Effektiv in Gruppen arbeiten, Groupthink vermeiden

Group DiskussionWenn Sie Projektleiter oder Führungskraft sind, oder es zu Ihren Aufgaben gehört, Teams zu bilden und zu leiten, dann kommt es darauf an, von vornherein die Weichen richtig zu stellen. Generell empfehle ich, nicht nur um Groupthink zu vermeiden, sondern ganz allgemein für eine allgemein erfolgfreiche Arbeit in Gruppen, folgende Punkte:

1.    Stellen Sie ein gemischtes Team zusammen.

Ein homogen zusammengesetztes Team ist anfällig für Groupthink. Viele Führungskräfte suchen sich Mitarbeiter, die ihnen selbst ähnlich sind. Das Resultat ist, dass alle in die gleiche Richtung denken. Das ist bequem und mag sogar oberflächlich den Anschein erwecken, dass das Team gut funktioniert, kann jedoch gefährlich sein. Achten Sie also bei der Zusammensetzung der Gruppe darauf, dass die Teammitglieder sich nicht zu ähnlich sind. Mischen possible!

2.    Strukturieren Sie den Gruppenprozess.

Strukturieren Sie den Gruppenprozess und untertützen Sie die Arbeit mit effektiven systematischen Methoden. Das wirkt einer allzu schnellen einhelligen „Bequemlichkeits“-Entscheidung entgegen und fördert die Effizienz. Erarbeiten Sie eine Agenda und eine Vorgehensweise, dabei können Sie das Team bereits einbinden. Ein Beispiel für eine Vorgehensweise (beschrieben von Ursula Piontkowski und Wolfgang Keil von der Universität Münster): Erst werden alle verfügbaren lntormationen gesammelt; dabei werden Doppelinhalte aussortiert, damit nicht Informationen übergewichtet werden, nur weil sie von mehreren Teammitgliedern genannt wurden. So wird eine gemeinsame Wissensbasis geschaffen. Dann  werden die Fakten bewertet, und zwar ausschließlich danach, wie relevant sie für die Lösung der Aufgabe erscheinen. Die Gewichtung macht jeder zunächst für sich individuell. Erst danach diskutiert und entscheidet die Gruppe gemeinsam. Die Gewichtung sollte möglichst transparent und systematisch erfolgen. Ich verwende für die Gewichtung von Faktoren, auch bei der Entwicklung einer Strategy Map / Balanced Scorecard und der Gestaltung von Veränderungsprozessen, gerne eine Cross-Impact-Analyse (Vester’sche Vernetzungsmatrix bzw. Einflussmatrix).

3.    Setzen Sie einen externen Moderator ein.

Ein externer Moderator ist inhaltlich nicht involviert und neutral. Er kann sich voll und ganz auf den Gruppenprozess konzentrieren und diesen steuern. Die Führungskraft wird dadurch von Mehrfach-Funktionen (einerseits moderieren, andererseits Inhalte einbringen) entlastet und der Gruppenprozess wird professionell gestaltet. Der externe Moderator sollte eine Moderator-Ausbildung vorweisen können und Erfahrung in der Leitung von Workshops haben.

4.    Entwickeln Sie Ihre Soft Skills und die Soft Skills Ihrer Mitarbeiter.

Die jüngere Forschung über Groupthink misst dem Faktor „low self efficacy“ (geringe Selbstwirksamkeit) eine sehr hohe Bedeutung bei. Ein Mensch, der daran glaubt, Einfluss nehmen zu können (hohe Selbstwirksamkeitserwartung), kann Situationen und Aufgaben besser bewältigen. Solche Menschen vermeiden nicht die nötige Auseinandersetzung, sondern feruen sich darauf. Sie sind in der Lage, eigene Ideen zu kommunizieren und dabei fair mit anderen Menschen und Ideen umzugehen. Daher ist es wichtig und lohnend, die Selbstwirksamkeit durch die Vermittlung von Kommunikationsfertigkeiten zu stärken und zu verbessern (zum Beispiel mit dem Trainingsprogramm „Positive Power and Influence“). Gute Skills sind essentiell, sowohl für die eigene Wirksamkeit, als auch für eine erfolgreiche Arbeit der Gruppe!

