Neulich in einem Seminar erhielt ich auf die Frage „Was ist Empathie?“ die Antwort „Antipathie“. Gut, dass sich jetzt der SPIEGEL in der aktuellen Ausgabe im Titel um diese Frage kümmert, um diese Wissenslücke in der Bevölkerung endlich zu schließen. Sicherlich ein Sommerlochthema, aber wenn man sieht wie der Focus das Sommerloch stopft (Titel: Wie Sex wirklich glücklich macht), dann ist die Geschichte über das Mitgefühl und den Spiegelneuronen die bessere.
Zunächst einmal, dass das geklärt ist, hier die Wikipedia-Definition:
Der Begriff Empathie bezeichnet die Fähigkeit, Gedanken, Emotionen, Absichten und Persönlichkeitsmerkmale eines anderen Menschen oder eines Tieres zu erkennen und zu verstehen.
Das Spannende ist nun, dass diese Fähigkeit trainiert werden kann. Mitverantwortlich für die Empathie sind wohl die sogenannten Spiegelneuronen, erstmalig dokumentiert im Jahre 1992. Spiegelneuronen lösen im Betrachter eines Verhaltens eines anderen Menschen ähnliche Aktivitätsmuster aus, als hätte der Betrachter selbst dieses Verhalten gezeigt. Sähe ich beispielsweise jemanden, der nach etwas greift, entsteht ein ähnliches Aktivitätsmuster „greifen“ bei mir im Kopf, wie bei dem Ausübenden. Emotionaler ausgedrückt, schaue ich James Bond, wie ihm während der Jagd nach Dr. No eine Tarantula über die Hand läuft, dann empfinde ich das mit. Ich erlebe den Ekel und die Angst von Bond und fühle die haarigen Tarantulabeine auf meiner Hand. Dank der Spiegelneuronen.
Durch häufiges Feuern von Neuronen in Verbindung mit anderen Neuronen entsteht eine Bahnung von Synapsen und somit Lernen. Die kanadische Organisation Roots of Empathy führt weltweit Empathietrainings durch. Eines der Lerngebiete sind Schulen. Die Schüler werden beispielsweise mit Säuglingen konfrontiert und sollen deren Gefühle erraten bzw. mitfühlen. Weinen Mitschüler, ist die Erklärung „Heulsuse“ oder „Mamakind“ schnell von den Beobachtern parat. Das Mitgefühl findet dann weit geringer statt. Weint der Säugling, fühlen die Schüler viel bereitwilliger mit. Was hat er wohl? Warum weint er? Die Spiegelneuronen feuern.
Denkt man das weiter – und das machen manche blitzgescheiten Leute wie der im Spiegel interviewte Neuropsychologe Christian Keysers -, dann lässt sich der Begriff „die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt“ innerhalb dieses Wissens und Denkens spiegeln. „Wir schauen uns nur an und verstehen uns sofort. Der eine weiß, was die andere denkt“ so lautet oft das Eigenmarketing von (meist noch frischen) Liebesbeziehungen. Keyers geht davon aus, dass die Empathie ohne großen kognitiven Aufwand abläuft, die Spiegelneuronen also direkt feuern. Das Wissen, was der andere denkt oder empfindet ist „instant“, das wir als ganzheitlich und unmittelbar erleben.
Eine Entsprechung findet sich mal wieder in der Popkultur. Die ersten beiden Zeilen des aktuellen Albums von The National lauten:
Don’t make me read your mind
You should know me better than that
Empathie ist to know, not to read.