts falsch machen… Oder stellen Sie sich einmal vor, wie der Sketch „Dinner for One oder Der neunzigste Geburtstag“ mit Freddie Frinton (an Sylvester Pflicht!) wirken würde, ohne die Lacher, Kiekser, und spitzen Schreie aus dem Publikum! – Es ist einfach so: Wir orientieren uns daran, was andere für gut halten.

die-psychologie-des-uberzeugens.jpgWer mehr darüber wissen möchte, sollte dieses Buch lesen: „Die Psychologie des Überzeugens“ von Robert B. Cialdini. Cialdini bezieht sich nicht nur auf Werbung und Verkauf. Er schildert anhand von zahlreichen Beispielen und Forschungsergebnissen, wie die genannten Prinzipien in vielen Lebensbereichen ihre Wirkung entfalten. Vielleicht häufiger als uns lieb ist reagieren wir automatisch auf bestimmte Reize. Das Durchschauen dieser Mechanismen kann uns dabei helfen, bewusstere und bessere Entscheidungen zu treffen.

Kritik am Harvard-Konzept

harvard-konzept.jpgDas Harvard-Konzept ist sehr mächtig und auch bei „schwierigen“ Fällen anwendbar. Die wichtigsten Prinzipien des Harvard-Konzeptes habe ich in den vorangegangenen Beiträgen dargestellt. Dennoch habe ich einige Kritikpunkte:

1. Das Harvard-Konzept betont, dass die Beziehung sehr wichtig ist. Vollkommen richtig, aber ich habe den Eindruck, hier wird etwas als „neue“ Erkenntnis verkauft, was bereits lange vorher von Forschern formuliert und von Praktikern umgesetzt wurde. Beispielsweise haben die richtungsweisenden Forschungen von Blake & Mouton gezeigt, dass Ergebnisorientierung und Menschenorientierung in der Führung sich nicht ausschließen, sondern gleichzeitig (ohne eine Dimension zu vernachlässigen) praktiziert werden können. Und das Trainingsprogramm „Positiv Beeinflussen“ wendet diese Philosophie sehr erfolgreich auf die Kommunikation bzw. Beeinflussung allgemein an: Ziele erreichen bei gleichzeitiger Stärkung der Beziehung.

2. Das Harvard-Konzept behauptet, im Verhandlungsprozess gäbe es keine Phasen. Das entspricht nicht meiner Erfahrung. In Verhandlungen beobachte ich sehr wohl, dass der Prozess bestimmte Phasen durchläuft. Diese Phasen sind wiederkehrend, unterscheidbar, und gestaltbar. Im Trainingsprogramm „Konstruktiv Verhandeln“ werden diese Phasen dargestellt, und mit konkreten Aufgaben sowie kommunikativen Taktiken verknüpft, um in jeder Phase angemessen und erfolgversprechend zu agieren.

3. Das Harvard-Konzept beruht auf der Maxime, beim Verhandeln Vernunft anzuwenden. Das ist natürlich ganz richtig, nur manchmal liegen die Interessen der Verhandlungspartner jenseits der Vernunft. Das können z.B. bestimmte Werte sein, die (zumindest für eine Partei) sehr wichtig sein können, aber nicht unbedingt vernunftmäßig begründet werden können. In diesen Fällen kann eine rein vernunftgesteuerte Argumentation an ihre Grenzen kommen.

4. Das Harvard-Konzept fordert ein Vorgehen nach den dargelegten Prinzipien „unabhängig von Vertrauen oder Misstrauen“. Das halte ich nicht für den klügsten Weg. Ich empfehle, sehr wohl zu unterscheiden, ob die Beziehung mehr oder weniger vertrauensvoll ist und das eigene Verhalten flexibel daran auszurichten. Das Trainingsprogramm „Konstruktiv Verhandeln“ vermittelt dazu konkrete Verhaltenshinweise. Zum Beispiel sollte man sensible Informationen nicht vorschnell preisgeben, wenn die Beziehung (noch) nicht vertrauensvoll ist. Meistens ist es allerdings umgekehrt der Fall, dass Informationen zu sehr zurückgehalten werden – in einer vertrauensvollen Beziehung sollten Sie dieses Vertrauen weiter stärken, indem Sie Informationen frühzeitig offen legen. Ihr Verhandlungspartner wird es Ihnen höchstwahrscheinlich gleich tun.

Diese Kritikpunkte stellen das Harvard-Konzept an sich nicht in Frage, weisen aber auf einige Dinge hin, die im Harvard-Konzept nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Das Trainingsprogramm „Konstruktiv Verhandeln“ integriert das Harvard-Konzept und geht darüber hinaus. Es beinhaltet Lösungen für die hier dargestellten Punkte.

Mit diesem Beitrag endet meine Serie zum Harvard-Konzept. Den wichtigsten Prinzipien habe ich einen Beitrag gewidmet. Manche Themen habe ich nur gestreift, etwa die Themen „Wahlmöglichkeiten entwickeln“ oder „Umgehen mit Verhandlungstricks“. Nicht dargestellt habe ich das Thema „beste Alternative“. Vielleicht lege ich später einmal nach, ansonsten verweise ich auf das Buch „Das Harvard-Konzept“.

Und woher kommt der Name „Harvard-Konzept“? Das Konzept beruht auf dem „Harvard Negotiation Project“ der Harvard Universität. Das Anliegen des Harvard Negotiation Project ist es, die Theorie, Lehre und Praxis von Verhandlungen zu verbessern.

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept

Verhandeln oder feilschen?

harvard-konzept.jpgJeder verhandelt. Mit Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern, Mitarbeitern, Kollegen, beim Kaufen von mehr oder weniger wertvollen Sachen, mit dem Lebenspartner oder den Kindern. Obwohl Verhandeln ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens ist, besteht noch sehr viel Bedarf, besser und effektiver zu verhandeln. Natürlich sind Schlagworte wie „Win-Win-Situation“ weit verbreitet, das sind aber oft nicht mehr als Worthülsen – denn aktiv eine Win-Win-Situation in einer Verhandlung zu schaffen, das gelingt nicht vielen. Da sind Skills gefragt.

Also ein Buch geschnappt! Um ein Buch kommt man beim Thema Verhandeln nicht herum: „Der Klassiker der Verhandlungstechnik” – das schreiben die Übersetzer des Buches „Das Harvard-Konzept“ gleich in den Untertitel. Das Buch von Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton ist im Original bereits 1982 erschienen („Getting to Yes. Negotiating an agreement without giving in”) und hat sich in der Tat zu einem Klassiker entwickelt.

Die Autoren machen zunächst einmal klar, dass vieles, was wir in naiver Weise als „Verhandlung“ ansehen, nicht den Kriterien für gutes Verhandeln entspricht. Gemeint ist das „Feilschen“. Wir kennen das vom Flohmarkt oder Basar: Der Verkäufer nennt einen Preis, ich mache ein (weit darunter) liegendes Angebot. Mit unterschiedlichen Beteuerungen („kann ich nicht machen“) und mehr oder weniger stichhaltigen Argumenten („sehen Sie nur dieses Detail hier“) nähern wir uns einander mit den Zahlen an und es kommt zu einer Einigung oder eben nicht. So läuft es auch häufig in anderen Situationen, nicht nur auf dem Basar. Dieses prototypische Verhalten nennen die Autoren „Feilschen um Positionen“. Jede Seite nennt Positionen, und neue Positionen, um einen Kompromiss zu erreichen.

Nun, was sind die Kriterien für eine gute Verhandlung?

  1. Die Verhandlung erzielt eine vernünftige Übereinkunft. Das heißt, die legitimen Interessen jeder Seite werden in höchstmöglichem Maße erfüllt, die Vereinbarung ist fair bzw. gerecht, die Vereinbarung ist nachhaltig, die Interessen der Allgemeinheit sind berücksichtigt.
  2. Die Verhandlung ist effizient. Das heißt, die Verhandlung dauert nicht länger als nötig. Nun mögen viele meinen, die Verhandlung dauert so lange wie sie dauert, aber die Frage ist, womit sich die Verhandlungspartner beschäftigen. Feilschen sie um Positionen und verrennen sich, oder lösen sie gemeinsam ein Problem?
  3. Die Verhandlung verbessert die Beziehung zwischen den Parteien oder wahrt zumindest die bestehende Qualität der Beziehung. Nun mögen viele meinen, entweder das eine oder das andere: Entweder ich bin nett und dann ist die Beziehung ok, oder ich kämpfe und verhandle ohne Rücksicht, dann ist das Ergebnis in meinem Sinne (und die Beziehung gestört – na und). Es ist eine kaum zu unterschätzende Erkenntnis, dass wir in einer Verhandlung mit unterschiedlichen Interessen sowohl ein gutes Ergebnis erzielen können als auch gleichzeitig die Beziehung verbessern können.

Das Feilschen um Positionen führt selten zu den besten Ergebnissen. Es ist nicht effizient, da die Spielregeln verlangen, mit einer extremen Position zu beginnen, möglichst lange daran festzuhalten, den anderen über die wahre Position zu täuschen, nur kleine Zugeständnisse zu machen, usw. Außerdem müssen eine ganze Menge Entscheidungen gemacht werden; das alles kostet Zeit. Hinzu kommt, dass der Willenskampf nicht nur die Gefahr des Scheiterns erhöht, sondern auch die Beziehung belastet und möglicherweise zerstört.

Ich werde hier in einer Serie das Harvard-Konzept des Verhandelns darstellen. Weitere Beiträge folgen.

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept