Was sind Sie für ein Typ? Persönlichkeitstests auf dem Prüfstand

gehirn„Sie sind sicher auch ein roter Typ!“ „Ich kann einfach nicht mit dem zusammenarbeiten, der ist grün und ich bin ein blauer Typ.“ So unterhalten sich Mitarbeiter, die einen Persönlichkeitstest ausgefüllt haben, der sich Struktogramm nennt. Die Farben stehen für eine postulierte Dominanz von Hirnteilen:

  • grün = Stammhirn
  • rot = Zwischenhirn
  • blau = Großhirn

Diese Typologie ist sehr einfach, und wir ahnen es schon: Zu einfach, um die Komplexität von Menschen angemessen zu beschreiben.

Der Markt für Persönlichkeits-Tests ist groß. Beliebte Instrumente sind:

  • Struktogramm (Biostrukturanalyse)
  • MBTI (Myers-Briggs-Typen-Indikator)
  • GPOP (Golden Profiler of Personality, eine neuere Form des MBTI)
  • DISG (Dominant, Initiativ, Stetig, Gewissenhaft)
  • Insights MDI
  • HBDI (Hermann Brain Dominance Instrument)

Doch wie sieht es aus mit der wissenschaftlichen Grundlage dieser Instrumente? Die Wurzeln des Struktogramms liegen in der Anthropologie, nicht in der wissenschaftlichen Psychologie. Ähnlich wie das Struktogramm verortet auch der HBDI unterschiedliche Denkstile in unterschiedlichen Hirnarealen, und diese Zusammenhänge sind nicht haltbar. Heute geht man davon aus, dass es hochkomplexe neurale Verknüpfungen und Muster gibt, jedoch nicht einzelne Hirnareale, die bestimmen, wer wir sind. Der MBTI wurde von auf der Grundlage der Typenlehre von C.G. Jung entwickelt. Jedoch wird angezweifelt, ob die Entwickler Jung überhaupt richtig verstanden haben, und Jung selbst gilt in der akademischen Psychologie als nicht wissenschaftlich. Eine wissenschaftliche Überprüfung des DISG steht aus. Die Stiftung Warentest stellte fest, der HBDI beruht auf einer „wissenschaftlich umstrittenen Methode“ und dem Insights MDI liegt ein „wissenschaftlich umstrittenes Modell“ zugrunde. Die Anbieter stellen das natürlich anders dar.

Was sind Gründe für die weite Verbreitung von Tests, deren wissenschaftliche Grundlage fraglich ist?

  1. Jeder sucht nach Informationen, die einem helfen, sich selbst besser zu verstehen. Hier kommen die Typen-Tests gerade recht. Ich fülle einen Fragebogen aus und schon meine ich zu wissen, wer ich bin, wie ich funktioniere (und wie andere funktionieren).
  2. Die Typologien sehen für Laien plausibel aus. Besondere Anziehungskraft scheinen Modelle zu haben, die Persönlichkeit mit Hirnstrukturen verbinden. Damit wird an etwas angekoppelt, was nicht in Frage steht (es gibt unterschiedliche Hirnareale) und ein wissenschaftlicher Hintergrund wird nahe gelegt.
  3. Die Menschen fühlen sich bestätigt. Testkandidaten kreuzen die Eigenschaften an, von denen Sie meinen, dass diese auf sie zutreffen. Das Test-Ergebnis bestätigt ihre Sicht.
  4. Der Testkandidat hat nun einen Namen für seinen Typ („Das bin ich, und jetzt weiss ich, ich bin der rote Typ“). Damit wird auch die Kommunikation über unterschiedliche Persönlichkeitstypen erleichtert.

Viele Anwender lassen sich blenden, und sind sich nicht bewußt, wie beschränkt die Aussagefähigkeit solcher Instrumente tatsächlich ist, und welche Probleme mit dem Einsatz derselben verbunden sein können. Ich empfehle für den Einsatz von Persönlichkeitstests:

