Schillers Softskills

schillerMehr als ein Hauch – fast schon eine Böe – Großstadt weht durch die Metropolregion Rhein-Neckar. Die unglückliche Zeitgleichheit des Festivals des deutschen Films im rechtsrheinischen Ludwigshafen und die 15. Schillertage im linksrheinischen Mannheim macht den Wirbel hierzu. Während dort Hannelore Elstner den Preis für Spielkunst empfängt, witzelt Calixto Bieito durchs Publikumsgespräch.

Eine der Veranstaltungen der Schillertage war die beeindruckende Installation „Softskill – Das Jobcenter als moralische Anstalt betrachtet“ von Ulf Aminde. Auch wenn Aminde hier eher die kafkaesken Abläufe in Job-Centern darstellt, allein der Titel bringt mich auf die Idee Schiller zu verbinden mit Weiterbildung und Persönlichkeitsentwicklung. Gleichzeitig hat ein geschätzter Kollege sein Konfliktseminar nach Aristoteles ausgerichtet. Sämtliche im Seminar angewandten Werkzeuge zur Konflikterkennung und -verarbeitung hat er auf Aristoteles zurückgeführt; sei es die bewusste Wahrnehmung, die Fragetechnik, der Dialog oder mit welcher Tugend die Emotionen zu kontrollieren sind.

Da liegt das Gedankenspiel, wie Schiller ein Weiterbildungsseminar aufgezogen hätte, nahe. Als Homo Ludens („Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt!“) hätte das Seminar wohl einen hohen Anteil an Rollenspielen. Schiller hätte eine ganze Reihe von Beispielen der Manipulation in seinem Repertoire und könnte deren negativen Folgen anschaulich darstellen. Eine Reihe von Sinnsprüchen und Zitaten würde er einstreuen, um den Lernfortschritt der Teilnehmer zu beschleunigen („Zu überzeugen fällt keinem Überzeugten schwer). Zum Thema Führung weiß er viel und er zeigt den Teilnehmern Beispiele aus der Geschichte: gerechter Machteinsatz und Einfluss einerseits, Intrige und Demagogie andererseits.

Und wie wäre das Feedback der Teilnehmer? Sie wären wohl begeistert, allerdings gäbe es Passagen in seinen Vorträgen, da sei er sehr emotional gewesen und er konnte seines Furors nicht immer Herr werden. „Zu viel Sturm und Drang“, so schrieb ein Teilnehmer in den Feedbackbogen. „Kein Problem“ dachte sich da der Dichter. Ich melde mich bei Aristoteles an. Der führt bald das Seminar „Tugend – wie kontrolliere ich meine Emotionen!“ durch.

Soft Skills Wissenschaft

Ich habe begonnen eine Diplomarbeit zu betreuen. Im weitesten Sinne geht es um das Spannungsverhältnis zwischen den Sozialwissenschaften und der Personalentwicklungs-Angebote im Soft Skills Bereich. Bei der Recherche hierzu fiel mir ein Artikel von Ruud van Ommeren in die Hände:  “How to close the gap between non-sustainable and sustainable learning and training“. Ruud van Ommeren ist ein Experte im Personalentwicklungs-Bereich und ein bekennender Kritiker von nicht-wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Trainings- und Weiterbildungsprogrammen.

In dem genannten Artikel beklagt er die Flut von immer wieder neuen Modellen, Konzepten und spekulativen Theorien im Trainingsbereich  und sorgt sich um das Image, dass die Weiterbildung durch diese wahrgenommene Willkürlichkeit erhält. Er schließt, dass Trainings dann nachhaltig sind, wenn die Inhalte aus Theorien mit fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen bestehen; ein  Aspekt, den er auch in diesem lesenswerten Interview hervorhebt. Van Ommeren wagt im Artikel den Blick über die Sozialwissenschaften hinaus und formt die Vision, dass blad kognitive Neurowissenschaften oder gar die Biochemie das nachhaltige Lernen unterstützen.

Aber welche wissenschaftlichen Kriterien weisen Konzepte der Weiterbildung heute auf?  Im Rahmen der oben erwähnten Diplomarbeit wird eine Recherche durchgeführt, wie viele der Personalentwicklungs-Tools, die kommerziell angeboten werden,  Reliabilität oder Validierungsstrategien angeben. Bekannt ist mir hier unter anderem der ISQ. Ich werde Sie bei dieser spannenden Frage auf dem Laufenden halten.

Der Obama-Crash-Kurs in Rhetorik

Barack Obama wurde vom TIME Magazin als „Person des Jahres 2008“ ausgezeichnet. Das ist nun wenig überraschend. Aber führen wir uns noch einmal vor Augen, wie unwahrscheinlich es schien, dass Obama zum Präsidenten der USA gewählt wird. Das TIME Magazin begründet die Wahl folgendermaßen:

„In einer der verrücktesten Wahlen der US-Geschichte hat er fehlende Erfahrung, einen komischen Namen, zwei Kandidaten, die politische Institutionen sind, und die Kluft zwischen den Rassen überwunden, um der 44. Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.“

TIME Magazine

Obama hat das zum großen Teil seinen herausragenden kommunikatorischen Fähigkeiten zu verdanken. Als Beispiel sehen Sie hier die Rede von Obama am 24.7.2008 in Berlin:

Mit deutscher Übersetzung, Dauer 28:52
[Link entfernt – das Video steht leider im ARD YouTube Channel nicht mehr zur Verfügung]

Auf Englisch, Dauer 25:40

Nehmen wir an, Sie sind Führungskraft und wollen eine Rede halten. Hier sind einige Punkte, von denen wir anhand dieser Rede für die eigene Rhetorik lernen können (frei von rhetorischen Fachbegriffen!):

  • Seien Sie sich bewußt, in welcher Rolle Sie sprechen. Obama stellt klar, dass er nicht als Wahlkämpfer auftritt (daher auch in der gesamten Rede kein „Yes, we can!“), sondern als „Mitbürger“.
  • Stellen Sie nicht gleich sich selbst in den Mittelpunkt, sondern danken Sie erstmal anderen („Ich danke … allen Deutschen … der Bundeskanzlerin … euch allen …“). Das signalisiert eigene Bescheidenheit und Anerkennung für die Beiträge anderer.
  • Zeigen Sie (sparsam eingesetzten) Humor („ich bin mir bewußt, dass ich nicht so aussehe wie der Amerikaner, der zuletzt hier gesprochen hat“).
  • Verwenden Sie eine bildhafte Sprache. Obama macht das ganz hervorragend; er sagt z.B. nicht „Vor 60 Jahren begann unsere Partnerschaft“, sondern er sagt „Diese Partnerschaft hat vor 60 Jahren begonnen – an dem Tage, an dem das erste amerikanische Flugzeug die Landepiste von Tempelhof berührte“. Bilder emotionalisieren und bleiben länger haften.
  • Erzählen Sie eine Geschichte (neudeutsch: Storytelling). „Und da begann die Luftbrücke … alles sprach gegen den Erfolg der Maßnahme … und an einem Tag im Herbst kamen hunderttausende …“. Spannende Geschichten werden immer gerne gehört.
  • Zeigen Sie sich geschichtsbewußt. Auf Unternehmen übertragen bedeutet das: Seien Sie sich bewußt, was die Wurzeln des Unternehmens sind und worin Kontinuität besteht. Sie können auch an ein ganz konkretes Ereignis anknüpfen, so wie Obama an die Rede Ernst Reuters anknüpft: „Völker der Welt, schaut auf Berlin!“
  • Setzen Sie punktuell eine rhetorische Wiederholung ein: Obama appelliert mehrfach an die „Völker der Welt“, um Rhythmus in die Rede zu bringen und um die Aussage zu verstärken.
  • Gerade in der Krise wichtig: Geben Sie den Menschen Hoffnung (Obama sinngemäß: Wenn wir zusammen halten, können wir jedes Problem überwinden).
  • Denken Sie auch an andere. Für ein Unternehmen können das Stakeholder sein.
  • Gestehen Sie eigene Schwächen ein („Ich weiß, dass mein Land nicht perfekt ist … wir haben Fehler gemacht“). Das zeugt von realistischer Einschätzung und Respekt für die Erfahrungen der Zuhörer.
  • Schließen Sie mit einem Appell. Obama sinngemäß: Es ist die Aufgabe unserer Generation, die Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich zu meistern.

Ein für mich besonders auffälliges Merkmal dieser Rede besteht in der Herausstellung von Gemeinsamkeiten. Das ist eine machtvolle Art und Weise, eine tragfähige Basis zu schaffen für eigene Anliegen.

  • Obama stellt sich dar als „Mitbürger der Welt“.
  • Er spricht gemeinsame Werte an, etwa den „Traum von der Freiheit“.
  • Er erinnert an gemeinsame Erfahrungen, das gemeinsam Erreichte und an die lange Partnerschaft.
  • Er spricht gemeinsame Befürchtungen an (z.B. bezgl. der Sicherheit) und gemeinsame Hoffnungen (z.B. auf Frieden).
  • Er weist auf gemeinsame Herausforderungen und die gemeinsame Verantwortung hin.

Sie können viel damit gewinnen, aber bitte verstehen Sie das nicht als eine Sammlung rein technischer rhetorischer Kniffe – sagen Sie nur das, was Sie ehrlich meinen und tun Sie nur das, womit Sie sich wohl fühlen. Obama wirkt bei allem sehr authentisch, bei ihm ist das echt und wahrhaftig. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Anerkennnung und Erfolg mit eigenen Reden!

Obama-Check für deutsche Politiker

Fasziniert blickten wir auf den Wahlkampf und die Wahl in den USA. Barack Obama euphorisiert die Menschen mit dem Versprechen der Veränderung (Change) und gibt ihnen Hoffnung (Hope) auf eine bessere Zukunft (Progress). Im Vergleich wirken deutsche Politiker langweilig.

Keiner unserer zeitgenösssichen Politiker kann es mit Obama aufnehmen, wie unterschiedliche Obama-Checks zeigen (z.B. MOPO, FTD). Was zeichnet Obama aus? Die FTD bewertet die Kriterien Charisma, Glaubwürdigkeit, Rhetorik, Change-Faktor. Die MOPO bewertet ganz ähnlich Charisma, Glaubwürdigkeit, Sprachgewalt, Visionen, Coolness (letzteres soll die Ausstrahluing auf die Jugend abbilden).

Einige Ergebnisse des Obama-Ckecks der FTD vom 11. November (möglich waren 5 Sterne pro Kriterium):

Charisma Glaubwürdigkeit Rhetorik Change-Faktor
Angela Merkel 2 4 2 1
Frank Walter Steinmeier 2 4 2 3
Franz Müntefering 4 2 5 3
Oskar Lafontaine 4 1 4 5
Guido Westerwelle 2 2 5 2
Roland Koch 1 1 5 0

Den MOPO-Check (mit anderer Zusammensetzung der bewerteten Politiker) gewinnen: Klaus Wowereit, Cem Özdemir, Christian Wulff. Diese haben auch die höchsten Charisma-Werte erhalten.

Können wir bald einen deutschen Obama erleben? Ich halte das für unwahrscheinlich: 1. Das Wahlvolk fürchtet sich vor Veränderung. Veränderung und Fortschritt werden hier nicht als Versprechen, sondern als Bedrohung wahrgenommen (die letzte erwähnenswerte Veränderung, die Agenda 2010, wurde gnadenlos von den Wählern bestraft). 2. Wer selbst Politiker ist, scheint keine Veranlassung zu sehen, etwas mehr Schwung in die Politik zu bringen: „Sie können Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen selbst mit langweiligen Spitzenfiguren bekommen“ (Joschka Fischer kürzlich im Deutschlandfunk). 3. Und dann war da noch der Hitler. Der war ja auch charismatisch. Und hat ja damals auch die Leute begeistert. Dieser Vergleich ist unfair, denn Charisma sagt noch nichts aus über Inhalte oder Werte. Aber der Wink mit dem „Hitler“ kann immer noch einschüchtern.

