Faustkampf Kommunikation

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Wie lernt man denn, wie man packende Streitgespräche führt? Doch am besten, wenn man streitenden Profis bei der Arbeit zuhört. Und weit spannender als die vorhersehbare Langeweile einer Sendung mit Frau Christansen ist da das hervorragende Podcast Magazin Science Friday.

Die Ausgabe Psychiatric Drugs hat es wirklich in sich. Wie zwei Menschen versuchen ihre Position darzustellen und die andere zu entkräften, wie sie versuchen am Wort zu bleiben und möglichst unirritiert mit lauterer Stimme weiter reden, dass macht Spaß zu zuhören. Das Thema „Psychiatric Drugs“ ist zweitrangig, die Protagonisten kommunikativ erstklassig. Und da heute Rocky Balboa in den deutschen Kinos startet, möchte ich die beiden mal so vorstellen: In der blauen Ecke David Cohen Professor für Social Work aus Miami, Florida, seine These heißt, Psychopharmaka helfen in keiner Weise die eigentlichen Ursachen einer Depression oder Schizophrenie zu bekämpfen. Und in der roten Ecke der Herausforderer dieser These Jeffrey Lieberman, Director des New York State Psychiatric Institute aus New York, er glaubt sehr wohl, dass die Medikamente einen Effekt auf die Ursachen haben.

Auf in den Kampf über 34 Minuten! Was hier richtig interessant ist, ist a) wie entkräften sich die beiden gegenseitig und b) die Steigerung des Konfliktes. Zu Beginn tasten sich die Kontrahenten ab und gehen respektvoll miteinander um. Cohen spricht etwas schneller und atmet hastiger, Lieberman wirkt so als würde er sich in seinem Lobby Chair zurücklehnen, spricht mit einem Tempo und einer souveränen Bestimmtheit.

Cohen beginnt mit seiner These, auf die Lieberman erwidert

„Let me put this in a context…“

…, was so viel heißt wie, „lassen Sie mich mal erklären, was Sie da eben gesagt haben“. Nach Liebermans Ausführungen ist wieder Cohen an der Reihe:

„Dr. Liberman’s answer is very comprehensive, it touches a lot of different factors […] except I would simply take the issue with the evidence base…”

Obwohl er also die Antwort für umfassend hält, richtet Cohen wieder alle Aufmerksamkeit auf seine eigentliche These, dass es nämlich keine Beweise für die Ursachenbekämpfung von Psychopharmaka gibt.

In der Mitte der Diskussion verschärft sich der Konflikt:

Lieberman:

„Anybody who has a serious and informative view would not say they [die Psychopharmaka] are ineffective.”

Was soviel heißt, wie “Herr Cohen, Sie haben keine Ahnung!” Cohen zählt nun seinerseits „large studies“ auf, die sogar teilweise unter Liebermans Aufsicht erstellt wurden. „Large“ bedeutet weniger anfechtbar und natürlich ist es immer gut, den Kontrahenten für seine eigenen Belange zu zitieren. Und was macht Lieberman, der Fuchs, er redet Cohen ins Wort:

„ I think you are confusing studies.“

Mehr nicht, aber die Aussage bleibt dem Hörer die gesamte Zeit von Cohens Ausführungen haften und diese Aussage wiederholt Lieberman zu Beginn seines Redeanteils wieder:

„I think you get a little confused here…“

…, so dass der einmal geweckte Eindruck noch einmal verstärkt wird. Ein guter Haken.

Das Ende ist furios. Nun geht es an die Glaubwürdigkeit der Gesprächspartner. Cohen liegt in den Seilen und Lieberman haut auf ihn ein:

„It is hard to rebut, because his argument has no scientific background, it is only an opinion.”

Es ist bemerkenswert, in was für einer Betonung die beiden nun über einander in der dritten Person reden. Der Höhepunkt unter vielen, die ich hier nicht alle aufzählen will, ist, wenn Lieberman sich dann doch herablässt und sich direkt an Cohen wendet:

„Dr Cohen, are you a psychologist or a social worker.“

Darauf hin antwortet Cohen mit scharfer Betonung:

„I am a clinical social worker.“

Und Liebermans Antwort kommt prompt:

„So you have no scientific or medical background”.

