Deutsche Unternehmen sind zu deutsch

150px-flag_of_germany-pd.png„Löscher hält Siemens für zu deutsch“ titelt die FTD heute (25.6.2008). Der Konzernchef beklagt im Interview die mangelnde Internationalität seines Managements: „Unsere 600 Spitzenmanager sind vorwiegend weiße deutsche Männer. Wir sind zu eindimensional.“ Die Message ist klar: Wir wollen mehr Manager aus anderen Kulturkreisen und mehr Frauen in Managementpositionen.

Hier geht es um Diversität. Diversität bezeichnet in der Biologie die Artenmannigfaltigkeit, die Vielfalt von Arten in einem Lebensraum. In Unternehmen bedeutet Diversität die Vielfalt in der Mitarbeiterstruktur, zum Beispiel hinsichtlich der Merkmale weiß/farbig, männlich/weiblich, jung/alt.

Viele Unternehmen machen sich stark für das Thema Diversität. Die Motivation dafür kann durchaus unterschiedlich sein. In der Regel versprechen sich die Unternehmen davon eine höhere Kreativität.

Hewlett-Packard, zurzeit der größte Computerhersteller der Welt: „Wir bei HP sind der Überzeugung, dass Diversity … die Hauptantriebskraft für Kreativität, Innovation und Erfindungsgeist darstellt. Diversity ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Sie ist für uns nicht nur ein Muss in Bezug auf eine attraktive Arbeitsumgebung, sondern sie hilft uns auch, am Markt erfolgreich zu sein.“

Delphi, ein führender Zulieferer für die Automobilindustrie: „Unser Unternehmen wird durch die Verkörperung unterschiedlicher Erfahrungen, Hintergründe, ethnischer Gruppen, Lebensstile, kultureller Anschauungen und Glaubensrichtungen bereichert. Diese Ansicht wird vom Vorstand und den höchsten Führungsetagen bis zur gesamten Mitarbeiterbasis geteilt.“

Für Siemens ist noch ein anderer Aspekt ausschlaggebend. Peter Löscher: „Es ist absolut entscheidend. Es ist das Wichtigste. Bildet man seinen globalen Kundenstamm nicht ab, kann man sein volles Potenzial nicht ausnutzen. Bekommt man das hin, hat man einen gewaltigen Vorteil.“

Es geht also darum, den globalen Kundenstamm abzubilden. Die Kunden sollen sich eher mit Siemens identifizieren können. Das klingt für mich ein wenig paradox: Denn dieses Argument besagt, dass letztlich die kulturelle Ähnlichkeit gewünscht ist. Allerdings nicht im Unternehmen, sondern in einer Region.

Jedenfalls: Ein globales Unternehmen braucht eine globalere Unternehmenskultur, so der Ansatz. Da hat nicht nur Siemens, sondern der größte Teil der deutschen Unternehmen noch einen weiten Weg vor sich.

Für die Interaktion in den globalen Unternehmen der Zukunft bedeutet das mehr Vielfalt hinsichtlich der Kommunikationsstile, aber auch größere Herausforderungen für die Mitarbeiter und Manager. Der einzelne kann immer weniger damit rechnen, dass der andere schon versteht, was gesagt wird, denn man tickt ja ähnlich. In Zukunft wird es einen noch größeren Unterschied machen, wie offen jemand ist für andere Menschen und Kulturen, wie gut jemand auf andere eingehen kann, wie gut jemand Menschen mit völlig anderen Hintergründen überzeugen kann, wie gut jemand eine Gemeinschaft formen kann aus höchst unterschiedlichen Individuen.

Kriminelles Handeln aus der Mitte

Siemens PressebildVor einer Woche hat Siemens Konzernlenker Peter Löscher an alle Mitarbeiter in Deutschland ein E-Mail geschrieben, das den Korruptionsskandal thematisiert. Anlass war die aktuelle Spiegel Titelstory.

Das E-Mail (Auszüge in der Printausgabe und auf der Website der FTD) ist geschickt verfasst; offensichtlich hat Löscher einen guten Ghost Writer zur Hand. Löscher äußert Verständnis für die Mitarbeiter, die aus Anlass solcher Berichterstattung angesprochen werden und stellt klar, dass „die ganz große Mehrheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer aufrichtig und anständig“ gehandelt hat.

Es habe jedoch „über längere Zeit unverantwortliches und wohl auch kriminelles Handeln“ gegeben, und zwar aus der „Mitte des Unternehmens“ heraus.

Wenn ich mir das aus Kommunikations-Sicht anschaue, sind die Haupt-Botschaften Herrn Löschers:

  • die überwiegende Mehrheit war immer anständig
  • es hat krasses Fehlverhalten gegeben
  • wir wollen Aufklärung
  • Compliance ist uns sehr wichtig
  • wir machen nur sauberes Geschäft

Soweit alles in Ordnung. Die Werte, die Löscher anspricht, sind wichtig und richtig: „Transparenz, Klarheit, Wahrheit, Verantwortlichkeit“. Allerdings ist mein Eindruck aus Gesprächen mit Siemens Führungskräften und Mitarbeitern, dass einige Botschaften untergehen oder nicht so verstanden werden. Zunächst ist es ja schon so, dass viele solche E-Mails gar nicht mehr lesen, da sie geradezu mit solchen Botschaften bombardiert werden. Dazu kann ich nur sagen, keine Kommunikation ist auch keine Lösung. Es ist gut, wenn der Vorstand mit allen Mitarbeitern kommuniziert.

Was den Führungskräften einen Stich versetzt, ist die Formulierung „aus der Mitte des Unternehmens“. Was hängen bleibt, ist: Es gab kriminelles Handeln aus der Mitte. Da fühlen sich viele persönlich getroffen, die sich nichts haben zu schulden kommen lassen. Vielen reicht es auch nicht, wenn es heißt „die ganz große Mehrheit“ habe sich untadelig verhalten. Aus Sicht dieser Mitarbeiter hat es Fehlverhalten nur im Promille-Bereich gegeben; nur ganz wenige hatten überhaupt die Möglichkeit, z.B. Schmiergelder zu zahlen. Und das ist, aus Sicht der meisten, eben nicht „die Mitte“, sondern das sind eher „die da oben“.

Wie geht es weiter? Zur Zeit fühlen sich die Mitarbeiter verunsichert, von der Presse geprügelt, vom Thema „Compliance“ genervt. Wenn es schlecht läuft, wird es einfach nur einen Haufen Vorschriften und Kontrollen geben, und irgendwann kommt wieder einmal heraus, dass ein Manager Wasser gepredigt und Wein getrunken hat. Wenn es gut läuft, kommt eine Werte-Diskussion in Gang. Werte werden nicht nur als Leitlinien formuliert, sondern tatsächlich gelebt, von allen. Identifikation braucht Beteiligung, daher empfehle ich, weniger auf Vorschriften zu setzen als vielmehr auf eine lebendige Diskussion.

Foto: Siemens-Pressebild