Mein Fazit: Politik ist nie rein rational, sondern immer auch sehr emotional, sowohl in den USA als auch in Deutschland. Aber in Deutschland scheinen negative Emotionen zu überwiegen – Krisengerede, Wut und Angst. In den USA überwiegen positive Emotionen – man blickt, trotz allem, optimistisch in die Zukunft.

Von Obama lernen heißt Siegen lernen

obama-plakat-in-sanfrancisco-by-gerald-petersen.JPGBarack Obama ist der nächste Präsident der Vereinigten Staaten. Wie hat er das geschafft? Er ist Afro-Amerikaner, und bis kurz vor der Wahl hieß es immer noch, Amerika sei noch nicht reif genug für einen schwarzen Präsidenten. Er stammt aus eher bescheidenen Verhältnissen, nicht aus dem Establishment, was eigentlich als Voraussetzung für das Präsidentenamt galt. Wie konnte Obama so viele der als politisch desinteressiert geltenden Amerikaner zur Wahl bewegen?

Die gestrige Sendung* „Hart aber fair“ (Extra: Welcome, Mr. President) suchte nach Antworten. Unter anderem wurden in einem Beitrag zwei Grundsatzreden gegenüber gestellt (bzw. zusammengeschnitten): Die Grundsatzrede von Frank Walter Steinmeier (von der Redaktion als repräsentativ gedacht für die deutsche Politik), und die Grundsatzrede von Barack Obama. Die Unterschiede sind auffällig. 1. Die Rhetorik: Steinmeier nüchtern, Obama visionär. 2. Die Emotionen: Die SPD-Delegierten applaudieren verhalten, die Obama-Anhänger jubeln, mit Freudenträne im Knopfloch.

Was können wir von Amerika lernen?“ fragte Moderator Frank Plasberg, und gab gleich selbst die Antwort: „Begeisterung können wir lernen“.

Man könnte meinen, hierzulande gibt es durch die Bank nur einen rhetorischen Stil: Das Überzeugen. Immer sachlich, immer argumentativ. Das ist auch oft der passende Stil, aber in vielen Situationen funktioniert das nicht, und man kommt nur mit anderen Kommunikationsstilen weiter – oder schneller zum Ziel. Die SPD hatte in der 70ern sogar mal ein Programm in’s Leben gerufen, das die Politik sachlicher machen sollte. Die haben es später aufgegeben. Argumente können durchaus überzeugend sein, aber Argumente mobilisieren nicht. Die Menschen wollen nämlich wissen, wo die Reise hingeht, schon bevor sie sich mit Argumenten auseinander setzen. Wie sieht der Zielzustand aus? Welche Vision wird geboten? Um überhaupt den Stein in’s Rollen zu bringen, braucht es erstmal eine Vision, die die Menschen mobilisiert.

Obama kann begeistern. Und das bedeutet nicht, dass er ein ganz besonders emotionaler Typ ist. Im Gegenteil, er wird als sehr rational, analytisch und beherrscht beschrieben. Dieser Stil wurde ihm zu Beginn des Wahlkampfes sogar zum Vorwurf gemacht, hat sich dann aber als Stärke erwiesen. Er ist also eher ein kühler Kopf, er wirkt authentisch, er wirkt charismatisch, und er beherrscht die Kommunikation des Begeisterns. Das ist das Profil eines Siegers.

* Abrufbar im  WebTV Archiv von hartaberfair (Extra: Welcome, Mr. President)

Gerade entdeckt – über weitere Erfolgsfaktoren schreibt Roland Kopp-Wichmann: Was männliche Führungskräfte von Obama lernen können

Deutsche Unternehmen sind zu deutsch

150px-flag_of_germany-pd.png„Löscher hält Siemens für zu deutsch“ titelt die FTD heute (25.6.2008). Der Konzernchef beklagt im Interview die mangelnde Internationalität seines Managements: „Unsere 600 Spitzenmanager sind vorwiegend weiße deutsche Männer. Wir sind zu eindimensional.“ Die Message ist klar: Wir wollen mehr Manager aus anderen Kulturkreisen und mehr Frauen in Managementpositionen.

Hier geht es um Diversität. Diversität bezeichnet in der Biologie die Artenmannigfaltigkeit, die Vielfalt von Arten in einem Lebensraum. In Unternehmen bedeutet Diversität die Vielfalt in der Mitarbeiterstruktur, zum Beispiel hinsichtlich der Merkmale weiß/farbig, männlich/weiblich, jung/alt.

Viele Unternehmen machen sich stark für das Thema Diversität. Die Motivation dafür kann durchaus unterschiedlich sein. In der Regel versprechen sich die Unternehmen davon eine höhere Kreativität.

Hewlett-Packard, zurzeit der größte Computerhersteller der Welt: „Wir bei HP sind der Überzeugung, dass Diversity … die Hauptantriebskraft für Kreativität, Innovation und Erfindungsgeist darstellt. Diversity ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Sie ist für uns nicht nur ein Muss in Bezug auf eine attraktive Arbeitsumgebung, sondern sie hilft uns auch, am Markt erfolgreich zu sein.“

Delphi, ein führender Zulieferer für die Automobilindustrie: „Unser Unternehmen wird durch die Verkörperung unterschiedlicher Erfahrungen, Hintergründe, ethnischer Gruppen, Lebensstile, kultureller Anschauungen und Glaubensrichtungen bereichert. Diese Ansicht wird vom Vorstand und den höchsten Führungsetagen bis zur gesamten Mitarbeiterbasis geteilt.“

Für Siemens ist noch ein anderer Aspekt ausschlaggebend. Peter Löscher: „Es ist absolut entscheidend. Es ist das Wichtigste. Bildet man seinen globalen Kundenstamm nicht ab, kann man sein volles Potenzial nicht ausnutzen. Bekommt man das hin, hat man einen gewaltigen Vorteil.“

Es geht also darum, den globalen Kundenstamm abzubilden. Die Kunden sollen sich eher mit Siemens identifizieren können. Das klingt für mich ein wenig paradox: Denn dieses Argument besagt, dass letztlich die kulturelle Ähnlichkeit gewünscht ist. Allerdings nicht im Unternehmen, sondern in einer Region.

