Politik im Web 2.0 – Fehlanzeige

Welche Parteien und Spitzenpolitiker nutzen das Web für sich? Das ist die Fragestellung der Kurzstudie „Politik im Web 2.0“ von newthinking communications GmbH.

Barack Obama führt einen intensiven Wahlkampf im Internet. Natürlich geht es dabei unter anderem auch um Spendengenerierung, und das unterscheidet die Situation in den USA von der Situation in Deutschland, aber der Wahlkampf des Präsidentschaftskandidaten wurde in Deutschland doch sehr aufmerksam verfolgt und es kann niemandem entgangen sein, dass Obama eine Kommunikationsstrategie verfolgt, die stark auf das Internet baut, und dass er damit Erfolg hat. Junge Menschen sind im Internet unterwegs, das ist kein Geheimnis. Da müssten sich hiesige Politiker doch eifrig auf das Thema stürzen, denn nächstes Jahr ist Bundestagswahl.

Weit gefehlt, wie die Studie belegt: Die Präsenz von Politikern im Web 2.0 ist fast nicht existent (schon mal in XING einen Spitzenpolitiker gefunden?), eine Interaktion (Schlüsselmerkmal des Web 2.0) findet nicht statt, von einer internetbezogenen Kommunikationsstrategie kann keine Rede sein.

Spitzenreiterin bei Facebook ist Angela Merkel mit heute 356 Freunden (zum Vergleich: Obama hat 1,1 Millionen). Ihr Profil besteht aus einem (sympathisch wirkenden) Foto, einem aus der Wikipedia kopierten Lebenslauf und 5 Kurzmeldungen – das ist mager. Allerdings macht sie einen gut produzierten Podcast mit wöchentlichen Beiträgen. Kurt Beck ist nicht auf Facebook vertreten (hat keine Freunde?), und die junge Politikergeneration sieht auch nicht besser aus.

Vielleicht geht das aus Sicht der Politiker so: Ich stelle (wenn überhaupt) unattraktive Inhalte ins Netz, und ich biete keine Interaktionsmöglichkeit -> die Menschen sind nicht interessiert -> sage ich doch, Internet und der ganze Web 2.0 Quatsch bringt nichts!

Keine Ahnung, was ein Browser ist, aber PCs zu „neuartigen Empfangsgeräten“ erklären, damit die GEZ abkassieren kann. Da haben wir plötzlich Netz-Fantasie, gell, liebe Politiker?

Beiträge und Stimmen zum Thema:
FTD: Verloren im Web 2.0
Spreeblick: Web 2.0 – Politikfrei?
golem.de: Die Politik scheut das Web 2.0
netzpolitik.org: Kurzstudie: Politik im Web 2.0 – Keine Freunde für Kurt Beck

Merkels Schweigen.

 id=Am Samstag veröffentlichte die Süddeutsche in Ihrem Wochenendteil ein Interview mit Angela Merkel geführt von Anne Will.

Auflagenträchtig beleuchtet Anne Will noch einmal die spektakuläre Elefantenrunde nach der Wahl 2005, in der Gerhard Schröder die Kirche im Dorf gelassen hatte und behauptete:

Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel bei dieser Sachlage einginge, in dem sie sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden.

Anne Will glaubt, dass das Schweigen Angela Merkel hier geholfen habe. Merkel selbst kommentiert die Situation:

Ich war verwundert. Das gehörte dann eher zu den Situationen, wo man sagt: Wollen wir doch mal gucken, was jetzt noch passiert.

Zu dem Thema Schweigen allgemein, meint Angela Merkel:

Ein ausgewogenes Verhältnis von Reden und Schweigen ist etwas Schönes. Es ist ein hohes Maß an Vertrautheit, wenn Menschen miteinander schweigen können. Viele halten das ja gar nicht aus, und es wird dann doch sehr leichtfertig einfach etwas vor sich hin gesprochen.

Das erinnert mich an das, was der Kollege Ulrich Hinsen vom management-radio mir mal erzählte. Miles Davis lies in seinen Stücken absichtlich Töne weg, so dass der Hörer die Sequenz für sich weiterdenken und entwickeln muss. Das Weggelassene regt zum Nachdenken und zur Kreativität an. Das gleiche gelte eben auch für den kommunikativen Bereich. Gerade das „Sich-nicht-äußern“ zu einem Sachverhalt, das Weglassen eines finalen Gedankenganges kann Bände sprechen. Allerdings ist dann weniger kontrollierbar, was der andere jetzt denkt. Das hängt dann viel stärker von ihm als von mir ab.

Wie dem auch sei, einfach mal schweigen zu können ist ein Ausdruck von Stärke. Nicht zu allem Plappern und noch was draufsetzen, sondern einfach mal seine letzten Worte wirken lassen…