Früher, da war immer klar, wer der Boss ist. Und der Boss hatte das Sagen. Wenn ein Mitarbeiter nachfragte „Warum?“, dann konnte er auch gerne die Antwort erhalten „Weil ich es so will!“. So funktionieren Unternehmen heute nicht mehr, jedenfalls immer weniger. Die Hierarchie als der alles bestimmende Faktor für die Organisation hat ausgedient. Die Hierarchien werden erstens immer flacher und zweitens auch noch durch die Matrixorganisation oder die Projektorganisation aufgeweicht. Das stellt sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter vor neue Herausforderungen. Führungskräfte können sich nicht mehr allein auf ihre Position berufen. Und Mitarbeiter sind nicht mehr nur einem einzigen Vorgesetzten verpflichtet, sondern je nach Aufgabe und Projekt mehreren Stellen.
Die klassische Rolle des Vorgesetzten ist ein Auslaufmodell (allein dieses Wort ist ein Anachronismus: Der Vor-Gesetzte). Die Führungsaufgabe aber bleibt. Und die Führungskraft wird als Mensch mit besonderer Verantwortung im Unternehmen sogar noch wichtiger als früher. Denn das Führen hin zu unternehmerischen Ergebnissen ist essentiell, auch wenn die Hierachie verschwimmt oder verschwindet. Nur funktioniert Führung anders als früher, eher „seitlich“ orientiert oder sogar von unten. Das nennt man dann laterale Führung (lateral: lateinisch für seitlich): „Managen ohne Weisungsbefugnis“ (so der Titel des Artikels in managerSeminare März 2007, Seite 34-40). Das ist eine Situation, in der sich Projektleiter schon lange befinden. Doch im Zuge der neuen Entwicklungen werden auch die Führungskräfte in der sogenannten Linienorganisation immer mehr zu Projektleitern. Auch die „Führungsspanne“ ist nicht mehr stabil, sondern die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, ändern sich.
Und da wird es sehr spannend, finde ich. Es reicht nicht mehr, einfach Anordnungen zu geben. Wenn man sich nicht auf Macht berufen kann, muss man auf geschicktere Weise Einfluss nehmen. Laterale Führung erfordert ganz andere Fertigkeiten. Führungskräfte müssen andere von ihren Ideen und Vorschlägen überzeugen, mit gut platzierten Argumenten. Verständnis wecken, Akzeptanz schaffen. Führungskräfte müssen ein Team zusammen halten und Orientierung geben, zum Beispiel für eine große Aufgabe motivieren. Führungskräfte müssen offen sein für die Ideen und das Know-How anderer. Zwischen Hierarchien und Abteilungen vermitteln. Führungskräfte müssen andere einbinden, auch Menschen mit völlig anderen professionellen Hintergrund, auch Kunden und Lieferanten. Win-Win-Ergebnisse herbeiführen. Das erfordert Empathie und kommunikatorisches Geschick. Und bei alldem müssen Führungskräfte glaubwürdig und integer sein, das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit.
Kurzum, hier sind ganz andere und vielfältigere kommunikative Fertigkeiten gefragt: Überzeugen, Brücken bauen, begeistern. Wer diese Soft Skills situationsgerecht einsetzen kann, dem gehört die Zukunft.