Jedenfalls: Ein globales Unternehmen braucht eine globalere Unternehmenskultur, so der Ansatz. Da hat nicht nur Siemens, sondern der größte Teil der deutschen Unternehmen noch einen weiten Weg vor sich.

Für die Interaktion in den globalen Unternehmen der Zukunft bedeutet das mehr Vielfalt hinsichtlich der Kommunikationsstile, aber auch größere Herausforderungen für die Mitarbeiter und Manager. Der einzelne kann immer weniger damit rechnen, dass der andere schon versteht, was gesagt wird, denn man tickt ja ähnlich. In Zukunft wird es einen noch größeren Unterschied machen, wie offen jemand ist für andere Menschen und Kulturen, wie gut jemand auf andere eingehen kann, wie gut jemand Menschen mit völlig anderen Hintergründen überzeugen kann, wie gut jemand eine Gemeinschaft formen kann aus höchst unterschiedlichen Individuen.

Konflikt und Beeinflussung

konflikt.jpgIn der Seminarwelt kursieren so viele Modelle, die die Komplexität von Verhalten in der Arbeitswelt auf einige, wenige Dimensionen reduzieren. Interessant wird es, wenn die Modelle sich inhaltlich ergänzen und weitergedacht werden können; so zum Beispiel bei dem Konfliktmodell nach Friedrich Glasl einerseits und dem Beeinflussungs-Modell von David Berlew andererseits.

Glasl beschreibt die aufsteigende Entwicklung einer Eskalation entlang 9 Stufen, die er in je 3 x 3 Ebenen unterteilt. Die erste Ebene – und diese ist auch interessant für das Beeinflussungs-Modell – ist die so genannte Win-Win Ebene mit den Stufen Spannung (1), Debatte (2) und Taten statt Worte (3). Die Ebene 2 subsumiert die Stufen Koalitionen (4), Gesichtsverlust (5)und Drohstrategien (6) und wird Win-Lose genannt. Hier kann nur eine Partei gewinnen, die andere verliert meist nicht nur das Gesicht. In der 3. Ebene, der Lose-Lose Ebene, finden wir Begrenzte Vernichtung (7), Zersplitterung (8)und Gemeinsam am Abgrund (9) und wie wir schon den Namen der Stufen entnehmen können, ist der Aufenthalt in einer Konfliktstufe in der 3. Ebene für keine Konfliktpartei von Vorteil.

Die dahinter liegende Idee ist, dass eine Deeskalation eines Konfliktes weniger Kosten verursacht, je früher die Deeskalation eingeleitet wird und umso höher ist auch die Chance, dass die beiden Parteien erhobenen Hauptes aus dem Konflikt kommen.

Die Deeskalationsstrategien für die Stufen nach Glasl sind:

Stufe 1 – 3: Moderation
Stufe 3 – 5: Prozessbegleitung
Stufe 4 – 6: Sozio-therapeutische Prozessbegleitung
Stufe 5 – 7: Vermittlung/ Mediation
Stufe 6 – 8: Schiedsverfahren/ Gerichtliches Verfahren
Stufe 7 – 9: Machteingriff

Betrachten wir nun die Stufen 1-3, dort also, wo wir noch eine Win-Win Situation herbeiführen können. Die Strategie der Moderation stellt nun die Frage nach den Skills, die die Person für die Deeskalation benötigt.
Stufe 1 – Spannung – wird in Wikipedia wie folgt beschrieben:

„Konflikte beginnen mit Spannungen, z.B. gelegentliches Aufeinanderprallen von Meinungen. Es ist alltäglich und wird nicht als Beginn eines Konflikts wahrgenommen. Wenn daraus doch ein Konflikt entsteht, werden die Meinungen fundamentaler. Der Konflikt könnte tiefere Ursachen haben.“

Das Beeinflussungs-Modell von David Berlew schlägt in diesem Falle als sinnvoller Beeinflussungs-Stil das Brücken Bauen vor. Die Konfliktparteien müssen den jeweilig anderen Einbeziehen, die Meinung des anderen verstehen und transparent machen, dabei Aktiv Zuhören und eigene Punkte Aufdecken. Erst wenn die Spannung identifiziert ist, kann sie konstruktiv bearbeitet werden.
Zu der Stufe 2 – Debatte – schreibt Wikipedia:

„Ab hier überlegen sich die Konfliktpartner Strategien, um den Anderen von seinen Argumenten zu überzeugen.“

Als sinnvoller Beeinflussungs-Stil ist hier das Überzeugen zu nennen: Klare Vorschläge mit nachvollziehbaren Argumenten verbinden. Entsprechend wechselt man von der kommunikativen Zug-Energie zu der Schub-Energie. Ich weiß, was ich von der anderen Partei möchte und „schiebe“ ihn zu meinem Beeinflussungs-Ziel.
Was schreibt Wikipedia zu Stufe 3 – Taten statt Worte:

„Die Konfliktpartner erhöhen den Druck auf den Anderen, um sich oder seine Meinung durchzusetzen.“

Die Argumente sind also nun gewechselt und man muss einen kommunikativen Gang höher schalten. Es geht nun darum, klar und deutlich seine eigenen Erwartungen zu formulieren. Hier ist der Stil der Wahl das Durchsetzen. In vergleichbaren Konflikt-Eskalationsmodellen (wie beispielsweise nachzulesen in „Konflikte lösen“ von Heinz-Jürgen Herzlieb) wird diese 3. Stufe übrigens auch Konfrontation genannt.

Interview (7): Zeit für die verhaltensgestützte Ökonomie

u_heuser_11-240.jpgUwe Jean Heuser leitet die Wirtschaftsredaktion der Wochenzeitung Die Zeit. Der promovierte Volkswirtschaftler studierte in Bonn, Berkeley, Köln und Harvard und lehrt heute unter anderem an der Universität St. Gallen. Sein aktuelles Buch „Humanomics“ beschreibt die Veränderung der Sichtweise der Ökonomie. Das tatsächliche Verhalten des Menschen rückt in den Fokus der Forschung, was nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Auswirkungen hat. My-Skills hatte die Möglichkeit hier nachzufragen.