5.    Entwickeln Sie ein passendes Rollenverständnis für sich als Führungskraft.

Führungskräfte haben eine besondere Stellung und Verantwortung, sie beeinflussen das Gruppen-Geschehen maßgeblich, ob sie das wollen oder nicht, ob es ihnen bewußt ist oder nicht. Sie entscheiden damit auch maßgeblich, ob sich Groupthink entwickelt oder nicht. Ich empfehle Führungskräften, ganz bewußt bestimmte passende Rollen einzunehmen. Wenn im Team Konflikte und Auseinandersetzungen zugunsten einer oberflächlichen Harmonie vermieden werden, wenn potenziell strittige Themen unter den Teppich gekehrt werden, dann können Sie als Führungskraft zum Beispiel die Rolle des „Provokateurs“ einnehmen. Sie können in dieser Rolle dazu anregen, produktive Auseinandersetzung zu fördern und Sie können dabei helfen, bestehende Konflikte auf konstruktive Weise auszutragen. Ein Rollenmodell der Führung haben Mai und Akerson beschrieben („The Leader as Communicator“). Im Trainingsprogramm „Leader moves!“ können Sie lernen, eine eigene Kommunikationsstrategie zu entwickeln und passende Rollen zu wählen, d.h. je nach Situation bestimmte Schwerpunkte in Ihrem Verhalten zu setzen, die die Produktivität im Team erhöhen.

Seien Sie sich bewußt, dass immer, wenn Menschen in einer Gruppe zusammen arbeiten, Groupthink bzw. Gruppendenken eine reale, aber auch beherrschbare Gefahr darstellt.

Vorangegangene Beiträge zum Thema Groupthink:
Groupthink kills – wie Gruppendenken zu schlechten Entscheidungen führt
Groupthink verhindern

Groupthink verhindern

The Cuba Missile CrisisNach dem Schweinebucht-Fiasko (1961) wollte John F. Kenndy es besser machen. In der Kubakrise (1962) bemühte Kennedy sich ganz bewusst, Groupthink (Gruppendenken) zu vermeiden. Er zog zu Meetings externe Experten hinzu, die ihre Sicht der Dinge darstellten. Er ermutigte die Gruppenmitglieder, Lösungsideen mit vertrauten Leuten auch außerhalb der Gruppe zu diskutieren. Teilweise unterteilte er die Gruppe in kleinere Gruppen, um den Gruppenzusammenhalt nicht allzu fest werden zu lassen. Ab und zu zug er sich aus den Diskussionen zurück, damit seine eigene Meinung nicht die Meinung der Gruppe zu sehr prägt. Die Welt stand „am Abgrund eines atomaren Infernos“ (Egon Bahr), doch wie allgemein bekannt ist, konnte die Kubakrise friedlich gelöst werden. Das ist nicht nur intelligenten Einzelpersonen, sondern auch einem intelligenten Gruppenprozess zu verdanken.

Wie kann man Groupthink verhindern?

Eine vordergründig einfache Lösung könnte sein, dass nur noch einer allein die Entscheidungen trifft. Das ist jedoch, insbesondere in komplexen Systemen, nicht ratsam. Ein einzelner Mensch hat nur begrenzte Kenntnisse, begrenzte Zeit, ist anfällig für Wahrnehmungsverzerrungen und tendiert dazu, sich nur an eigenen Interessen zu orientieren. Gruppen treffen tendenziell bessere und oft auch schnellere Entscheidungen als einzelne Individuen. Es ist vorteilhaft, wenn relevante  Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammen kommen, unterschiedliche Kompetenzen und Sichtweisen berücksichtigt werden, Einzelmeinungen in einen Wettstreit der Ideen treten, Ideen untereinander ausgetauscht werden, und Menschen sich gegenseitig in ihrer Kreativität anregen. Gruppen-Lösungen sind tendenziell von höherer Qualität.

