Mensch ärgere dich!

focusaerger.jpgMal wieder Ärger im Büro?” fragt der aktuelle Focus in der Titelstory. Ärger bewegt uns, häufig mehr als uns lieb ist. Da ist sie wieder, diese unangenehme Emotion, die zu nichts gut ist! Es wird Zeit, darüber aufzuklären, auf dass wir uns und das Phänomen Ärger besser verstehen.

Leider trägt der Focus-Artikel (auf dreizehn Seiten!) keineswegs zu einem besseren Verständnis von Ärger bei. Vielmehr werden Fälle und Fakten zusammenhanglos dargestellt. Allgemeine Unzufriedenheit, Schlammschlachten, Mobbing, innere Kündigung, schlechtes Betriebsklima, cholerischer Chef, Karrierefrust, Zukunftsangst, mangelnde emotionale Bindung an das Unternehmen, Einsamkeit an der Spitze, Burnout, Dauerstress, oder im Gegenteil, große Langeweile: Alles wird ohne weitere Differenzierung unter den Titel „Ärger“ gezwängt.

Der Artikel wirkt wie ein dilettantisches Zusammengeschreibsel von Fundstücken. Ohne eine Klärung, was als Ärger verstanden wird, ohne Zusammenhang, ohne psychologische Mechanismen zu klären, ohne die Unterscheidung von Ursache und Wirkung, ohne Abgrenzung von anderen Emotionen wie zum Beispiel Wut oder Angst, ohne nach der Funktion von Ärger zu fragen. Mein Eindruck: Hier haben Journalisten einen Beitrag vorbereitet, der Ursachen für die schlechte Stimmung in deutschen Unternehmen beleuchten sollte. Da „schlechte Stimmung“ keiner mehr hören kann, und das auch wenig verkaufsfördernd klingt, hat jemand (Markwort?) entschieden: Nehmen wir doch „Ärger“ als Titel, jeder ärgert sich doch mehr oder weniger, vor allem im Job, und kauft dann das neue Heft! Leider ist es bei mir umgekehrt: Ich halte den neuen Focus in Händen und ärgere mich über diesen Artikel!

Ein ganz anderes Bild vom Ärger vermittelt der aktuelle Titelbeitrag des Weiterbildungsmagazins managerSeminare, „Antriebskraft Ärger: Vom Wert der Wut“ von Christoph Burger.

Nanu? Ärger = „größter Motivationskiller“ (Focus) oder Ärger = „Antriebskraft“ (managerSeminare)?

derzornkonig.jpgAutor Christoph Burger („Der Zornkönig: Wie Sie Ihren Ärger positiv nutzen“) nennt Beispiele für die positiven Seiten des Ärgers: „Ärger ist ein Zeichen für Motivation. Wenn sich Mitarbeiter aufregen, zeigt das: Ihre Arbeit ist Ihnen wichtig, sie sind engagiert bei der Sache“. Und das, nebenbei, ist etwas völlig anderes, als wenn Mitarbeiter völlig gleichgültig sind und sich im Zustand der inneren Kündigung befinden. „Ärger ist ein Hinweisgeber, wo und wie Leistung im Unternehmen gesteigert werden kann“. „Ärger steigert die analytische Kompetenz“. „Ärger zeigt an, wo persönliches Entwicklungspotenzial liegt“.

Was ist Ärger überhaupt? „Ärger ist ein emotionaler Hinweis darauf, dass sich der Mensch in einer Situation befindet, die es erfordert, diese Situation zu überwinden“ (Wikipedia).

Damit gibt es also einen konstruktiven und durchaus rationalen Kern in dieser Emotion. Es kommt jedoch darauf an, sich nicht vom Ärger beherrschen zu lassen, sondern die darin steckende Botschaft und Energie positiv zu nutzen, bei sich selbst und bei anderen.

Mensch, ärgere dich!