Frage > Sie beschreiben in Ihrem Buch „Humanomics“ eine Revolution in der Ökonomie. Das Menschenbild des Homo Oeconomicus wird ersetzt durch ein neues lebensnahes Menschenbild mit all den schwer kalkulierbaren und irrationalen Entscheidungs- und Informationsprozessen. Was ist das Revolutionäre an dieser Entwicklung?

Das wirtschaftliche Denken ändert die wirtschaftliche Praxis. Für den einzelnen wie für Unternehmen und die Gesellschaft. Ein Beispiel: Wenn Menschen erkennen, dass sie bei der Verfolgung des eigenen Glücks bestimmte Verhaltensmuster besser vermeiden sollten, ergibt sich ein neues Konsum- oder Sparverhalten. Und auch der Staat kann seine Politik entsprechend darauf einrichten und etwa die richtigen Anreize für die private Altersvorsorge setzen.

Frage > Was für einen Nutzen hat dies für uns?

Es besteht die große Chance, dass Wirtschaften effizienter wird im Sinne unseres eigenen Nutzens und im Sinne gesellschaftlicher Ziele. Menschen verschwenden dann weniger Mittel, werden besser darin, die eigenen wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Wenn ich weiß, dass ich am Aktienmarkt bestimmte Verhaltensmuster an den Tag lege, kann ich mich entsprechend einrichten. Und wenn die Politik besser versteht, welche Anreize wirklich menschliches Verhalten in eine bestimmte Richtung verändern, kann sie mit weniger Mitteln oder Steuergeldern mehr erreichen.

Frage > Welche Chancen hat eine „verhaltensgestützte Ökonomie“ für Wohlstand und Wohlbefinden unserer Gesellschaft?

Die Grenze des erreichbaren Nutzens kann nach außen verschoben werden. Lange Zeit nahmen Ökonomen an, das beobachtbare Verhalten der Menschen sei schon Ausdruck einer echten Nutzen- oder Glücksmaximierung. Nun wird klar, dass wir dabei besser werden können, dass also Potential besteht, mit den selben Ressourcen mehr zu erreichen. Wenn die Ökonomie nun etwa erforscht, welchen Fairnessvorstellungen Menschen folgen, kann sie Sozialsystem schaffen, die im Einklang damit stehen und folglich stärker akzeptiert werden als bisherige Modelle.

Frage > Ein übergeordnetes Thema dieses Blogs ist Soft Skills. Hat Ihr beschriebener Ansatz auch Auswirkungen auf die Soft Skills, die wir als Führungskraft und Mitarbeiter in unseren Berufsalltag mitbringen müssen?

Zunächst muss ich sagen, dass dies nicht „mein“ Ansatz ist. Ich beschreibe und interpretiere nur eine dreißigjährige Forschung, die nun den Mainstream des ökonomischen Denkens verändert. In der Tat meine ich, dass dadurch auch unser Verständnis von „Soft Skills“ ein anderes werden dürfte. Nehmen wir wiederum das Fairnessverhalten, diesmal von Mitarbeitern. Ökonomen erkennen, wie stark die Motivation ist, sich ungeachtet persönlicher Vorteile für diese Vorstellungen einzusetzen und sich entweder entsprechend im Unternehmen zu engagieren oder auf Dienst nach Vorschrift umzustellen. Manchmal sind diese Impulse viel stärker als monetäre Anreize. Und was wären „Soft Skills“ anderes als die Fähigkeiten, im Sinne des Unternehmens auf menschliche Motivationen einzugehen?

Herr Dr. Heuser, vielen Dank für Ihre Antworten.

Ein sehr hörenwertes Interview mit Uwe Jean Heuser zu Humanomics finden Sie auch unter podcast.de.

Weiterbildung lohnt sich für Unternehmen

reverse-macro-13-arrows-dollar-bill-by-odalaigh-cc.jpgWeiterbildung ist ein Karriere-Turbo, das ist bekannt. Auch Unternehmen sehen den Wert von Weiterbildung, sind jedoch auch unsicher in Bezug auf die tatsächliche Rendite von Weiterbildungsmaßnahmen.

Eine Studie der Universität Linz im Auftrag der Arbeiterkammer Wien bringt Licht in dieses Dunkel und zeigt beeindruckende Ergebnisse: Jeder Euro, der zusätzlich in Weiterbildung investiert wird, bringt 13 Euro für das Unternehmen. Die Produktivität des einzelnen Mitarbeiters erhöht sich um vier Prozent. „Die Studie zeigt die enorme Hebelwirkung von Weiterbildung“ (Johanna Ettl, Bildungsexpertin der AK Wien).

Die Studie belegt, dass die Effekte je nach Themenbereich unterschiedlich sind. Die Weiterbildung von Soft Skills (persönliche Fähigkeiten, z.B. in den Bereichen Kommunikation, Führung, Team) bringt mehr Produktivitätszuwachs als etwa Sprach-, Marketing- oder IT-Kurse.

Wie passen diese Ergebnisse zu den Befunden einer anderen Studie (dritte europäische Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen), wonach deutsche Unternehmen mit Weiterbildung knausern und ihre Weiterbildungsaktivitäten seit 1999 deutlich reduziert haben? Das passt gar nicht, es ist ein Zeichen für ökonomischen Unverstand. Weiterbildung wird von den Verantwortlichen offensichtlich massiv in ihrer positiven Wirkung für die Unternehmen unterschätzt.

