Die Besetzung von Sebastian Dresel als Popbeauftragter der Stadt Mannheim gibt mir den verlorenen Glauben an die gerechte Besetzung öffentlicher Stellen zurück. Nicht Partei- und Versorgungsfragen waren Ausschlag für Sebastian Dresels Inthronisierung, sondern nachweisbare und gelebte Popkultur in Mannheim. Sebastian Dresel ist – trotz jungen Alters – Jahrzehnte für Mannheims Popkultur da. So hat er die Rhein-Neckar Metropole bereits Anfang der 90er im legendären milk! zum Tanzen gebracht, schreibt für das lokale Magazin meier und der überlokalen spex, ist Radio-DJ und Initiator und Umsetzer unzählig erfolgreicher Clubprojekte. Als DJ – ein local hero und local celebrity – ist er wieder im Einsatz bei der diesjährigen Timewarp.
Stellt sich nun die Frage, wie und mit wem kommuniziert ein Popbeauftragter.
Frage > Überregionale Assoziationen von Mannheim und moderner Musik begrenzen sich noch auf Popakademie und Xavier Naidoo. Was ist hier Deine Vision? Wie soll Mannheim im überregionalen Kontext gesehen werden?
Überregionale Strahlkraft ist aus meiner Sicht eine wünschenswerte Begleiterscheinung erfolgreicher regionaler bzw. lokaler Arbeit. Es sind ja zwei verschiedene Dinge, von bundesweit bekannten Bands oder Künstlern zu sprechen oder von einer bundesweiten Bekanntheit der hiesigen Szene. Erster Fall unterliegt den Gesetzmäßigkeiten des Pop-Geschäftes. Lokale Szene, vielfältiges Angebot, lebendiges Nachtleben, Kneipenszene, Spaß kann ich nicht bspw. in Bielefeld ins CD-Regal exportieren. Der Weg zur „Ausgehstadt“ (worunter ich jetzt einfach mal viele Popkulturelle Ansätze zusammenfasse) führt über die Vororte in die Region ins Umland zu nächstgelegenen Städten. Abgesehen davon muss man darauf achten, in diesen Fragen nicht einzig und allein den Mainstream als Referenzpunkt anzuerkennen. Um es deutlich zu machen: wenn Mannheim unter Miniatur-Eisenbahnsammlern einen besonders guten Ruf genießt, dann ist das eine wenig öffentlichkeitswirksame aber interessante und für sich genommen bundesweit gültige Tatsache. Ein realexistentes Beispiel wäre die Drum & Bass Szene, oder ein bundesweit seit Jahrzehnten bekannter Club der schwulen Community der Stadt. Beides echte Markenzeichen in einer eigenen Umwelt. Popkulturinhalte sind sehr heterogen zusammengesetzt und dementsprechend müssen sie kommuniziert werden zumal man jeweils die richtige Sprache (im Marketing-Kommunikationsdeutsch: die Codes) beherrschen sollte. Das heißt, erst aus vielen lebendigen Mikrokosmen, die in ihren eigenen Umfeldern kommunizieren, ergibt sich das von mir angestrebte glaubwürdige und vielfältige Gesamtbild. Zu steuern ist so etwas nur ausgesprochen bedingt.
Frage > Was machst Du, um diese Vision umzusetzen? Wer sind die direkten Ansprechpartner?
Man muss versuchen, den jeweiligen Ansprüchen möglichst viel Akzeptanz zu verschaffen und die bestmöglichen Vorraussetzungen zu schaffen. Ansprechpartner sind erst einmal alle Akteure. Praktisch geht es darum, vielfältige Partnerschaften mit Szenekennern aller Bereiche zu pflegen. Es ist unbedingt notwendig einen anhaltenden Informationsfluss aufrecht zu erhalten und die Bedürfnisse zu kennen. Das muss dann dazu führen Gemeinsamkeiten herauszudeuten, die man bearbeiten kann, bzw. die man als Anregung bspw. in politische Prozesse einbringen kann. Sperrzeiten, Nutzungen von Leerständen, Vorraussetzungen für temporäre Bespielungen wie etwa Schankgenehmigungen o.ä. wären da ganz konkrete Beispiele. Andererseits geht es eben auch wieder darum, aus den vielen Einzelveranstaltungen ein Gesamtbild zu stricken und dieses auch zu kommunizieren, dass für ein breiteres Publikum interessant wird, auch wenn die einzelnen Bestandteile nicht unbedingt den bisherigen Vorlieben entsprechen. Sprich: wenn die Leute erst mal unterwegs sind, gehen sie womöglich auch mal in die andere Kneipe gegenüber, in der etwas passiert, für das sie niemals losgelaufen wären. Insofern sind die Ansprechpartner auf der anderen Seite all jene, die potentiell einmal Lust darauf haben, auszugehen.
