Helmut Schmidt ist tot. Die Trauergemeinde nahm gestern Abschied mit einem Staatsakt in Hamburg. Neben Merkel und Scholz hielt sein enger Freund Henry Kissinger (US-Außenminister von 1973-1977, Friedensnobelpreisträger) eine bewegende Rede. Er würdigt Schmidt als hoch gebildeten Staatsmann, der pragmatisch handelte und sich gleichzeitig an unbeugsamen Prinzipien orientierte. Besonders aufgefallen ist mir dieser Satz (die vollständige Rede finden Sie hier):
Die wichtigsten Qualitäten eines Staatsmannes sind Vision und Mut: Vision, um der Stagnation entgegenzuwirken; Mut, um das Staatsschiff durch unbekannte Gewässer zu steuern.
Und heute? Meiner Meinung nach haben wir heute einen Mangel an Visionen. Wer von unseren heutigen Politikern liefert uns ein Bild von Deutschland in 10 oder 20 oder gar 30 Jahren? Die heutigen Politiker scheuen Visionen wie der Teufel das Weihwasser. Denn wer sagt, was wird, der stört die Stagnation, der rüttelt auf. Wer an der Macht ist, ist geprägt von der Erfahrung, dass Gerhard Schröder für seine Agenda 2010 vom Wähler abgestraft wurde. Seitdem sind Visionen Tabu, sogar eine weithin akzeptierte Vision wie eine Energieerzeugung, die auf erneuerbaren und nicht auf fossilen Ressourcen oder Atomkraft beruht, wird verschämt „Energiewende“ genannt (also ein Vorgang und keine Vision). Und Optimismus kommt nur sehr unkonkret in Floskeln daher: „Wir schaffen das!“. Der Gestaltungswille richtet sich scheinbar vor allem darauf, Probleme zeitlich nach hinten zu verlagern (gestern Griechenland, heute die Flüchtlingskrise – als hätte jemand den Hebel umgelegt). Mehr Vorausschau, mehr konkreter Optimismus täten uns gut. Lang lebe Helmut Schmidt!