In unseren Seminaren wird beim Aufnehmen der Erwartungen für die kommenden Tage häufig der Wunsch nach dem Lernen von „beeinflussen, ohne dass es der andere merkt“ geäußert, also der Wunsch nach dem Erlernen von Manipulation. Einher geht der machiavellistische Wunsch, auf subtile Art und Weise mehr Macht über den Gesprächspartner zu erhalten und natürlich auch, „ohne dass es der andere merkt“. Dieses Bedürfnis scheint also tatsächlich in der Arbeitswelt vorhanden zu sein und so ist es wenig erstaunlich, dass Bücher wie beispielsweise „Die Kunst der skrupellosen Manipulation“ nicht nur Verleger finden, sondern auch die Charts der Wirtschaftsbücher bevölkern.
In meinen letzten Sommerferien habe ich mir mal so ein Buch zur Brust genommen: „Verbotene Rhetorik“ von Gloria Beck. Es ist eine Art Nachschlagewerk, in dem von Abba bis Zappa von abstrus bis zynisch auf gestelzte Art und Zeise die Methodiken der Manipulation dargestellt werden, egal ob sie als Manipulierender ein Ziel haben oder ob sie Mann bzw. Frau genug sind Ihre Ansprüche und Ziele ganz ohne diese Methodiken zu äußern. Tatsächlich reicht die Liste von Aberglauben-Technik bis Vernichtungstechnik. Die Benutzung des Bindestriches zwischen Gerüchte-, Fixierungs-, oder Lügen einerseits und Technik andererseits, ist im Inhaltsverzeichnis und im ganzen Buch übrigens beliebig. Ich fühle mich bereits manipuliert.
Das Leseerlebnis war eine Achterbahnfahrt zwischen schreiend komisch und tieftraurig und endete meist in langweiligen Plattitüden und fachlicher Ärgerlichkeiten. Oberflächlichste Argumentationsketten auf Bildzeitungs-Niveau werden dargeboten. Kostprobe?
„Menschen ausnutzen bringt Vorteile und Vorteile ist doch was man will. Der Wille zur Macht ist eine Triebfeder, die in jedem ist.“
Da denkt man doch an Alfred Adlers Theorie, dass der Minderwertigkeitskomplex diesen Trieb anfeuert und ein kurzer Blick auf das Bild der Autorin gibt einem irgendwie Recht. Ein verzweifelt tougher Blick aus ihrem runden Mondgesicht heraus, das von mehreren abgebrochenen Blitzdiäten erzählt. Aha, das ist also die Zielgruppe!
Argumentative Inkonsistenz und eine Unsicherheit in der ethischen Ausrichtung, keine Abwehrmechanismen, wie man gegen die bösen Techniken vorgeht, und keine klare Unterscheidung zwischen Manipulation und Beeinflussung.
Insgesamt bekommt man den Eindruck, dass „begeisterte“ Leser und Schreiberin in einer traurigen Welt leben müssen, in der Kollegen „Opfer“ sind, die man „auf Spur bringen will“. Das ist hochneurotisch und dumm. Alle meine erfolgreichen Kollegen und beruflich erfolgreichen Bekannte sind integere Menschen, die wissen, was sie wollen, die Menschen für sich gewinnen können, die begeistern, die Ideen haben, die sie auch klar verargumentieren können.
Wichtig sind doch nun mal die Fähigkeiten zur echten Beeinflussung, wie das Überzeugen, das Durchsetzen, Brücken zu anderen zu bauen oder andere für seine Ideen zu ermutigen. Gleichzeitig ist es wichtig, langfristige Arbeitsbeziehungen auf zu bauen. Menschen, die diese Fähigkeiten in den Berufsalltag einbringen, haben es nicht nötig, sich der „verbotenen Rhetorik“ zu bedienen.
Aber sehen wir das ganze mal humorvoll. Ich werde hier an dieser Stelle die „tollen“ Techniken von Zeit zu Zeit vorstellen (also: Bitte erst hier lesen und möglicherweise Geld sparen) und werde darüber hinaus meine Gedanken dazu mitteilen.
Wie sieht’s aus: Arbeiten Sie gerne mit jemand zusammen, der skrupellos manipuliert?
Das Thema ist wirklich interessant und die Betroffenheit, die da durchklingt irgendwie verständlich. Ich denke mir aber, dass der Wunsch nach Manipulation dem Wunsch nach Ausgleich entspringt.
Beispiele sollen erläutern, wie das gemeint ist:
Wenn ich als Mitarbeiter das Gefühl habe, dass mich mein Chef manipuliert, ist das ein Kontrollverlust, den ich habe oder befürchte . Da ist der Wunsch, das genauso zu können natürlich verständlich.
In die afrikanische Wildnis nehme ich eine Waffe mit, auch wenn ich nicht die Absicht habe ein Tier zu töten. Aber wenn ich von einem stärkeren Tier angegriffen werde, habe ich die Möglichkeit, mich zu wehren.
Der Wunsch, manipulieren zu können, obwohl man nicht die Absicht hat dieses Können einzusetzen, ist sicher weit verbreitet.
Dass Manipulieren skrupellos eingesetzt wird ist genauso verbreitet, wie der Missbrauch von Brotmessern, um andere Menschen zu verletzen. Das heißt, ich bin der Meinung, dass mehrheitlich nur manipuliert wird, wenn man sich als Unterlegener fühlt und keinen anderen Ausweg sieht.
Außerdem ist die Grenze zwischen Manipulieren und Beeinflussen zum Wohl des anderen schwer zu ziehen.
Wenn ich jemand für eine Sache begeistere und damit dafür sorge, dass er daraufhin sein Verhalten ändert ohne dass es ihm so richtig bewusst ist, bin ich der Richter darüber, ob das für die andere Person gut war. Darf ich das? Wer gibt mir das Recht das zu entscheiden? Wenn es sich dabei um Verhalten handelt, zu dem ich animiere, das im momentanen gesellschaftlichen Kontext allgemein als richtig eingestuft ist, ist es dann keine Manipulation?
Guter Punkt, lieber Herbert. Das Wissen um die Manipulation und deren Wirkmechanismen schützt eventuell vor dem Manipuliertwerden. Nur leider zeigt das besprochene Buch weder Abwehrmechanismen auf, noch sind die dargestellten Techniken praxistauglich (selbst wenn man die ethischen Bedenken ausblendet). Da mir scheint, dass das Buch alleinig zum dem Zwecke des Geldverdienens geschrieben wurde, ist eine harte themenorientierte Kritik vollkommen gerechtfertigt.
Die Verachtung wächst, und die Skrupel unserer Widersacher schwinden dahin. Wie eine Dirne sinken wir von Stufe zu Stufe.
Jonathan Swift