Stress – Interview mit Markus Frey

Passbild MFreyMarkus Frey ist einer der bekanntesten Stressexperten Deutschlands, ehemaliger Leistungssportler und Buchautor. Sein lesenswertes Buch „Den Stress im Griff“ haben wir vor einigen Wochen hier besprochen. Er hält Seminare und Vorträge und coacht Menschen, die für sich einfach zu viel Stress erleben. Jetzt hatte ich die Möglichkeit, ihm einige Fragen zu stellen:

Was zeichnet denn einen typischen Kunden von Ihnen  aus?

Der typische Seminarteilnehmer oder Coaching-Kunde ist ungefähr Mitte 40, Familienvater und als Unternehmer oder Führungskraft mit Personalverantwortung tätig. Es sind insbesondere ziel- und leistungsorientierte Menschen, die sich von mir unterstützen lassen.

Können Sie anhand eines tatsächlichen Coaching-Falles kurz schildern, wie Sie einen Ihrer Kunden mit Ihren Methoden  helfen konnten?

Vor einiger Zeit kam ein Mann zu mir, der mit seiner  Gesamtsituation unzufrieden war und in verschiedenen Lebensbereichen unter enormem Stress stand. Seine Arbeit als Geschäftsführer in einem Teilbereich eines großen  Nonprofitunternehmens lief zwar im großen Ganzen gut, aber er hatte den Eindruck, dass seine stärksten Fähigkeiten nicht wirklich gefragt waren. Zu kündigen wagte er allerdings aus verschiedenen Gründen auch nicht, u.a. auch deshalb, weil sich mit seiner Person große Hoffnungen seines Arbeitgebers verbanden und er die Stelle noch nicht allzu lange inne hatte.  Außerdem war seine Frau schon längere Zeit aus psychischen Gründen berufsunfähig, was ebenfalls eine große Belastung war. Dazu kamen Konflikte im privaten Umfeld.

Immer wieder neu und spannend ist es zu sehen, wie sich viele Dinge klären und entspannen, wenn jemand nicht nur Wünsche artikuliert, sondern diese Wünsche in präzise Ziele überführt. Eine meiner Lieblingsmethoden ist dabei die Aufgabe (oder eine Variante davon), dass der Coachee eine Laudatio auf sein 30-, 40- oder gar 50jähriges Berufsjubiläum schreiben soll. Mit dieser Übung klären sich nicht „nur“ viele Wünsche, sondern auch die Werte und Lebensphilosophien. Diese wurden dann im weiteren Verlauf des Coachings präzisiert und auch in konkrete Ziele gefasst. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wieviel Druck aus dem Kessel kommt, wenn ein Coachee genauer wird. So war es auch in diesem Fall.  Wir waren dann genau in der Analyse seiner Situation und auch genau in der Beschreibung seiner Fähigkeiten. Schon allein diese Genauigkeit hat dazu geführt, dass ich gar nicht mehr viel raten musste, er hat sich sozusagen selbst beraten. Für mich ging es dann nur noch darum, ihn in dieser Genauigkeit zu unterstützen, damit er den eingeschlagenen Kurs auch beibehält. Schlussendlich ist er in eine Weiterbildung eingestiegen und noch vor der Schlusssitzung hat er ohne eigenes Zutun ein Angebot seines Unternehmens erhalten, eine Aufgabe mit wesentlich höherem Verantwortungsbereich zu übernehmen. Das war zwar mit einem Umzug von etwa 300 Kilometern und dem Verkauf seines Hauses verbunden, aber durch die vorherigen Klärungen hat ihn diese Entscheidung nicht mehr gestresst.

Übrigens ist es mir immer wichtig, dass das Coaching zu konkreten, schriftlich verfassten Entscheidungen des Coachees, die mit einer umsetzbaren Strategie verbunden sind, führen. Denn gutes Management ist durch konkrete Entscheidungen geprägt, das ist beim Stressmanagement nicht anders. Interessanterweise sind nicht wenige zunächst ein bisschen überrascht, wenn ich dies zu Beginn eines Coachings und auch in meinen Seminaren und Vorträgen betone.

(Da der Coachee einen gewissen Bekanntheitsgrad hat und in der Öffentlichkeit steht, habe ich das Beispiel etwas verfremdet)

Wie und wo können Ihre Methoden bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie helfen?