Nicht Teams oder Meetings sind das Problem, sondern Unkenntnis und Unprofessionalität, wenn es um Gruppendynamik geht. Es geht nicht darum, Gruppenprozesse abzuschaffen, sondern es geht darum, dafür zu sorgen, dass Gruppenprozesse effektiv sind und gute Entscheidungen produzieren. Es gibt eine ganze Reihe von konkreten Maßnahmen, um bei Gruppenprozessen in Organisationen Groupthink zu verhindern. Irving Janis nennt folgende Möglichkeiten:

  1. Ermuntern Sie jeden, ein kritischer Gutachter zu sein. Das ermöglicht allen, Ihre Bedenken offen zu äußern.
  2. Als Führungskraft halten Sie sich mit ihrer eigenen Meinung zurück, wenn Sie der Gruppe Aufgaben geben.
  3. Bilden Sie voneinander unabhängige Gruppen, die an demselben Problem arbeiten.
  4. Untersuchen Sie alle aussichtsreichen Optionen gründlich und unvoreingenommen.
  5. Jedes Gruppenmitglied bespricht die Ideen der Gruppe vertrauensvoll mit Menschen außerhalb der Gruppe und meldet die Reaktionen zurück in die Gruppe.
  6. Laden Sie externe Experten ein, um an den Meetings teilzunehmen. Die Experten dürfen die Sicht der Gruppe kritisieren. Die Gruppenmitglieder dürfen mit den Experten diskutieren und Fragen stellen.
  7. Weisen Sie einem Gruppenmitglied die Rolle des Advocatus Diaboli zu. Die Rolle wechselt mit jedem Meeting, d.h. es nimmt immer ein anderes Mitglied die Rolle des Advocatus Diaboli ein.

Einige dieser Punkte kosten noch nicht einmal etwas und sind sind praktisch in jedem Gruppenprozess anwendbar. Einige Punkte sind nicht in jedem Fall oder ohne Probleme umzusetzen. Beispielsweise könnte es Probleme mit der Geheimhaltung und einen hohen Abstimmungsaufwand geben, wenn es mehrere Gruppen gibt, die an der Lösung eines Problems arbeiten.

In jedem Fall erfordert eine effektive Gruppe eine gewisse Reife der beteiligten Personen. Die Führungskraft sollte sich z.B. am Anfang mit der eigenen Meinung zurückhalten, das fällt sicher nicht allen leicht. Und jedes einzelne Teammitglied benötigt Fertigkeiten, nicht nur um eigene Ideen zu kommunizieren, sondern auch um Kritik respektvoll zu äußern.

Diese Punkte sollten ernsthaft geprüft und, soweit möglich, berücksichtigt werden.

Neben den von Janis genannten Maßnahmen sind auch bestimmte Methoden geeignet, Gruppendenken zu verhindern, zum Beispiel die Delphi-Methode oder die Cross Impact Matrix Method. Ich werde im nächsten Beitrag weitere Hinweise geben, wie Gruppenprozesse professionell gestaltet werden können und wie insbesondere Führungskräfte und Leiter zu erfolgreichen und effizienten Gruppenprozessen beitragen können.

Vorangehender Beitrag: Groupthink kills – wie Gruppendenken zu schlechten Entscheidungen führt
Fortsetzung: Effektiv in Gruppen arbeiten, Groupthink vermeiden

Groupthink kills – wie Gruppendenken zu schlechten Entscheidungen führt

Teamentscheidungen sind in der Regel besser als die Entscheidungen der einzelnen Teammitglieder. Und in heutigen Organisationen geht nichts ohne Teamarbeit. Aber Teamprozesse können ihre Tücken haben, und das widerum ist ein Grund dafür, dass Meetings nicht überall ein gutes Image haben. Eine dieser Tücken ist Groupthink bzw. Gruppendenken. Gruppendenken ist ein Phänomen der Gruppendynamik, das auftreten kann, wenn eine Gruppe Entscheidungen trifft oder Lösungen erarbeitet.

Der Begriff „Groupthink“ stammt von dem Psychologen Irving Janis (er arbeitete an der Yale University und der University of California, Berkeley). Janis fragte sich, warum Gruppen mit an sich kompetenten und intelligenten Mitgliedern manchmal schlechte und desaströse Entscheidungen treffen. Er entwickelte die Groupthink Theorie, die beschreibt, wie eine Gruppe auf eine systematische Art und Weise Fehler macht bei der Entscheidungsfindung. Die Theorie ist auch außerhalb der Scientific Community bekannt geworden, da einige der auf Groupthink zurückgeführten Entscheidungen katastrophale Auswirkungen hatten.

Was ist Groupthink?

