Entscheidungen für Entscheidungsbücher

YES:

Decisive

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NO:

No

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für das „Decison Book“ brauchen wir nicht viele Zeilen zu verschwenden. Erstanden habe ich es in einer wachsenden amerikanischen Kette, in der sich 30 plus Menschen mit Kleidung jugendlich codieren. Unter den „hippen“ Büchern fand ich auch diesen zusammenkopierten und zusammenhangslosen Quatsch, in dem auf 159 Seiten alle Sozio- und Psychobusinessmodelle  vorgestellt werden. Von der Maslow Pyramide zu dem Flow Erlebnis zu dem Johari Fenster. Was das mit Entscheidungen zu tun hat, erschließt sich nicht immer. Meist nie.

Decisive – How to make better choices in Life and Work hingegen ist ein echter Knaller. Die Gebrüder Chip und Dan Heath beschreiben zunächst die vier Schurken des Entscheidens. Anhand von wirklich zahlreichenden und passenden Beispielen bringen sie uns auf unterhaltsame Art  „Narrow Framing“, „Confirmation Bias“, „Short-term emotions“ und „Overconfidence“ näher. Viele Bücher enden hier. Die Quintessenz ist dann oft: „Ja, ja so rational sind wir gar nicht! Unsere Entscheidungen sind total fehlerbehaftet.“ Doch hier fangen die Autoren erst an.

Zu jeden der vier Schurken gibt es ausreichend Gegenmittel, die wiederum durch passende Beispiele näher gebracht werden: Das richtige Anwenden des Advocati Diaboli, die Gong Show, die eigenen Optionen erweitern, Opportunitätskosten mitdenken, langfristige Konsequenzen von Entscheidungen in Betracht ziehen, Informationen, von denen holen, die sicherlich gegen eine solche Entscheidung wären, die Zukunft nicht als einen Punkt, sondern als Spanne denken und viele mehr.

Nebenbei erfährt man noch, warum  David Lee Roth in seinem Catering Rider eine Glasschüssel voller M&Ms wünscht, allerdings ohne die braunen und wie man innerhalb von fünf Jahren durch schlechte Entscheidungen 1,5 Milliarden Dollar verliert. Das Buch lohnt sich also.

Entschlossene Satisficer

Puh, was für ein anstrengendes Leben für den Mitteleuropäer im Jahr 2010. Ständig müssen wir uns entscheiden. Entscheiden, welches der 10.000 Produkte in den deutschen Supermärkten wir kaufen („Bio“ oder „light“ oder „Premium“ oder doch auf den Preis achten), entscheiden welche der 1.000 Filme im Video on Demand Store wir heute Abend schauen und welche der neuen CDs wir kaufen (oder doch besser aus dem Netz herunterladen), gehen wir ins Theater oder Kino oder Essen oder Trinken oder lesen wir endlich mal das Buch zu Ende oder das andere das ich angefangen habe, das ja auch nicht so interessant ist. Und immer wenn ich mich für eines entscheide, kann ich das andere nicht mehr haben. Und so bleibt man im Vakuumraum der Unentschlossenheit und glaubt alle Optionen noch zu besitzen, aber voran in ein lebendigeres Leben geht ja auch nichts.

Da fühlt man sich wie die Hauptfigur Dwight von Benjamins Kunkel Roman „Unentschlossen“ der an chronischer Abulie leidet, der krankhaften Unentschlossenheit. Damit wir nicht wie Dwight das Scheinmedikament Abulinix nehmen müssen, um richtig und willensstark entscheiden zu können, empfehle ich den Artikel „Ja oder nein oder weder noch?“ von Ursula Nuber in der aktuellen Psychologie Heute (Februar 2010) zu lesen.

