Das Problem: Der Chef entscheidet anders. Man kann die Entscheidung nicht nachvollziehen, spricht mit dem Chef, hält die Entscheidung nach wie vor für falsch, kann sich aber nicht durchsetzen.
Die Lösung: Die Entscheidung des Chefs so bei seinen eigenen Mitarbeitern vertreten, als sei es die eigene. Voll hinter der Entscheidung stehen, auch wenn man sie für falsch hält. Das behauptet kein geringerer als Jack Welch in der Wirtschaftswoche („Den eigenen Chef ertragen“ von Jack Welch / Suzy Welch, Wirtschaftswoche Heft 10 2007, S. 114). Du sollst deinen Chef ertragen!
Die Begründung: Der Chef hat die Gesamtsituation im Blick und mehr Informationen als Sie. Also verkaufen Sie die Entscheidung so gut es geht und ertragen den Chef.
Welch hat sich als harter Hund im Management einen Namen gemacht („Neutron Jack“) und hat bei GE sehr erfolgreich gewirkt. Wie auch immer seine Leistungen bewertet werden, ich halte seine „Lösung“ in diesem Fall keineswegs für zufriedenstellend, geschweige denn für den besten Weg.
Aber was kann man tun? Etwa so? „Ich verstehe die Entscheidung nicht, aber wir müssen es so machen, weil der Chef es so will!“ – das ist ganz schwach, da ist man nur der Jammerlappen, der sich nicht durchsetzen kann. Die Welch-Lösung ist zwar ein Dämpfer für die eigene Selbstachtung, aber man könnte sich wenigstens damit trösten, dass die Angepassten irgendwann befördert werden. Jedoch, Menschen mit Rückgrat verbiegen sich nicht so leicht wie eine Weingummi-Schlange.
Meiner Meinung nach kann es ganz anders laufen: Wenn die Begründung tatsächlich die ist, dass der Chef mehr Informationen hat, dann lassen Sie sich diese Informationen geben. Wenn nötig, machen Sie klar, das das für Ihre eigene Überzeugung und für die Qualität in der Umsetzung unabdingbar ist. Begehen Sie bloß nicht den Fehler, die Person anzugreifen oder deren Kompetenz in Frage zu stellen. Wir bewegen uns immer auf der sachlichen Ebene und eine Erweiterung des Blickfelds kann ja tatsächlich Dinge in anderem Licht erscheinen lassen. Falls der Chef die besseren Argumente hat, sollten Sie das anerkennen, und können das auch nach außen so vertreten. Und wenn die Argumente des Chefs eher weniger gut sind, dann kommt das an dieser Stelle heraus und der Chef gerät in’s Schwitzen. Wenn der Chef trotz schwacher Argumente auf seinem Standpunkt beharrt, können Sie anregen, das mit anderen zu diskutieren. Andere können Experten sein, Ihre eigenen Mitarbeiter oder andere Chefs. Ihre Selbstachtung bleibt gewahrt, und die besseren Argumente sollten sich am Ende durchsetzen, das ist auch im Sinne des Unternehmens. Bingo!
„ertragen“ ist mMn eher das falsche Wort. Kompromissbereitschaft, Achtung und Loyalität sollten es vielleicht besser treffen.
Eine Firma ist üblicherweise kein basisdemokratischer Debattierklub, sondern ein Ozeandampfer, bei dem der Kapitän die Richtung vorgibt, und sein Führungsteam dafür zu sorgen hat, dass alle in die gleiche Richtung rudern. Dabei ist es manchmal wichtig, Entscheidungen zeitnah umzusetzen, statt stundenlang darüber zu debattieren …
Wenn ich die Entscheidung meines Chefs für falsch halte, muss ich mit meinem Chef darüber diskutieren, um ihn davon zu überzeugen. Wie gut das geht, hängt von der aktuellen Situation/Entscheidung und dem persönlichen vertrauens- verhältnis mit meinem Chef ab. Aber im Endeffekt muss ich die Entscheidung meines Chefs Respektieren, und versuchen diese so gut es geht umzusetzen. Dazu gehört auch ggf. meine eigenen Zweifel Dritten gegenüber für mich zu behalten. Ich schulde meinem Chef und dem Unternehmen Loyalität. Kompromisslosigkeit ist nicht immer angebracht.
Wenn ich die Entscheidung meines Chefs für untragbar und falsch halte (aus meiner oder der Sicht des Unternehmens), und mit ihm darüber nicht mehr reden kann, habe ich die Pflicht zur „Meuterei“ (ganz offen, aber nicht über langwierige Intrigen), um zum Unternehmenswohl meinen Chef zu entmachten. Wenns nichts klappt werde ich halt geviertelt und über Bord geworfen …
Wenn ich wiederholt mit meinem Chef keinen gemeinsamen Standpunkt finden kann, oder jener etwas von mir verlangt, was ich für völlig untragbar halte, sollte ich vielleicht auch meinen Hut nehmen und gehen, statt mich verbiegen zu lassen oder nach einer Meuterei über Bord geworfen zu werden.
Solche Reaktionen hängen natürlich auch immer von der Situation ab. Wenn der Kapitän gerade akut auf einen Existenzbedrohenden Eisberg zusteuert, sollte die Re-Aktion eine andere sein, als wenn die Rum-Rationen für die Leicht-Matrosen minimal verkleinert werden …
(war jetzt mal etwas überspitzt…)