Groupthink ist ein bestimmter Denkmodus von Menschen in einer Gruppe (Team, Meeting, Workshop, Konferenz, Ausschuss). Beim Gruppendenken versucht die Gruppe, Konflikte nicht aufkommen zu lassen oder zu minimieren, und einen Konsens zu erreichen, jedoch ohne Ideen angemessen kritisch zu bewerten, zu analysieren und zu testen. Individuelle Sichtweisen und die individuelle Kreativität geht verloren, Querdenken ist unerwünscht. Dabei ist es nicht etwa so, dass die Gruppenmitglieder sich unter Zwang fühlen – sie fühlen sich vielmehr der Gruppe sehr verbunden und vermeiden es von vornherein, in eine Konfliktsituation zu geraten. Die Harmonie der Gruppe wird als wichtiger empfunden als die realistische Einschätzung der Situation. Das Resultat kann dann sein: Eine Gruppe von klugen Menschen trifft dumme Entscheidungen.

Wann kann Groupthink auftreten?

Folgende Faktoren können eine Rolle spielen (nach Irving Janis und Clark McCauley):

  • Der Gruppenzusammenhalt ist sehr hoch (das „Wir-Gefühl“ ist sehr stark ausgeprägt).
  • Die Gruppe ist isoliert von anderen, insbesondere von konträren Meinungen.
  • Es werden keine systematischen Methoden angewendet.
  • Die Gruppenmitglieder sind homogen zusammengesetzt (z.B. gleiche soziale Herkunft, gleiche politische Ansichten, gleiches Alter etc.).
  • Die Gruppe wird von einem „starken“ Leiter geführt (direktiver Führungsstil).

Der erste Punkt ist wichtig, produziert allerdings für sich genommen noch kein Groupthink. Wenn jedoch ein zweites Merkmal hinzukommt, wird die Sache heikel. Und im letzten der hier genannten Punkte zeigt sich die besondere Bedeutung und besondere Verantwortung der Leiter oder Führungskräfte.

Was sind die Symptome von Groupthink?

Um Groupthink erkennen zu können, hat Janis eine Liste von acht typischen Symptomen erstellt:

  1. Illusion der Unverwundbarkeit: Es gibt einen überbordenden Optimismus, auch extreme Risiken werden akzeptiert.
  2. Rationalisierung von Warnsignalen: Was der Gruppenmeinung widerspricht, wird versucht, „passend“ zu interpretieren oder zu verharmlosen.
  3. Unerschütterlicher Glaube: Die Gruppe ist anderen moralisch überlegen, die Ziele der Gruppe sind automatisch richtig.
  4. Stereotypisierung von Andersdenkenden: Wer anderer Meinung ist, ist boshaft, schwach, blind, arrogant, voreingenommen oder dumm. Janis: “soft-headed groups are often hard-hearted when it comes to dealing with outgroups or enemies”.
  5. Druckausübung auf Abweichler: Wer die Meinung der Gruppe anzweifelt, dem wird Illoyalität unterstellt und der wird auf Linie gebracht.
  6. Selbstzensur: Gruppenmitglieder äußern abweichende Ideen oder gar Kritik an der herrschenden Mening nur andeutungsweise oder gar  nicht.
  7. Illusion der Einstimmigkeit: Alle Signale werden als Bestätigung der Gruppenmeinung interpretiert, Schweigen gilt als Zustimmung.
  8. Mindguards: Selbsternannte Meinungswächter schirmen die Gruppe ab von Menschen oder Informationen, die in eine andere Richtung deuten.

Ich habe das erlebt, und es war ein Fall wie aus dem Lehrbuch. Nur wer in dieselbe Richtung denkt, gehört zur in-group. Wer anders denkt, wird ausgegrenzt und gehört zur out-group. Das Verrückte am Groupthink ist, dass alle Gruppenmitglieder sich sehr wohl fühlen in der Gruppe und mit den Gruppen-Entscheidungen: „We are the Champions!“

Was sind negative Konsequenzen von Groupthink?

  1. Alternativen werden nicht oder unzureichend berücksichtigt.
  2. Ziele sind unvollständig.
  3. Risiken werden falsch eingeschätzt.
  4. Einmal getroffene Entscheidungen werden nicht mehr hinterfragt.
  5. Externe Experten werden nicht hinzugezogen.
  6. Es werden nicht relevante Informationen gesucht, sondern nur „passende“.
  7. Es gibt keinen Plan B.