Frau Nuber fasst aktuelle Entwicklungen der Entscheidungsforschung zusammen. Interessant dabei sind die Passagen über die Satisficer und Maximizer. Satisficer treffen eine Entscheidung, die gut genug ist und mit der sie nach einem inneren Standard zufrieden sind. Sie suchen nicht nach der noch besseren Entscheidung. Maximizer hingegen sind die Repräsentanten der betriebswirtschaftlichen Gedankenwelten, kleine Homo Oeconomicuse. Eine Entscheidung muss bestmöglich sein. Das Bestmögliche variiert je nach Vergleichswert und Optionen. Habe ich nun viele Optionen, wird es schwierig. Noch schwieriger wird es zufrieden zu sein mit einer Entscheidung. Die Zufriedenheiten sind stark abhängig von Vergleichswerten, die außerhalb unsere selbst liegen. Und wie Beautiful South bereits sangen: „There’s always someone with a bigger car/ There’s always someone with a bigger cigar/ If you’ve been far/ There’s someone who’s been further than your far“, wird es schwer werden als Maximizer zufrieden zu sein.

Das ist auch beobachtbar in unseren postmodernen Abendunterhaltungen. Versuchen Sie mal einen Videoabend hinzubekommen mit fünf Maximizern, wenn man theoretisch jeden Film der IMDB Top 250 herunterladen kann. Der Satisficer würde nach zu langer Diskussion irgendwann zufrieden ein Buch lesen, das zufällig auf dem Regal stand.

Entscheide oder leide?

entscheide.jpgDie Zeitschrift GEO ist für mich generationenschaffend. Ich kenne eine handvoll Menschen, die vor 1970 geboren sind und eine komplette GEO-Sammlung, fein und ordentlich aufbewahrt, besitzen. Die nach 1970 Geborenen haben vielleicht mal ein GEO Spezial „Japan“ oder „Amerika“ gekauft, aber die normale GEO selbst nie. Die August 2008 Ausgabe hat nun den Aufmacher „Die Psychologie der Entscheidung“. Der Untertitel klingt noch etwas nach Focus oder Stern Psychologie-Copy-Paste-Thema: „Das Geheimnis der guten Wahl“. Doch was uns der Autor Harald Willenbrock in den 15 gut recherchierten und toll geschriebenen Seiten liefert, ist mehr als unterhaltsame Information.

Hier wird beschrieben, wie gute Entscheidungen zu treffen sind und welche Tücken  dem Entscheidungsprozess innewohnen.  Der Autor trumpft auf mit einer Reihe von Zahlen:
–    bis zu 100.000 Entscheidungen treffen wir täglich
–    davon sind 99,9 % unbewusst
–    der durchschnittliche deutsche Supermarkt hält 10.000 Produkte für uns bereit
–    der amerikanische 40.000
–    dösen wir im Sessel prasseln auf uns 11 Millionen Sinneseindrücke ein
–    unser Gehirn kann aber nur 40 bis 60 davon verarbeiten

Unser Gehirn bewertet und sortiert die gewaltige Anzahl an Sinneseindrücke und lässt nur die  wichtigen durch. Gleichzeitig bewertet es aber auch die  Impulse emotional in „positiv“ und „negativ“. Diese emotionalen Bewertungen tauchen wieder auf in Entscheidungssituationen. Der Autor nennt das Beispiel eines Autokaufs. Positive Gefühle der Geborgenheit werden evoziert bei  der Marke eines Autos, mit dem in der Kindheit Familienausflüge unternommen wurden. Negative Emotionen treten bei der Marke auf, mit der man stressbeladen die Fahrprüfung machte. Das Wissen ist hier in Emotionen gespeichert, was zu schnellen einfachen Entscheidungsempfehlungen führt: die Intuition.

Willenbrock nennt viele weitere Beispiele und Experimente, so dass der gesamte Artikel zu mehr A-ha Erlebnissen führt als manche 500 Seiten Bücher, die in ihrem Titel A-ha Effekte suggerieren. Deshalb eine klare Empfehlung (auch an die nach 1970 geborenen): Wer interessiert ist an Entscheidungsprozessen, der möge diesen Artikel lesen.