Kritik am Harvard-Konzept

harvard-konzept.jpgDas Harvard-Konzept ist sehr mächtig und auch bei „schwierigen“ Fällen anwendbar. Die wichtigsten Prinzipien des Harvard-Konzeptes habe ich in den vorangegangenen Beiträgen dargestellt. Dennoch habe ich einige Kritikpunkte:

1. Das Harvard-Konzept betont, dass die Beziehung sehr wichtig ist. Vollkommen richtig, aber ich habe den Eindruck, hier wird etwas als „neue“ Erkenntnis verkauft, was bereits lange vorher von Forschern formuliert und von Praktikern umgesetzt wurde. Beispielsweise haben die richtungsweisenden Forschungen von Blake & Mouton gezeigt, dass Ergebnisorientierung und Menschenorientierung in der Führung sich nicht ausschließen, sondern gleichzeitig (ohne eine Dimension zu vernachlässigen) praktiziert werden können. Und das Trainingsprogramm „Positiv Beeinflussen“ wendet diese Philosophie sehr erfolgreich auf die Kommunikation bzw. Beeinflussung allgemein an: Ziele erreichen bei gleichzeitiger Stärkung der Beziehung.

2. Das Harvard-Konzept behauptet, im Verhandlungsprozess gäbe es keine Phasen. Das entspricht nicht meiner Erfahrung. In Verhandlungen beobachte ich sehr wohl, dass der Prozess bestimmte Phasen durchläuft. Diese Phasen sind wiederkehrend, unterscheidbar, und gestaltbar. Im Trainingsprogramm „Konstruktiv Verhandeln“ werden diese Phasen dargestellt, und mit konkreten Aufgaben sowie kommunikativen Taktiken verknüpft, um in jeder Phase angemessen und erfolgversprechend zu agieren.

3. Das Harvard-Konzept beruht auf der Maxime, beim Verhandeln Vernunft anzuwenden. Das ist natürlich ganz richtig, nur manchmal liegen die Interessen der Verhandlungspartner jenseits der Vernunft. Das können z.B. bestimmte Werte sein, die (zumindest für eine Partei) sehr wichtig sein können, aber nicht unbedingt vernunftmäßig begründet werden können. In diesen Fällen kann eine rein vernunftgesteuerte Argumentation an ihre Grenzen kommen.

4. Das Harvard-Konzept fordert ein Vorgehen nach den dargelegten Prinzipien „unabhängig von Vertrauen oder Misstrauen“. Das halte ich nicht für den klügsten Weg. Ich empfehle, sehr wohl zu unterscheiden, ob die Beziehung mehr oder weniger vertrauensvoll ist und das eigene Verhalten flexibel daran auszurichten. Das Trainingsprogramm „Konstruktiv Verhandeln“ vermittelt dazu konkrete Verhaltenshinweise. Zum Beispiel sollte man sensible Informationen nicht vorschnell preisgeben, wenn die Beziehung (noch) nicht vertrauensvoll ist. Meistens ist es allerdings umgekehrt der Fall, dass Informationen zu sehr zurückgehalten werden – in einer vertrauensvollen Beziehung sollten Sie dieses Vertrauen weiter stärken, indem Sie Informationen frühzeitig offen legen. Ihr Verhandlungspartner wird es Ihnen höchstwahrscheinlich gleich tun.

Diese Kritikpunkte stellen das Harvard-Konzept an sich nicht in Frage, weisen aber auf einige Dinge hin, die im Harvard-Konzept nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Das Trainingsprogramm „Konstruktiv Verhandeln“ integriert das Harvard-Konzept und geht darüber hinaus. Es beinhaltet Lösungen für die hier dargestellten Punkte.

Mit diesem Beitrag endet meine Serie zum Harvard-Konzept. Den wichtigsten Prinzipien habe ich einen Beitrag gewidmet. Manche Themen habe ich nur gestreift, etwa die Themen „Wahlmöglichkeiten entwickeln“ oder „Umgehen mit Verhandlungstricks“. Nicht dargestellt habe ich das Thema „beste Alternative“. Vielleicht lege ich später einmal nach, ansonsten verweise ich auf das Buch „Das Harvard-Konzept“.

Und woher kommt der Name „Harvard-Konzept“? Das Konzept beruht auf dem „Harvard Negotiation Project“ der Harvard Universität. Das Anliegen des Harvard Negotiation Project ist es, die Theorie, Lehre und Praxis von Verhandlungen zu verbessern.

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept

Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden

Japanische Kalligraphie: das Zeichen für Judo by Franklinbaldo (cc)Mancher Leser könnte auf die Idee kommen: „Das Harvard-Konzept klingt ja sehr schön, aber die Realität sieht anders aus“. Das Harvard-Konzept basiert jedoch keinesfalls auf einem „heile-Welt-Paradigma“ oder einer irgendwie zu harmonisch gedachten Realität. Ich zitiere (Das Harvard-Konzept):

Wie gut Sie auch immer die Interessen der Gegenseite verstehen, wie genial Sie auch die Interessen zusammen bringen, wie hoch Sie auch die künftigen gegenseitigen Beziehungen einschätzen mögen – immer werden Sie mit der harten Wirklichkeit einander widerstreitender Interessen konfrontiert sein. Und keine noch so schöne Rede vom beiderseitigen „Gewinn“ kann das aus der Welt schaffen.

Nur: Die Menschen versuchen meistens, solche Interessenkonflikte durch Feilschen um Positionen zu lösen: „Ich will dieses“ und „Ich fordere jenes“. Und das ist mit hohen Kosten verbunden. Das sachbezogene Verhandeln ist dagegen vom Willen der Verhandlungspartner unabhängig.

Das vierte Grundprinzip des sachbezogenen Verhandelns (Harvard-Konzept) lautet: Bestehen Sie auf der Anwendung neutraler Beurteilungskriterien. Es geht also darum, eine Lösung auf nachvollziehbare und legitime Prinzipien zu gründen. Finden Sie faire Kriterien, zum Beispiel Marktwert, Referenzfälle, Gutachten. Finden Sie faire Verfahrensweisen, zum Beispiel kennen wir alle dieses Muster für eine faire Verfahrensweise: Der eine teilt, der andere sucht aus.