Ich habe einen multimethodalen Ansatz und lege großen Wert darauf, dass nicht „nur“ ich, sondern auch die Kunden sich selbst als ganze Personen betrachten. Wenn Sie beispielsweise bei Erholung und Ernährung alles richtig machen und sich sogar noch ausreichend bewegen (selten genug kommt es vor!), aber in der Familie dauernd der Haussegen schief hängt, dann nützt Ihnen das in Bezug auf Ihre Belastungsfähigkeit und Energie recht wenig. „Beruflich Profi und privat Amateur“, um mit einem Buchtitel aus den 80er Jahren zu sprechen, funktioniert einfach nicht! Menschen, die auch positive, private Beziehungen pflegen, sind einfach gesünder und widerstandsfähiger. Ich bin zwar kein Eheberater und auch kein Mediator. Trotzdem ist das Thema „Beziehungen“ auch fester Bestandteil in meinem Programm „Selbstbestimmt im Stress“ und damit auch in meinen Seminaren, Coachings und Publikationen.

Was kann jeder unsere Leser jetzt, schnell machen, um weniger Stress zu haben?

Schnelle Methoden sind bei den Entspannungstechniken zu finden, z.B. im Bereich der so genannten Progressiven Muskelentspannung, die ich ja auch in meinem Buch „Den Stress im Griff“ vorstelle.  Grundsätzlich geht es dabei darum, einen Muskel, z.B. den Unterarm, anzuspannen, die Spannung bei mittlerer Intensität etwa 10 Sekunden zu halten und anschließend die Spannung wieder zu lösen. Das hat eine enorm entspannende Wirkung und ist im Gegensatz zu anderen Entspannungsmethoden relativ leicht und schnell erlernbar.
Ansonsten bin ich ein Fan von allem, was uns hilft, neue Selbstgespräche einzuüben. Mit Selbstgespräche meine ich die Bewertung, die wir über jegliche Situation mit der wir konfrontiert sind, vornehmen. Diese Selbstgespräche sind entscheidend, wie viel Stress wir erleben. Wenn wir sie verändern, können wir auch unsere Stresserfahrungen komplett anders, d.h. vor allem gesünder gestalten.

Vielen Dank für Ihre Antworten.

Weitere Informationen zu Markus Frey finden Sie auf seiner Homepage StressFrey.

Coaching mit Bernhard Schulwitz

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Nachdem Bernhard Schulwitz uns kürzlich ein Interview als Fachberater des Jahres gegeben hat, bauen wir gerne erneut auf seine Kompetenz. Und rücken das Thema Coaching in den Fokus. Als Trainer und Berater hat er etwa 30-40 Coaching-Termine pro Jahr. Wie schafft er es im Vier-Augen-Gespräch, Klienten verhaltensbewusster und vor allem leistungsstärker zu machen?
Wie müssen wir uns ein Coaching-Gespräch vorstellen? Wie startet es und wie ist es strukturiert?

Zunächst zu Ihrer Frage nach dem Beginn des Gespräches: Der ist – naturgemäß – immer ein wenig anders, hängt von den Fragestellungen und der persönlichen Situation des Coachees ab. Gemeinsamkeiten gibt es häufig bei dessen „inneren Fragen“: „Kann der Coach mir in meiner persönlichen Entwicklung wirklich helfen? Wie kann dies geschehen? Was muss geschehen, damit wir möglichst schnell bei den entscheidenden Themen und – vor Allem – bei Lösungen sind?“ – es gilt, hierauf möglichst schnell weiterführende Antworten zu geben.
Insofern ist in jedem Fall entscheidend, schnell ein „Band“ zwischen Coachee und Coach zu knüpfen. Dieses ist die Grundlage für alle weiteren Schritte. Je eher der Coachee Vertrauen in die Kompetenz und die Persönlichkeit des Coachs hat, desto schneller sind die Themen auf dem Tisch, die den Coachee wirklich weiter bringen. Übrigens gilt dies für beide Seiten: Auch der Coach muss seinem Gegenüber vertrauen.

Können Sie das ein wenig genauer erläutern?

