Martin Luther King über wirkungsvolle Visionen

080806-atlanta-mlk-by-gerald-petersen.JPGHeute ist Martin Luther King Day. Der Martin Luther King Day ist seit 1983 per Gesetz in allen Staaten der USA ein nationaler Feiertag für den im Jahre 1968 ermordeten Martin Luther King. King wurde am 15. Januar geboren, doch der Feiertag ist immer am dritten Montag im Januar.

Letztes Jahr habe ich das Grab der Kings (seine Frau Coretta Scott King wurde neben ihm beigesetzt) in Atlanta besucht (siehe Foto). Wenn Sie mal in Atlanta sind, können Sie ja auch einmal vorbeischauen – das Geburtshaus Kings, sein Grab, und das sehr informative King Center liegen ganz nahe beisammen.

King war ein großartiger Führer, der sehr viele Menschen mobilisiert hat und mit diesen Menschen zusammen eine Gesellschaft verändert hat. Für viele Menschen ist King heute noch eine große Inspiration. Anlässlich des heutigen Tages bringe ich ein Zitat von King zum Thema „Vision“. King beschreibt die Macht wirksamer Visionen:

“Effective visions provide context, give purpose, and establish meaning. They inspire people to mobilize, to act, to move in the same direction… Every good leader realizes that effective visions cannot be forced upon the masses. Rather they must be set in motion by means of persuasion and inspiration.”

Viele Manager denken scheinbar “Ich habe eine Vision, also folgen die anderen mir” und sind dann verwundert, wenn das so nicht funktioniert. Es bestehen große Unterschiede zwischen Visionen und wirksamen Visionen (effective visions). „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“ (Helmut Schmidt). Wer jedoch wirksame Visionen vermitteln kann, wer andere inspirieren und mitreissen kann, der wird etwas erreichen in der Welt.

Natürlich ist es nicht genug, eine Vision zu vermitteln, aber ohne Vision zu führen wirft die Frage auf: „Wohin führt das?“. Wirksame Visionen schaffen Orientierung, vermitteln Sinn, und richten eine Gruppe von Menschen auf ein gemeinsames Ziel aus.

mlk-leadership.jpgIn dem Buch “Martin Luther King Jr. on Leadership” (nur in englischer Sprache erhältlich) sind die Punkte zusammengefasst, die nach Meinung des Autors Donald T. Phillips die Führungsqualitäten Kings auszeichnen und von denen Führungskräfte allgemein lernen und sich inspirieren lassen können.

Wenn Sie einen schnellen Einblick in Kings praktisch-rhetorische Vermittlung von Visionen erlangen möchten, empfehle ich diese Blog-Beiträge:

Martin Luther King – I have a dream
I have a dream – als Fallbeispiel

Grossartige Reden des 20. Jahrhunderts

JFK (pd)„Ask not what your country can do for you; ask what you can do for your country“. „I have a dream“. Jeder kennt diese berühmten Zitate. In einer täglichen Serie vom 21. April bis 4. Mai 2007 veröffentlicht Guardian Unlimited berühmte Reden des 20. Jahrhunderts. Guardian Unlimited ist ein britisches Webmedium mit den Inhalten der Zeitungen The Guardian und The Observer. Die Reden:

Winston ChurchillWe shall fight on the beaches, 4. Juni 1940
John F. KennedyAsk not what your country can do for you, 20. Januar 1961
Nelson MandelaAn ideal for which I am prepared to die, 20. April 1964
Harold MacmillanNo going back, 3. Februar 1960
Franklin Delano RooseveltThe only thing we have to fear is fear itself, 4. März 1933
Nikita KhrushchevThe cult of the individual, 25. Februar 1956
Emmeline PankhurstFreedom or death, 3. November 1913
Martin Luther King Jr.I have a dream, 28. August 1963
Charles de GaulleThe flame of French resistance, 18. Juni 1940
Margaret ThatcherThe lady’s not for turning, 10. Oktober 1980
Jawaharlal NehruA tryst with destiny, 14. August 1947
Virginia WoolfA room of one’s own, 20. Oktober 1928
Aneurin BevanWe have to act up to different standards, 5. Dezember 1956
Earl SpencerThe most hunted person of a modern age, 6. September 1997

Alle Reden sind im Wortlaut wiedergegeben und die meisten Reden können angehört werden.

In den Kommentaren wird vor allem die Rede von Martin Luther King Jr. hervorgehoben und (wenn das in dieser „Gesellschaft“ von Glanzlichtern der Rhetorik überhaupt möglich ist) an die erste Stelle gesetzt. Ich habe die „I have a dream“ Rede bereits vor einigen Monaten als Video hier eingestellt und auch einige Faktoren analysiert, die diese Rede so bewegend machen.

Ein Kommentar macht mich auf eine weitere sehr interessante Rede aufmerksam: Wenn auch bereits im 19. Jahrhundert gehalten, wurde eine (gefakte) Version im 20. Jahrhundert für die Umweltbewegung sehr einflussreich. Es ist die Rede von Chief Seattle von 1854 (der Namensgeber der amerikanischen Großstadt). Die Rede ist hier auf Deutsch und hier in vier Versionen auf Englisch wiedergegeben.

I have a dream – als Fallbeispiel

220px-martin_luther_king_-_march_on_washington.jpgIch habe im vorhergehenden Beitrag eine Aufzeichnung der berühmten Rede von Martin Luther King, jr. („I have a dream“) eingestellt. Und ich bin der Meinung, wir können von King und seinen rhetorischen Fähigkeiten eine Menge lernen.