Dem Groupthink-Phänomen wird unter anderen bei folgenden Ereignissen eine entscheidende Rolle zugeschrieben:

  • Das Schweinebucht-Fiasko (1961): Exilkubaner wollten mit Unterstützung der USA in Kuba landen und die revolutionäre Regierung Castros stürzen. Geplant hatte das Unternehmen die CIA. Die Invasion Kubas scheiterte vollständig. Es zeigte sich, dass die Annahmen und Planungen der CIA völlig unrealistisch waren.
  • Die Eskalation des Vietnam-Krieges: Der inszenzierte Tonkin-Zwischenfall als Rechtfertigung für ein Eingreifen der USA (1964), Bombardierung Nordvietnams und Landung von Kampftruppen (1965), Eingreifen der UdSSR und VR China, Ausweitung der Bombardierungen auf Kambodscha und Laos (1970). Der Krieg endete 1975 mit dem Sieg der nordvietnamesischen Truppen. Falsche Entscheidungen führten dazu, dass 3 Millionen Menschen getötet wurden.
  • Das Challenger-Unglück (1986): Die Raumfähre Challenger explodiert beim Start, alle 7 Besatzungsmitglieder sterben. Ursache für das Unglück war ein Dichtungsring, von dem bekannt war, dass er ein Risiko darstellt. Dennoch wurde für den Start entschieden. (Das Challenger Unglück – und was das mit Kommunikation zu tun hat)
  • Die Katastrophe von Tschernobyl (1986): Die Reaktorkatastrophe nahe Prypjat in der heutigen Ukraine (damals UdSSR) war die bis heute schwerste nukleare Havarie und eine der schlimmsten Umweltkatastrophen aller Zeiten. Reason (1987) stellt dar, dass Groupthink dort eine Rolle spielte. Gerade diese Katastrophe förderte die Perspektivenverschiebung von der rein technisch orientierten Sicht hin zur Betonung der Rolle des Menschen und psychologischer Faktoren (human factors).
  • Der Irakkrieg (2003): Beschrieben im Buch „Der Weg zum Irak-Krieg – ‚Groupthink‘ und die Entscheidungsprozesse der Bush-Regierung“ von Friederike Kuntz.
  • Der Zusammenbruch der britischen Northern Rock Bank (2007): Das Geschäftsmodell von Northern Rock beruhte auf dem Kredithandel und beinhaltete extrem hohe Risiken. Aufgrund der Subprime-Krise geriet die Bank in eine Liquiditätskrise. Es fehlte plötzlich so viel Geld, dass nur noch der Staat einspringen konnte – die Bank wurde 2008 verstaatlicht.

Robert S. Baron stellte 2005 nach einer Auswertung von jüngeren Studien zum Thema fest, dass das Groupthink-Phänomen sogar noch viel weiter verbreitet ist als Irving Janis annahm. Groupthink ist alltäglich und allgegenwärtig.

Lesen Sie in der Fortsetzung, wie Sie Groupthink verhindern können:

Teil 1 (mit Ideen von Irving Janis): Groupthink verhindern
Teil 2 (mit Ideen von Gerald Petersen): Effektiv in Gruppen arbeiten – Groupthink vermeiden

Das Challenger Unglück – und was das mit Kommunikation zu tun hat

challenger_explosion-240pxpd.jpgHeute vor 25 Jahren, am 28. Januar 1986: Die Raumfähre Challenger (Mission 51-L) explodiert beim Start, alle 7 Besatzungsmitglieder sterben. Es war der bis dahin schwerste Unfall in der Raumfahrtgeschichte der USA. Die Challenger-Katastrophe führte für 2 Jahre zur Einstellung des Shuttle-Programms der NASA.

Was genau passierte, ist in der NASA Missionsbeschreibung nachzulesen: 73 Sekunden nach dem Start von Cape Canaveral explodierte die Fähre. Vor der Explosion gab es einen Flammenaustritt an der Seite eines Boosters.

Eine Untersuchungskommission wurde damit beauftragt, die Ursachen für das Unglück zu ermitteln. Die Kommission konnte folgende Ursache sehr überzeugend belegen: Ein Dichtungsring der Feststoffraketen, ein sogenannter O-Ring, hat versagt. Das Material des Dichtungsrings (Kunstgummi) war aufgrund der Kälte beim Start (Nachtfrost) zu wenig elastisch. Soweit die technische Seite der Geschichte – ein Dichtungsring war zu wenig elastisch. Kleine Ursache – große Wirkung.

