Den Exodus verhindern

Im Beitrag „Verlier’ nicht die Köpfe“ habe ich über eine Studie berichtigt, die belegt, dass beim Personalabbau nicht nur die Mitarbeiter gehen, die man loswerden möchte, sondern auch viele von denen, die man gerne behalten hätte.

Im Magazin enable (Seite 6) werden Experten gefragt, wie der Exodus-Effekt verhindert werden kann.

Siegfried Russwurm, Personalvorstand bei Siemens:

1. Klare, offene Kommunikation: Den Mitarbeitern genau erklären, warum Einschnitte notwendig sind. Das ist auch eine Frage des fairen Umgangs. 2. Ein attraktiver Arbeitgeber sein. Das bedeutet vor allem, „spannende Aufgaben und gute Karrieremöglichkeiten“ zu bieten.

Rainer Winz, Professor an der Hochschule Merseburg:

1. Die Schuldigen (für die schlechte wirtschaftliche Lage der Firma) benennen und Bestrafen. 2. „Nicht an Kleinigkeiten herumstreichen“. 3. Nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip vorgehen, sondern die Abteilungen stärken, die die Firma wieder nach oben bringen. 4. Für die Zukunft Prämien versprechen.

Albert Nussbaum, Geschäftsführer von Mercuri Urval (Personalberater):

Den Leistungsträgern eine klare Perspektive bieten; durch mehr Verantwortung und neue Herausforderungen. Dagegen bringen materielle Anreize nichts; die materiellen Möglichkeiten der Mitarbeiterbindung seien ohnehin ausgeschöpft.

Das sind einige zweifellos richtige Ansätze, aber auch bestimmt nichts bahnbrechend Neues. Wenn der Exodus-Effekt ein so großes Problem darstellt, wie erst kürzlich in einer Studie (s.o.) belegt, dann kommen mir die Vorschläge insgesamt etwas naiv vor. Schließlich wollen Unternehmen nicht erst seit gestern Ihre Leistungsträger halten. Und mich verwirren zwei Vorschläge von Professor Winz. Kann man Leistungsträger halten, wenn man die Schuldigen benennt und bestraft? Führen Prämien wirklich zu Loyalität? Ich bezweifle das. Was halten Sie von den hier dargestellten Ideen?

Verlier‘ nicht die Köpfe!

Exit by C.P.Storm (cc)Die USA befinden sich in einer Rezession, die Wirtschaft in Deutschland stagniert. Viele Unternehmen denken mal wieder an Personalkürzungen. Diejenigen, die sich zum Personalabbau entschließen, sollten bedenken: Es gehen nicht nur die Mitarbeiter, denen gekündigt wurde. Es gehen auch zusätzlich noch viele Mitarbeiter, die eigentlich gehalten werden sollten! Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Charlie O. Trevor und Anthony J. Nyberg von der University of Wisconsin-Madison („Keeping Your Headcount When All About You Are Losing Theirs“, veröffentlicht im Academy of Management Journal April 2008, Harvard Business Review berichtete darüber in der Ausgabe Mai 2008).

Personalabbau löst ohnehin eine schlechte Stimmung unter den Mitarbeitern eines Unternehmens aus. Ich habe selbst einmal dieses merkwürdige Gefühl gehabt, als ich als Berater in einem großen Unternehmen nach einem massiven Personalabbau (unterstützt durch ein anderes Beratungsunternehmen) durch fast menschenleere Bürotrakte ging. „An den Wänden sind noch die Blutspritzer“ war ein Spruch aus dieser Zeit. Es war dann an uns als (neuen) Beratern, dabei zu helfen, wieder Dynamik in das Unternehmen zu bringen und Engagement zu wecken.

Lähmungserscheinungen sind nicht die einzige Folge von Personalabbau – als wenn das nicht schon schlimm genug wäre. Eine weitere gravierende Folge ist ein freiwilliger Weggang von Mitarbeitern, die eigentlich bleiben sollten. Beispiel: Auf einen gekündigten Mitarbeiter kommen fünf, die freiwillig gehen. Man kann einwenden, das nur amerikanische Unternehmen untersucht wurden (höhere Flexibilität) und es bei uns nicht ganz so schlimm wäre. Das ist wahrscheinlich zutreffend. Aber die psychologischen Wirkungen sind vorhanden. Allgemein gilt: Je höher die Kündigungswelle, desto größer auch der freiwillige Exodus. Und so kann es plötzlich einen Mitarbeiter-Mangel geben. Die Produktivität leidet, Umsatz und Gewinn können einbrechen.

Der Exodus-Effekt war weniger gravierend in Unternehmen, auf die folgendes zutrifft:

  • Die Unternehmen vermitteln ihren Mitarbeitern, dass es bei ihnen fair und gerecht zugeht (z.B. durch Prozesse für vertrauliche Problemlösung).
  • Die Unternehmen waren erfolgreich darin, eine hohe Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu erreichen (z.B. durch Karriereplanung, flexible Arbeitszeiten).

Die Autoren der Studie geben damit Hinweise, wie der Exodus-Effekt durch gute Praktiken im Personalmanagement vermieden oder gemildert werden kann. Man sollte damit nicht bis zur Krise warten…