Wer hat es nicht schon einmal gehört oder gelesen? In wie vielen Seminaren und Büchern wird dies verbreitet? Es wird die Behauptung aufgestellt: Der größte Teil der Information wird nonverbal vermittelt, und zwar 93%. Nur 7% wird verbal übermittelt. Das sei durch Studien belegt.
Nun, da werde ich skeptisch. Das würde doch bedeuten, ich sehe mir einen finnischen Film im Original an und, obwohl ich kein Wort Finnisch kann, verstehe ich dennoch 93% des Gesagten. Das scheint mir nicht plausibel.
Woher kommt überhaupt diese Behauptung? Es gibt zur nonverbalen Kommunikation viele Studien, doch die wohl einflussreichste stammt von Albert Mehrabian. Mehrabian führte 1971 einige psychologische Experimente durch, die zu folgendem Ergebnis kamen:
– 55% der Information werden durch das Gesicht vermittelt.
– 38% der Information werden über die Stimme vermittelt.
– 7% der Information werden verbal vermittelt.
Diese Zahlen wurden flugs verallgemeinert und zur Regel erklärt. Die 55-38-7-Regel oder Mehrabian-Regel. Und die besagt, dass man vieles reden kann, davon zählt nur 7% und viel wichtiger ist das Nonverbale, das macht in der Kommunikation 93% aus.
Wie sahen denn diese Experimente aus? Mehrabian ließ die Teilnehmer einige Worte einschätzen nach ihrer emotionalen Wertigkeit: Positiv (z.B. „Danke“), negativ (z.B. „Schrecklich“) oder neutral (z.B. „Wirklich“). Dann wurden diese Worte in einem bestimmten Tonfall vorgelesen, entweder positiv, negativ oder neutral. In einem weiteren Experiment ließ Mehrabian die neutralen Worte einschätzen, während die Teilnehmer ein Bild mit einer positiv gestimmten, negativ gestimmten oder neutral aussehenden Person ansahen. Und daher stammen die Zahlen.
Mehrabians Studien haben gezeigt, von welchen Faktoren unsere Sympathie für andere Menschen, die wir nicht kennen, abhängt. Die Sympathie für eine andere Person (mag ich – mag ich nicht – neutral) wird sehr stark durch nonverbales Verhalten bestimmt, etwa so: Unsere Gesamtsympathie für eine Person in einer zufälligen Situation setzt sich aus 7% verbaler Sympathie, 38% stimmlicher Sympathie und 55% Sympathie für das Gesicht des anderen zusammen.
Es wird deutlich, dass die Ergebnisse als allgemeine Kommunikationsregel überinterpretiert und missverstanden wurden.
Wir reden im Alltag nicht nur so miteinander, dass wir ein einzelnes Wort sagen. Mit normaler Kommunikation hat das also wenig zu tun. Es konnte auch gezeigt werden, dass die Teilnehmer in solchen Experimenten versuchen, den Zweck der Untersuchung zu erraten und sich dementsprechend verhalten. Wenn man diesen Faktor ausschaltet, zeigen sich schon andere Ergebnisse (Trimboli & Walker, 1987).
Und vor allem, die Ergebnisse beziehen sich auf die gefühlsmäßige Einschätzung von Sympathie, und können nicht so ohne weiteres auf die gesamte Kommunikation übertragen werden. Darauf macht auch Mehrabian selbst ausdrücklich aufmerksam.
Mythos: 93% der Kommunikation ist nonverbal.
Status: Zerstört.
Was Mehrabians Studienergebnisse tatsächlich bedeuten: Kongruenz in der Kommunikation.