Nun, meine Interventionen während des Gespräches beinhalten häufig Feedback an mein Gegenüber; etwa zum Auftreten, zur Art, sich auszudrücken; manchmal spreche ich auch die Körpersprache an. Es gilt, die Schwingungen, die von meinem Gegenüber ausgehen, zu erfassen und besprechbar zu machen. Wenn man an sich arbeiten möchte, muss man die Wirkung, die von einem ausgeht, kennen. Sowohl das positive als auch das irritierende, das was verbessert werden sollte.
Bei allem, was mir auffällt, frage ich mich allerdings: „Kann mein Gegenüber etwas damit anfangen? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, diesen Aspekt ins Feld zu führen? Oder ist es vielleicht noch zu früh?“
Es ist wichtig, das Feedback als bewusste Intervention einzusetzen. Zudem stelle ich mir die Fragen: „Wie sieht es mit der Offenheit des Anderen aus? Ist die Reflexionsbereitschaft schon da?“
Die einfache Formel lautet hier: Je selbstbewusster der Coachee, desto schneller kann der Coach vorgehen.

Wann sprechen Sie als Coach von einem erfolgreichen Gespräch?

Erfolgreich bin ich dann, wenn die Bereitschaft und Einsicht für Änderung da ist. Und wenn sich dies im Coachee schließlich manifestiert.

Das klingt kompliziert …

Sobald sich Erkenntnis einstellt, ist schon ein Meilenstein erreicht. Der Coachee probiert sein neues Wissen aus, sieht, welche Wirkung von ihm ausgeht bzw. von ihm ausgehen kann.
Ein Beispiel: Eine von mir gecoachte Führungskraft argumentiert ernsthaft und ausschweifend. Sie merkt nicht, dass sie mich (bzw. im Ernstfall ihre Mitarbeiter) schon längst „abgehängt“ hat. Wenn ich dann interveniere: „Herr XY, was wollten Sie mir gerade mitteilen? In 2 kurzen Sätzen bitte!“, dann kann es passieren, dass wir beide lachen und das Lernfeld klar ist. Mein Ziel ist es, einen „Aha-Effekt“ auszulösen. Dann das richtige Verhalten einzunehmen, ist gar nicht so schwer. Im Gegenteil, es ist sogar relativ einfach. Manchmal bedarf es eben nur eines gezielten „Kicks“.

Welche Methoden oder Instrumente nutzen Sie?

Für den Beginn des Coachings nutze ich einen Fragebogen zur Ausgangssituation und Zielfestlegung. Bei Bedarf gibt es dann verschiedene weitere Tools, etwa den GPoP (einen Persönlichkeitsfragebogen) oder das Set „Leadership Architect“ von LOMINGER. Je nach Lerntyp sind diese Tools unterschiedlich hilfreich.
Das Hauptinstrument des Coachings bin ich selbst. Denn die Wirkung, die mein Coachee mir gegenüber entfaltet, wird er auch in anderen Situationen mit anderen Personen entfalten. Und die werden ihm ein Feedback entweder gar nicht, indirekt oder verspätet geben – mit nicht immer positiven Folgen.
Irritation, Unterbrechungen und natürlich auch Wertschätzung – das sind wesentliche Komponenten im Coaching. Ziel ist es, die Wahrnehmung des Coachees auf sich selbst zu lenken. Dabei helfe ich meinem Gegenüber.
Weiterhin nutze ich gerne Techniken wie Humor und eine spezielle Form der Provokation.

Provokation?

Sie haben richtig gehört. Es geht um Aufmerksamkeit, Offenheit und Aha-Erlebnisse. Grundlage hierfür ist Wertschätzung und das uneingeschränkte Vertrauen des Coachees, dass es nur um ihn und um seine persönliche Weiterentwicklung geht. Wenn etwas in akzentuierter Art auf den Punkt gebracht wird, fördert dies die Aufmerksamkeit.
Allerdings ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt für diese Art der Intervention zu finden. Ich kann mich noch gut an eine Situation erinnern, in der ich aufgrund der Reaktion des Coachees bemerkt habe, dass es noch zu früh für diese Art der Konfrontation war. Unsere Beziehung war noch nicht gefestigt genug. Der Coachee war verunsichert; da musste ich die Gretchenfrage stellen: „Machen wir weiter?“ Ich wollte wissen: „Vertrauen Sie mir noch oder nicht mehr? Wenn ja, sind wir mitten im Coaching!“

Und?

Was glauben Sie (lacht)?- Wir arbeiten immer noch zusammen. Die gemeinsam erlebte Situation und die Reaktion meines Gegenübers konnte direkt ausgewertet werden. Sie diente seiner weiteren Professionalisierung. Ja, in der Tat – wenn wichtige Erkenntnisse sich einstellen und davon Stärkung und Erfolg ausgeht, bin ich mit dem Ergebnis meiner Arbeit sehr zufrieden (lacht erneut)!