Das Challenger-Unglück ist ein interessantes Fallbeispiel für eine Katastrophe, für die letztlich nicht die Ursache in der Technik zu suchen ist, sondern in der Kommunikation. Wie konnte es also zu so einer Katastrophe kommen, und was hat das mit Kommunikation zu tun?

feynman-kuemmertsie.jpgDas Mitglied der Untersuchungskommission Richard P. Feynman, (Physiker, Autor, Nobelpreisträger) berichtet in einem seiner Bücher aus seiner Sicht über die Tätigkeit und die Erkenntnisse der Kommission.

Vor dem Start gab es einige Diskussionen. Ingenieure des Herstellers der Raketen, Morton Thiokol Inc., hatten starke Befürchtungen wegen dem Versagen der Dichtungsringe, speziell bei Kälte, und brachten diese dem NASA-Management gegenüber zum Ausdruck. In einer Sitzung der Kommission meldet sich ein Ingenieur von Morton Thiokol zu Wort. „Seine Kollegen von Morton Thiokol und er seinen zum Schluß gelangt, … dass das Dichtungsproblem etwas mit niedrigen Temperaturen zu tun habe. Sie seien außerordentlich besorgt gewesen und hätten der NASA in der Nacht vor dem Start … dringend davon abgeraten … zu starten.“ Das NASA Management habe entsetzt reagiert. Das Beweismaterial sei „unvollständig“, man habe auch bei erfolgreichen Flügen Verschleisserscheinungen beobachtet, die Ingenieure sollten das Thema aus Management-Sicht betrachten usw. So wurde Druck aufgebaut, das Veto gegen den Start zurückzuziehen, und schließlich gaben die Leute von Thiokol nach (Feynman, „Kümmert Sie, was andere Leute denken?“, S. 137, S. 171).

Die Kommissionsmitglieder trauten Ihren Ohren kaum. Schockierend war damals und ist es auch heute noch: Es war durchaus bekannt, dass der Dichtungsring ein Risiko darstellt, und zwar insbesondere bei niedrigen Temperaturen. Der Start wurde dennoch freigegeben. Das ist wie russisches Roulette. Es kann gut gehen, aber auch nicht; und selbst wenn es gut geht, ist das keine Garantie dafür, dass es ein weiteres Mal gut geht.

Das ist auch ein Fall von Gruppendenken. Gruppendenken (Groupthink) bezeichnet das Phänomen, dass eine Gruppe von eigentlich kompetenten Personen schlechte oder realitätsferne Entscheidungen trifft, indem sich die Mitglieder der Gruppe einer allgemeinen Gruppenmeinung anpassen. Hinzu kamen eingeschliffene Verhaltensweisen in der NASA-Kultur, wie die „Normalisierung“ von Auffälligkeiten (Abweichungen, die eigentlich außerhalb der Toleranz lagen, wurden einfach für „normal“ erklärt).

Risiko“ ist für Organisationen kein objektiver Tatbestand, sondern ein sozial ausgehandeltes Konstrukt (nebenbei: Ich denke da auch an die Ursachen der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise – bestehende Risiken wurden lange Zeit verdrängt).

challenger_flight_51-l_crew-250pxpd.jpgNur selten hat unangemessenes Kommunikationsverhalten derart dramatische Auswirkungen. Bei dem Challenger-Unglück haben wir glücklicherweise einen Fall, der intensiv untersucht wurde. Das ist bei den tagtäglichen unternehmerischen Entscheidungen natürlich nur sehr selten der Fall. Aber wir alle kennen Situationen, in denen Fakten geleugnet wurden, Druck ausgeübt wurde, nicht zugehört wurde und auch Situationen, in denen ein guter Standpunkt vorschnell aufgegeben wurde. Die Kosten schlechter Kommunikation und schlechter Entscheidungen sind schwer zu erfassen, sind aber zweifelsohne extrem hoch. Das sagen uns eigene Erfahrungen und der gesunde Menschenverstand. Umgekehrt gilt: Bessere Kommunikation spart Nerven und Kosten (und rettet manchmal Leben). Bessere Kommunikation macht die Welt zu einem besseren Ort. Ich möchte dazu anregen, in Zukunft ein klein wenig bewusster zu kommunizieren.

In Gedenken an die Besatzungsmitglieder Francis R. Scobee, Michael J. Smith, Judith A. Resnik, Ellison S. Onizuka, Ronald E. McNair, Gregory B. Jarvis, Sharon Christa McAuliffe.