Was also macht diese Rede so kraftvoll? Und wie können wir davon für unsere eigene Kommunikation profitieren?

Howard Gardner, Kognitionspsychologe und Harvard Professor, Psychologen bekannt für seine Theorie der multiplen Intelligenzen, nennt folgende Erfogsfaktoren für eine gute Rede: „the story must be simple, easy to identify with, emotionally resonant, and evocative of positive experiences“. Wenden wir diese Kriterien auf die Rede von M.L. King an, dann stellen wir fest, dass alle Erfolgskriterien da sind. Die Rede ist:

Einfach – für jeden zu verstehen. Jeder kapiert, um was es geht.
Inspirierend – eine große Idee wird vermittelt.
Emotional – die Rede verzichtet auf sachlogische Argumentation, setzt stattdessen auf emotionale Ansprache und Begeisterung.
Positiv – ein positiver Zukunftsentwurf wird anschaulich gemacht.

Nun, wir sind vielleicht Papst, aber wir sind nicht King. Wie kann man das umsetzen? Ich meine, konkret. Wie können wir das umsetzen, wenn es um eine Angelegenheit aus unserer eigenen Lebenswelt geht? Nehmen wir an, du möchtest deinen Partner für ein bestimmtes Urlaubsziel begeistern, das der gar nicht auf dem Zettel hatte. Oder eine Führungskraft möchte einen Mitarbeiter dafür gewinnen, ein Jahr für die Firma nach China zu gehen (und für den Mitarbeiter kommt das eher überraschend). Oder ein Verkäufer möchte einem Kunden etwas verkaufen, was für den Kunden eine große Investition bedeutet.

Wenn wir andere für eine Idee oder ein Vorhaben beigeistern wollen, dann sind folgende Elemente besonders wichtig (ich verknüpfe hier Teile des Programms Positiv Beeinflussen mit der Rede von M.L. King):

1. Wir beziehen uns auf eine Gemeinsamkeit. Und auf dieser Gemeinsamkeit können wir aufbauen. King formt aus den Demonstranten eine Gemeinschaft. Er holt die Menschen in’s Boot und setzt das gegenwärtige Beisammensein in einen zeitlichen Zusammenhang („the greatest demonstration for freedom in the history of our nation“). Er schildert eine gemeinsame historische Erfahrung und die aktuelle Situation („100 years later“, „we can never be satisfied“). Er spricht gemeinsame Werte an („declaration of independence“ – die kennt wirklich jeder Amerikaner).

2. In der Regel wollen wir ja, dass jemand etwas Bestimmtes tut oder ein Verhalten ändert. Wir nennen also unser Ziel. King nennt das Anliegen und den Grund für die Zusammenkunft: Es geht darum, Gerechtigkeit einzufordern („cash this cheque“, „now is the time“).

3. Wir bieten eine Vision. Das machen wir, indem wir eine Situation so beschreiben, als wäre sie schon Realität. Diese Phase leitet King ein mit der berühmten „i have a dream“-Sequenz („i have a dream“, „justice rolls down like water“, „we will be able“, „free at last“).

Durch diese Elemente wird die Rede in ihrer Wirkung: Inspirierend, emotional und positiv.

Nehmen wir an, du fühlst dich inspiriert, diese Ideen selbst anzuwenden. Dann laß die Rationalität und Logik einfach mal beiseite. Stattdessen, habe das große Ganze im Auge. Frage dich, was diese drei Elemente für dein eigenes Anliegen bedeuten. Was ist überhaupt dein Anliegen? Was sind Gemeinsamkeiten, auf die du Bezug nehmen kannst? Wie sieht, möglichst anschaulich, deine Wunsch-Situation aus?

Dieses „Begeistern“ ist natürlich nicht in jeder Situation geeignet, aber doch in vielen Situationen ein sehr effektiver Stil.

Martin Luther King – I have a dream

Martin Luther King, jr. wurde am 15. Januar 1929 in Atlanta geboren. M.L. King kämpfte gewaltfrei gegen Unterdrückung und Rassentrennung.

Seine berühmteste Rede „I have a dream“ hielt er am 28. August 1963 beim Marsch auf Washington, wo mehr als 250.000 Menschen, darunter 60.000 Weiße, friedlich demonstrierten.

I have a dream that one day this nation will rise up and live out the true meaning of its creed: We hold these truths to be self-evident: that all men are created equal.

I have a dream that one day on the red hills of Georgia the sons of former slaves and the sons of former slaveowners will be able to sit down together at a table of brotherhood.

I have a dream that one day even the state of Mississippi, a desert state, sweltering with the heat of injustice and oppression, will be transformed into an oasis of freedom and justice.

I have a dream that my four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin but by the content of their character.

I have a dream today.

King war ein genialer Redner, der die Menschen wirklich bewegt hat. Selbst auf Winzigbildschirm beeindruckt mich diese großartige Rede sehr, und ich bekomme eine Gänsehaut. Auf dem verlinkten Video ist die Rede in voller Länge aufgezeichnet (gute 17 Minuten – es lohnt sich, bitte nimm dir die Zeit dafür).

M.L. King begeisterte die Menschen, er hat sie mitgerissen und mit Energie aufgeladen, einen nicht einfachen Weg zu gehen. Dabei konnte er sich auf keine Position oder gegebene Macht berufen. Er beeinflusst so viele Menschen mit seiner Person und Kraft seiner Worte.

Am 4. April 1968 wurde er ermordet. Sonst hätte er heute vielleicht seinen 78sten Geburtstag gefeiert.