Erfolg rechtfertigt gar nichts

hans-kungBrauchen wir ein globales Ethos? Ganz sicher, meint Hans Küng im Interview („Erfolg rechtfertigt gar nichts„, ZEIT Nr. 1 vom 30.12.2009). Küng fordert (nicht erst seit der Krise) ein „globales Wirtschaftsethos„, also weltumspannende, gemeinsame Grundregeln, an die sich die Wirtschaftsakteure (auch die Konsumenten) künftig halten sollen. Ich hoffe, diese Zitate machen Appetit, das ganze Interview zu lesen:

All jene, die heute vorgeben, dass niemand mit dieser Krise rechnen konnte, reden Unfug.

Jetzt ist vielerorts ein neuer Typ von Banker, Unternehmer oder Manager am Ruder… Rein erfolgsorientiert. Clever. Trickreich. Und von ethischen Prinzipien nicht sehr bestimmt.

Der Erfolg als solcher rechtfertigt gar nichts. Dann wäre auch der Aufseher eines Konzentrationslagers erfolgreich.

Auf lange Sicht wird unethisches Verhalten immer negative Folgen haben. Erstens kommt unmoralisches Wirtschaften unter Umständen in Konflikt mit den Gesetzen. Irgendwann wird man halt erwischt – die Korruption bei Siemens war dafür das beste Beispiel. Zweitens benötigt ein Geschäftsmann Vertrauen und Verlässlichkeit, um effizient wirtschaften zu können. Kurzfristig kann er versuchen, seinen Partner über den Tisch zu ziehen, auf Dauer wird ihm das schaden. Und drittens benötigt ein Unternehmen Glaubwürdigkeit.

Entscheidend ist, ob ethische Kriterien schon bei der Personalauswahl zur Geltung kommen.

… man muss anerkennen, dass es Prozesse gibt, die uns Menschen vorangebracht haben. Es ist gewaltig viel geschehen. Das gibt mir das Recht, zu sagen: Auch in Sachen Weltethos und Ethos für die Wirtschaft ist vieles möglich.

Das unter der Regie des Wirtschaftsethikers Josef Wieland erarbeitete Manifest „globales Wirtschaftsethos“ wurde im Oktober 2009 bei den Vereinten Nationen vorgestellt. Das Ziel ist es, ein verbindedes Wertegebäude für die globale Wirtschaft aufzustellen. Wirtschaftliches Handeln soll sich an Grundwerten orientieren:

  • Humanitätsprinzip
  • Goldene Regel
  • Gewaltlosigkeit und Achtung vor dem Leben
  • Gerechtigkeit und Solidarität
  • Wahrhaftigkeit und Toleranz
  • Gegenseitige Achtung und Partnerschaft

Das Manifest „Globales Wirtschaftsethos“ und weitere Informationen finden Sie auf dem eigens dafür eingerichteten Website www.globaleconomicethic.org

Professionelles Ethos für Manager

Um noch mal auf die Boni zurückzukommen: Klaus Schwab, Gründer und Executive Chairman des Weltwirtschaftsforums, plädiert schon lange für eine Stakeholder-Sichtweise. Das Shareholder-Prinzip orientiert sich ausschliesslich an den Intressen der Aktionäre. Die Stakeholder-Prinzip dagegen orientiert sich an allen, die mit dem Unternehmen verbunden sind, also nicht nur den Eigentümern, sondern z.B. auch an den Mitarbeitern und den Interessen der Gesellschaft (nebenbei: Eine gute Balanced Scorecard berücksichtigt die Stakeholder). Schwab schreibt in der Wochenendausgabe der FTD:

Diese umfassende professionelle Rolle des Managements ist aber in den letzten Jahren durch Bonus- und andere Systeme, die das Management an das kurzfristige Interesse der Shareholder gebunden haben, ausgehöhlt worden. Maximales Gewinnstreben hat die langfristige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit mehr und mehr als Ziel abgelöst.

Klaus Schwab versteht diese Entwicklung als „Pervertierung des professionellen Ethos des Managementberufes“. Er fordert von den Managern (zumindest von denen, die eine solche Haltung nicht erkennen lassen, das sind ja nicht alle) eine Haltung, deren Basis eine professionelle Ethik ist, und nicht nur kurzfristige Gewinnmaximierung. Führungskräfte sollten „in jeder Situation ihr Bestes geben“ – ohne dass es unbedingt einen Bonus dafür geben muss.

Ich bin dabei sehr skeptisch gegenüber umfassender Regulierung durch den Staat. Ich halte es dagegen langfristig für sehr lohnend, Dimensionen ethischen Handelns in die Ausbildungsagenda unserer Eliten aufzunehmen.

Korruption im Business

„In der Korruptionsaffäre bei Siemens ist der frühere Zentralvorstand Thomas Ganswindt verhaftet worden. Er sitzt wegen dringenden Tatverdachts in der Schmiergeldaffäre in der Justizvollzugsanstalt Landsberg in Untersuchungshaft.“ Ex-Siemens-Vorstand inhaftiert, Financial Times Deutschland von heute, 13.12.2006.

Es geht hier nicht um Siemens, wir hatten die VW-Affäre und viele andere davor.

Muss man das Spiel mitspielen, ist das „Ehrgeiz“, „Sportsgeist“, „knallharte Ergebnisorientierung“? Oder ist das „kriminell“?

Ob es kriminell war – das festzustellen, bleibt den Gerichten überlassen. Ich denke aber, dass Ganswindt und Konsorten sich selbst nicht als Kriminelle gesehen haben. Wahrscheinlich sind sie überzeugt, „das Beste“ für das Unternehmen zu tun. Nun, was für ein Desaster! Es geht um mehr als „nur“ hunderte von Millionen Euro. Was für ein Vertrauensverlust, was für ein Imageschaden. „Kontraproduktiv“ ist gar kein Ausdruck.

Zunächst, Ethik ist ein Wirtschaftsfaktor ersten Ranges. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn es einen Mangel an Ethik gibt. Zweitens, diese Individuen schädigen sich selbst nachhaltig. Beides scheint schwer zu verstehen zu sein für manche Vertreter unserer wohlgebildeten Elite.

Führung braucht Werte, sonst ist sie hohl und wenn jemand hinter die Fassade schaut, bricht alles zusammen.