Vor kurzem hat mein 2-jähriger Sohn einem anderen Jungen auf dem Spielplatz einen Bagger weggenommen. In manchen Kinderspielplatzsettings gilt das schon als Angriff auf die Menschenwürde. Gut, dass der Vater des Kindes mit seiner Erziehung vorsorgt. Er schrie seinen Sohn an, er müsse sich jetzt durchsetzen und den Bagger zurückholen. Das muss er lernen in Mannheim. Der Junge schaute überfordert aus der Wäsche.
Ach, Erziehung! Erziehung ist wahrscheinlich Glückssache. Und dabei ist so vieles so gut gemeint. Kinder loben zum Beispiel. Das motiviere. Das Dossier der Süddeutschen über Motivation berichtete letzte Woche über die Stanford Professorin Carol Dweck. Ihre These, zu viel des falschen Lobes demotiviert.
Wie das, wo doch in allen Erziehungsbüchern steht, Lob stärkt das Selbstbewusstsein? Carol Dweck untersuchte die These mit folgendem Versuchsaufbau. Alle Kinder hatten eine relativ leichte Aufgabe zu lösen. Eine Gruppe der Kinder erhielt ein Lob, das auf die Intelligenz des Kindes abzielte („Du bist ja unglaublich schlau“). Die andere Gruppe der Kinder erhielt ein Lob das auf den Fleiß, die Anstrengung der Kinder abzielte („Du hast dich schön angestrengt“).
Was machen nun die unterschiedlichen Rückmeldungen mit den Kindern? In einem zweiten Teil des Experiments konnten die Kinder nun wählen, ob sie eine schwierigere Version der Aufgabe („Tolle Möglichkeit zu lernen und neue Fähigkeiten zu entwickeln“) durchführen wollen oder eine ähnlich leichte Aufgabe wie die erste („Du wirst sie bestimmt hervorragend lösen können“). 92 % der Kinder, die wegen ihrer Anstrengung gelobt wurden wählten die schwierigere, herausfordernde Aufgabe. Hingegen 67 % der Kinder, die wegen ihrer Intelligenz gelobt wurden nahmen die leichte Aufgabe.
Warum das? Carol Dweck erklärt dies so:
The child or adult hears: oh, you think I am brilliant and talented. That’s why you admire me – that’s why you value me. I better do not do anything that will disprove this evaluation.
Deshalb gehen diese Kinder, die aufgrund der nicht beeinflussbaren Intelligenz auf Nummer sicher. Ihre Strategie ist es leichte Aufgaben zu wählen, damit sie weiterhin als brillant dastehen können. So beschränken sie allerdings ihre eigenen Möglichkeiten, neue Fähigkeiten durch herausfordernde Aufgaben zu entwickeln.
In einer dritten Runde des Experimentes bekamen alle Kinder eine so schwierige Aufgabe, die sie nicht lösen konnten. Die aufgrund ihrer Anstrengung gelobten Kinder arbeiteten länger daran und – wichtig – hatten mehr Spaß neue Lösungswege zu entwickeln. Die aufgrund ihrer Intelligenz gelobten Kinder waren schneller frustriert und gaben schneller auf.
In der letzten Runde sollten alle Kinder noch einmal die erste Aufgabe lösen. Es zeigte sich, dass die mit Anstrengung gelobten Kinder sich um 30 % verbesserten, während die mit Intelligenz gelobten Kinder sich um 20 % verschlechterten.
Lob ist natürlich wichtig. Ausschlaggebend ist was gelobt wird. Konstruktiv ist es, vom Gelobten beeinflussbare Verhaltensweisen wie Anstrengung und Fleiß zu loben. Auf den Kinderspielplätzen Mannheims sollte es demnach demnächst heißen: „Toll, wie du dich anstrengst, dich durchzusetzen!“