Frage > Welche Kommunikationsmittel setzt Du ein? Sowohl für die externe als auch interne Kommunikation?
Wie ja schon gesagt, ist die szeneinterne Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil. Als „Beauftragter der Stadt Mannheim“ einem Szenemenschen erklären zu wollen, was cool ist, wird natürlichermaßen in die Hose gehen und sich wahrscheinlich ins Gegenteil verdrehen. Den angesprochenen Informationsfluss hält man besten mit einer uralten Technik aufrecht: indem man an irgendwelchen Bars rumsteht und sich anhört, was die Leute da so planen, vorhaben, gut finden. Und was die effektive Vernetzung angeht ist schlicht eine Vorliebe für endlose Gespräche und E-Mails hilfreich. Was mich dazu bringt, dass der zehn-Finger-Kurs auch endlich mal belegt werden sollte. Da lässt sich noch etwas beschleunigen. Die externe Kommunikation umfasst selbstverständlich alle althergebrachten Instrumentarien der Öffentlichkeitsarbeit. Aber ich muss sagen, dass ein paar gezielte Anrufe gepaart mit einer unbedingt zeitgemäßen Gestaltung so manche groß angelegte Werbestrategie schon mal in den Schatten stellen können. So gerne ich mich mit Online-Community-Foren und ähnlichem beschäftige und so sehr das auch in den gleich angesprochenen Bereich mit hineinspielt: ohne word to mouth ist Popkultur nicht denkbar. Dafür geht es viel zu sehr um Imagefragen einerseits und um sehr viel grundlegendere menschliche Bedürfnisse andererseits. Ich kann das beste Konzert des Planeten anbieten. Gegen die Information, dass bspw. der oder die Angebetete irgendwo auftaucht werde ich immer abstinken.
Frage > Welche Schwierigkeiten siehst Du bei Deinen Ansprechpartnern, Sie für Deine Ideen zu gewinnen und welche Unterstützung bekommst Du?
Ansprechpartner zu finden ist einerseits kein Problem. In einer individualisierten Popkulturszene, in der sehr viele Menschen auch und nicht zuletzt um Aufmerksamkeit buhlen, mangelt es nicht an Partnern. Viel spannender sind ja jene Bereiche, die erst einmal nichts mit Popkultur zu schaffen haben und für deren Anliegen sensibilisiert werden müssen. Was die Unterstützung angeht, muss ich sagen noch über keine längerfristigen Erfahrungen zu verfügen, die hier nennenswert wären. Dass das Thema Creative Industries dieser Tage immer mehr Beachtung findet, das heißt, dass immer mehr Menschen auch in den Verwaltungen darauf aufmerksam werden, welche Ökonomischen Potentiale in der Kulturwirtschaft liegen ist aus meiner Sicht natürlich sehr begrüßenswert, weil auch längst überfällig. Und wie wir alle wissen, stoßen ökonomische Argumentations-Ketten oft eher auf offene Ohren, als ideelle. Andererseits gibt es gerade in Deutschland noch eine Menge Arbeit zu leisten, was etwa die Aktzeptanz privatwirtschaftlicher Unterstützung von (Pop)Kultur angeht – insbesondere auf Medienseite, wo Sponsoren immer noch zu häufig aus Misstrauen übergangen werden. Aber auch die Erkenntnis, dass Popkultur (oder, wie ich diesem Fall globaler und ungenauer sagen würde, allein um das Problem zu verdeutlichen: Gegenwartskultur) vielfach einen künstlerischen Anspruch hat, der hinter dem Showbusiness-Aspekt zu verschwinden droht.
Frage > Eine Frage noch zum Schluss, wie spricht man mit Xavier Naidoo?
Ich verstehe die Frage nicht ganz. Sein Englisch ist vorzüglich aber ich bevorzuge bei den angesichts seines Terminkalenders ausgesprochen seltenen Gelegenheiten unsere gemeinsame Sprache. Soweit ich mich entsinne, drehte sich eines unserer letzten Gespräche über die unterschiedlichen persönlichen Beziehungen zu Schweine- oder Rindfleisch in Thailändischem Essen.
Na dann guten Appetit in Poptown Mannheim!