Und trotz Widerworte spricht Lieberman unbeirrt weiter, der Hörer ist weiter unter dem Eindruck, dass Cohen keine Kompetenz in diesem Bereich hat. Später wird Lieberman noch sagen, dass die Journals, in denen Cohen veröffentlicht eh keinen Einfluss auf die Wissenschaft haben.

Ich empfehle einfach mal, den Streit und die Wortgefechte aus kommunikativer Sicht anzuhören. Übrigens hat wohl Lieberman nach Punkten gewonnen. Oder was meinen Sie?

My Skills im Telefon-Interview

100px-podcasthoerererkennungszeichen.jpgU.E.H.: „Herr Petersen, ich danke Ihnen für dieses Interview.“

G.P.: „Gerne! Schon zuende??“

U.E.H.: „Ja, das waren 7 Minuten.“

G.P.: „?!“

So schnell sind 7 Minuten um. Ulrich Erik Hinsen, Macher des Management-Radio, führt ein Telefon-Interview mit mir. Das Thema ist unser Blog „My Skills“. Ich habe das Gefühl, ich habe kaum angefangen zu reden, da ist das Interview auch schon zuende.

So schnell ist man auf Sendung. Management-Radio ist ein Podcast mit Audiobeiträgen zum Thema Management: „Management für die Ohren“. Nach einer Sendepause meldet sich das Radio mit gleich drei Interviews zurück. Jetzt gibt es wieder „wöchentlich neue Audio-Beiträge rund um Management, Führung und Ihre persönliche Karriere“.

Opposition live

tvliberal2.JPGGuido Westerwelle startet einen eigenen Video-Podcast: TV Liberal – Opposition live

Die Intro-Musik ist dynamisch und recht dynamisch ist der Bildschnitt. Das ist meiner Meinung nach genau richtig dosiert.

Der erste Beitrag ist eine Art oppositionelle Neujahrsansprache, rhetorisch sehr solide, aber auch kein Glanzstück. Highlights sind, wenn er die große Koalition „sogenannte große Koalition“ nennt (schmunzel), die Ausruh-Bestrebungen „Kamikaze-Strategie“ und die Gesundheitsreform „Gesundheitsmurks“.

Ein sehr ernster Punkt ist, dass Deutschland trotz eines festzustellenden Wirtschaftswachstum zurückfällt. Da hat Guido Westerwelle absolut recht. Das Wirtschaftwachstum in Deutschland ist verglichen mit dem von anderen Nationen, ein Mickey-Mouse-Wachstum. Nur das ist keine gute Nachricht, das hört hier niemand gerne und andere Politiker versuchen, die Tatsachen gar nicht erst offen zu legen. Das ist ein Problem. Auch hier haben wir eine „unconveniant Truth“, und es steht zu befürchten, dass diese Wahrheiten nicht aufrütteln, sondern verdrängt werden.

Immerhin: „Deutschland kann es besser“. Mit den Rezepten der Liberalen, natürlich, laut Westerwelle.

Übrigens, es unterläuft Westerwelle ein kleiner Lapsus mit „ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem“ – was bitte ist ein „niedrigeres Steuersystem“? Merkt eh‘ keiner.

Am Schluß das Angebot, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Unrealistisch, aber die Message ist klar: Wir könnten es besser (wenn man uns ließe).

Mein Fazit: Formal gelungen, inhaltlich mau. Insgesamt höre ich nichts neues. Der Punkt mit dem Wirtschaftswachstum war richtig und wichtig, bietet aber keine positive Vision. Ich wünsche mir, dass Guido Westerwelle uns Dinge hören läßt, die wir nicht schon zur Genüge aus anderen Medien kennen. Und eine positive Vision bietet, wie Deutschland in ein paar Jahren aussehen könnte. Das kann ja noch kommen. Und lächeln könnte er auch mal, der Guido.

Aktualisiert: Die Links verweisen auf die FDP-Seite bei YouTube.