  • Wenn möglich, verwenden Sie Tests, die eine gute Anbindung haben an den wissenschaftlichen Korpus der Psychologie.
  • Wenn möglich, verwenden Sie nicht nur Selbstbeschreibungen (Gefahr der sich selbst erfüllenden Prophezeiung, soziale Erwünschtheit), sondern ergänzen die Selbsteinschätzung mit Fremdeinschätzungen (Feedback von anderen).
  • Seien Sie sich bewußt, dass Persönlichkeitstests das Schubladendenken fördern. Damit können Menschen sehr festgelegt werden, möglicherweise gegen ihre Entwicklungswünsche.
  • Beachten Sie, dass die Theorien und Testergebnisse zu schematischem Verhalten führen können: Die Mitarbeiter sind beschäftigt damit, Personen zu kategorisieren und sind dann tendenziell weniger offen der Situation gegenüber, sie verhalten sich weniger flexibel und weniger angemessen in der Situation.
  • Beachten Sie den Anwendungskontext: Wozu werden die Testergebnissse eingesetzt? Die Anregung einer Diskussion im Team (eher unproblematisch) ist etwas anderes als die Personalselektion (eher problematisch). Für die Personalentwicklung sind Persönlichkeitstests eher nicht geeignet, da man bei dem Konzept „Persönlichkeit“ von zeitlich stabilen Eigenschaften ausgeht, während es in der Personalentwicklung um Entwicklung, also um Veränderung geht. In der Personalentwicklung sind verhaltensorientierte Instrumente geeignet. Diese bilden veränderbares Verhalten ab, können Entwicklungswünsche konkretisieren und können zur Veränderungsmessung eingesetzt werden.

Diese Empfehlungen richten sich an diejenigen, die über einen Testeinsatz entscheiden. Aber auch jeder einzelne Testanwender kann daraus seine Schlüsse ziehen.

„Na, welcher Typ sind Sie?“

Führung von unten – die Trickkiste

Endlich frustfrei! Chefs erfolgreich führen. Die besten Tricks für harte FälleAnfang der 90er (lange ist’s her…) stieß ich auf das Konzept „Führung von unten“ von Rolf Wunderer (Prof. der Universität St. Gallen, heute emeritiert). Wunderer hatte einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel „Managing the boss – Führung von unten“ (Zeitschrift für Personalforschung 1992 Nr. 3, S. 287-311). Wunderer kehrte die übliche Betrachtungsweise, dass der Manager seine Mitarbeiter führt, um, und lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass Mitarbeiter ihre Chefs führen: Führung von unten.

Lange war es ruhig um dieses Konzept. Doch 2006 sind gleich zwei Bücher zum Thema erschienen und eines stelle ich hier vor: Endlich frustfrei! Chefs erfolgreich führen. Die besten Tricks für harte Fälle von Christiane Drühe-Wienholt. „Dieses Buch vermittelt, wie Sie die Beziehung zu Ihrem Chef so gestalten, dass Sie gemeinsam an einem Strang und in die gleiche Richtung ziehen – ohne sich dabei verbiegen zu müssen“ (aus der Kurzbeschreibung). Es geht nicht darum, sich einzuschleimen. Es geht auch nicht darum, den Chef zu manipulieren (das kann nur in die Hose gehen). Es geht darum, eine konstruktive und produktive Arbeitsbeziehung zu gestalten. Und das gefällt mir. Wenn Sie meinen, Ihr Chef macht nichts als ihnen weitere Arbeit aufzubürden, dann erhalten Sie in dem Buch Hinweise, wie Sie die Beziehung positiv gestalten können.

Die Autorin geht dabei sehr strukturiert und systematisch an die Sache heran. Das Buch lädt ein zum aktiven Lesen mit Checklisten und Arbeitsblättern. Zunächst geht es darum, die Perspektive der anderen Seite einzunehmen. Dann wird der Chef analysiert, mit Hilfe des Myers-Briggs-Typenindikators (MBTI). Mein erster Kritikpunkt an diesem sonst guten Buch: Der MBTI nimmt viel Platz ein, dieses Instrument erscheint jedoch Laien zwar wissenschaftlich, ist aber tatsächlich wenig wissenschaftlich abgesichert. Sodann gilt es, eine partnerschaftliche Beziehung zu modellieren. Ein Instrument, das hier zum Einsatz kommt, ist das „Vier-Seiten-Modell“ (Kommunikationsquadrat) von Friedemann Schulz von Thun. Ein weiteres Modell ist die Transaktionsanalyse. Beide Modelle sind Standard-Inhalte von Kommunikationsseminaren, da sie einfach sind und schnell Erkenntnisgewinne ermöglichen. Mein zweiter Kritikpunkt: Alter Wein in neuen Schläuchen. Die Instrumente sind altbekannt, werden allerdings in einen neuen thematischen Zusammenhang gestellt.

Alles in allem ein guter Ansatz und ein brauchbares Buch. Die Stärken liegen in dem „Durcharbeiten“-Charakter. Werden Sie zum Chefversteher! Führen Sie Ihren Chef!