Will der Verhandlungspartner sich nicht auf das sachbezogene Verhandeln einlassen, bringen Sie ihn auf die Schiene. Auch wenn Sie annehmen müssen, dass Ihr Verhandlungspartner von „Win-Win“ nichts hält, das Harvard-Konzept nicht kennt, und feilschen will: Tun Sie so, als ob beide Verhandlungspartner an der Lösung eines gemeinsamen Problems orientiert sind und behandeln Sie den Verhandlungspartner und seine Äußerungen entsprechend. Wenn der Verhandlungspartner konkrete Forderungen nennt, fragen Sie zum Beispiel:

„Wie kommen Sie auf diese Summe?“ oder
„Auf welcher Basis erscheint Ihnen Ihre Forderung als angemessen?“ oder
„Nach welchen Kriterien wird üblicherweise der Betrag festgesetzt?“

Die Autoren des Harvard-Konzeptes nennen es „Verhandlungs-Judo“, weil die Energie des Verhandlungspartners geschickt auf die sachliche Ebene gelenkt wird. Das hat etwas von einer „sanften Umerziehung“. Was auch immer die Gegenseite unternimmt: Bestehen Sie auf neutralen Beurteilungskriterien!

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept

Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren

citrus-sinensis-150-pd.jpgDie Autoren des Harvard-Konzeptes sprechen von „Interessen“: Man solle sich „auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen“. Der Begriff „Bedürfnisse“ scheint mir allerdings passender. Denn gemeint sind die Beweggründe oder Motive, die hinter einer Verhandlungsposition stehen. Es geht um die Frage: Warum? Warum möchte der eine Verhandlungspartner dieses oder jenes? Berühmt geworden ist das Beispiel mit der Orange, das dieses Prinzip verdeutlicht: Zwei Schwestern streiten sich um eine Orange. Die Lösung scheint einfach: Die Orange wird in der Mitte geteilt. Eine der Schwestern presst das Fruchtfleisch aus für einen Saft, und wirft die Schale weg. Die andere verwendet die Schale für einen Kuchen, und wirft das Fruchtfleisch weg. Dumm gelaufen!

sadat-and-begin-250-pd.jpgEs kommt also darauf an, Positionen und Bedürfnisse zu unterscheiden und „hinter“ die Positionen zu schauen. Ein reales Beispiel aus der Politik: Israel und Ägypten verhandeln 1978 im Camp David über die Bedingungen für einen Frieden zwischen beiden Ländern. Israel (Begin) will unbedingt Teile des im Sechstagekrieg eroberten Sinai behalten, Ägypten (Sadat) will unbedingt den ganzen Sinai zurück. Diese Positionen sind unvereinbar. Wenn nur diese Positionen verhandelt werden, ist klar, dass die Verhandlung scheitern muss. Eine Lösung wurde möglich, indem sich die Verhandler auf die Bedürfnisse der Verhandlungsparteien konzentrierten: Ägypten wollte (nach einer Geschichte der Fremdherrschaft und des Kolonialismus) seine volle Souveränität bewahren. Israel wollte sichere Grenzen. Das Ergebnis: Der gesamte Sinai wurde in die Souveränität Ägyptens zurückgegeben, jedoch wurde der Sinai entmilitarisiert. Dieses Abkommen beendete den langandauernden Kriegszustand zwischen beiden Ländern.

Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage der anderen Partei und fragen Sie „Warum?“. Vermeintlich irrationales Verhalten der anderen wird vielleicht plötzlich ganz verständlich.

Wir können leicht den Eindruck gewinnen, es gehe immer und überall ausschließlich um Geld. Und dabei übersehen wir leicht, welche Bedürfnisse die Menschen antreiben. Zum Beispiel, Herr Meier fordert eine Gehaltserhöhung. Ok, er bringt überdurchschnittliche Leistung, aber ich kann nicht „ja“ sagen, denn das Budget ist nicht da, um seine Forderung zu erfüllen. Und sage ich „nein“, riskiere ich, dass er unzufrieden wird oder sich gleich eine neue Stelle sucht (und das bei dem heutigen Fachkräftemangel). Nun, warum will er eine Gehaltserhöhung, worum geht es ihm? Um Status? Dann könnte ein Dienstwagen das Richtige sein. Um Weiterentwicklung? Dann könnte eine Weiterbildung das Richtige sein. Um Sicherheit? Dann könnte eine betriebliche Altersvorsorge das Richtige sein. Etc.

Einwurf: „Aber das kostet doch auch Geld!“. Nun, nicht unbedingt, aber natürlich kann das Argument zutreffen. Manche Lösungen kosten auch Geld. Jedoch bei geschicktem Einsatz viel weniger als die Erfüllung der ursprünglichen Forderung, und sehr viel weniger als eine gescheiterte Verhandlung! Es lohnt sich demnach, sich für die Bedürfnisse der anderen zu interessieren.

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept

Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen

Missklänge, Misstrauen, Schuldzuweisungen, Ärger, persönliche Angriffe, beleidigt sein, Frustration, gefühlter Mangel an Wertschätzung. Wir können nicht aus unserer Haut, wir haben Gefühle und reagieren emotional. “Business ist nichts anderes als ein Knäuel menschlicher Beziehungen” (Lee Iacocca). Das kann sehr positiv sein, sehr leicht kommt uns der menschliche Faktor jedoch in die Quere. Es ist klar, dass Verhandlungen, die mit negativen Gefühlen für die Beteiligten einhergehen, schwierig sind und schneller scheitern.

Eines der Grundprinzipien des sachbezogenen Verhandelns nach dem Harvard-Konzept lautet: Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln! Das heißt nicht etwa, die menschlichen Regungen und Gefühle auszublenden, sondern Sie eben getrennt von den sachlichen Erörterungen zu halten. Es ist sogar sehr wichtig, sich der Gefühle, die im Spiel sind, bewusst zu werden. Dazu gehört Empathie – die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen (Wie kommt das bei ihm an? Wie fühlt sie sich jetzt?). Das ist wichtig, weil die Beziehung wichtig ist. In der Tat ist die Aufrechterhaltung der Beziehung oft noch viel wichtiger (und auch insgesamt profitabler) als ein bestimmtes Verhandlungsergebnis.

Für das Verhalten in Verhandlungen bedeutet das: Opfern Sie nicht Ihre Interessen, um sich auf einer menschlichen Ebene „einzukaufen“. Versuchen Sie z.B. nicht, einen menschlichen Konflikt dadurch zu entschärfen, indem Sie Zugeständnisse machen. Sondern adressieren Sie die menschlichen Aspekte, bevor Sie auf sachlicher Ebene weiter machen. Zum Beispiel, erlauben Sie der anderen Partei, Dampf abzulassen, ohne das als persönlichen Angriff zu verstehen. Akzeptieren Sie, dass Sie Emotionen haben und dass die Gegenseite Emotionen hat. Sprechen Sie Emotionen an. Prüfen Sie Ihr Verständnis des Gesagten, indem Sie es mit eigenen Worten wiederholen. Appellieren Sie an Ihre Verhandlungspartner, eine gemeinsame Übereinkunft zu suchen.

Bei Verhandlungen gibt es immer unterschiedliche Interessen (sonst ist es keine Verhandlung). Es gibt aber immer auch gemeinsame Interessen, sonst wären die Verhandlungsparteien nicht zusammen gekommen. Achten Sie darauf, trotz unterschiedlicher Interessen das Problem anzugehen, und nicht die Menschen!

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept

Sachbezogenes Verhandeln

Hart oder weich verhandeln? Das war die Frage des letzten Beitrags. Die Antwort lautet „weder noch“. Ändern Sie die Regeln. Die Autoren des Harvard-Konzeptes sprechen von sachbezogenem Verhandeln oder Verhandeln nach Sachlage (principled negotiation / negotiation on the merits). Das ist eine „unter allen Umständen anwendbare, offene und ehrliche Verhandlungsmethode“ (Zitat aus Das Harvard-Konzept).

Einige Aspekte im Vergleich:

Weich Hart Sachbezogen
Verhandlungsteilnehmer = Freunde Verhandlungsteilnehmer = Gegner Verhandlungsteilnehmer = Problemlöser
Ziel = Übereinkunft Ziel = Sieg Ziel = vernünftiges, effizient und gütlich erreichtes Ergebnis
Vertrauen Misstrauen unabhängig von Vertrauen oder Misstrauen vorgehen
Konzessionen zur Verbesserung der Beziehung Konzessionen als Voraussetzung für die Beziehung Menschen und Probleme getrennt behandeln
Entgegenkommen Beharren auf der eigenen Position Konzentration auf Interessen (nicht Positionen)
Druck nachgeben Druck ausüben Vernunft anwenden und sachlich argumentieren

Das sachbezogene Verhandeln hat vier Grundprinzipien:

1. Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln!

2. Nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt stellen!

3. Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln!

4. Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen!

Die Methode des sachbezogenen Verhandelns ist der Weg zu einer klugen, effizienten und gütlichen Einigung. Da die grundlegenden Interessen der Verhandlungspartner mit in die Verhandlung einbezogen werden, und gemeinsame Kriterien für die Entscheidung herausgearbeitet werden, lässt sich eine vernünftige Übereinkunft erreichen. Da die Teilnehmer sich nicht die ganze Zeit mit Grabenkämpfen und Feilschen um Positionen beschäftigen, lässt sich die Lösung auf eine effiziente Art und Weise finden. Und da Menschen und Probleme getrennt voneinander behandelt werden, wobei der Mensch auch als Mensch ernst genommen wird, kann eine gütliche Einigung erzielt werden.

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept

Hart verhandeln oder weich verhandeln?

Springer im Gespräch by casio (pq)Viele Menschen verhandeln „hart“ und meinen auch, das müsse so sein. Sie konzentrieren sich auf Ihre eigenen Forderungen und Ziele und sind bestrebt, diese mit allen Mitteln zu erreichen. „Wenn du einen Freund suchst, kauf dir einen Hund!“ (Gordon Gekko in Wall Street). Neuerdings nennt man diesen Stil auch „kompetitives Verhandeln“, wobei die Lehrer des kompetitiven Verhandelns letztlich zugeben, dass die Aufrechterhaltung der Beziehung sehr wichtig ist.

Hartes Verhandeln klingt nach Stärke, kann aber schwerwiegende Nachteile mit sich bringen. Die Parteien fokussieren Ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Positionen. Die Verhandlung bleibt oberflächlich und Interessen der Parteien werden nicht erkundet. Das Gerangel um Positionen führt dazu, dass sich Verhandlungspartner inflexibel verhalten und wenig kreativ sind in der Findung von guten Lösungen. Das Ergebnis ist häufig für beide Seiten schlechter als es möglich wäre.

Verhandlungen, die im harten Stil geführt werden, sind nicht nur ineffizient, sondern auch gefährlich für die Beziehung der Verhandlungspartner. Der ausgetragene Willenskampf führt leicht dazu, dass negative Emotionen geweckt werden und die Beziehung gestört wird. Nicht nur Nachbarschaftsstreit, sondern auch erhebliche finanzielle Schäden für Unternehmen können so entstehen.

Andere Menschen haben einen weichen Verhandlungsstil. Ihnen sind vielleicht die Nachteile des harten Verhandelns bewusst, vielleicht wollen sie auch einfach nicht anecken. Sie sind nett und freundlich, machen Zugeständnisse und versuchen, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Die Pflege der Beziehung steht im Vordergrund.

Das ist aber auch keine Lösung, denn diese Menschen werden eine leichte Beute für die harten Verhandler und geben oft mehr weg als nötig.

Hier einige Aspekte harten und weichen Verhandelns (nach: Das Harvard-Konzept). Hart, weich, oder dazwischen? Welchen Stil würden Sie wählen?

Weich Hart
Verhandlungsteilnehmer = Freunde Verhandlungsteilnehmer = Gegner
Ziel = Übereinkunft Ziel = Sieg
Vertrauen Misstrauen
Konzessionen zur Verbesserung der Beziehung Konzessionen als Voraussetzung für die Beziehung
Entgegenkommen Beharren auf der eigenen Position
Druck nachgeben Druck ausüben

Wenn Ihnen diese beiden Wahlmöglichkeiten nicht zusagen, meinen Glückwunsch! Es geht nicht um hartes oder weiches Verhandeln, sondern um kluges Verhandeln. Die Autoren des Harvard-Konzeptes nennen das „sachbezogenes Verhandeln“.

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept