…und heute – wie angekündigt – der zweite Teil des Interviews mit Paula Bemmann zum Thema Personalauswahl und Potentialaussagen mit dem computergestütztem Expertensystem SCiOPOS. Wer wissen will, welche Faktoren mit SCiOPOS erhoben werden, welche Faktoren mit Kommunikation zu tun haben und wie diese erfasst werden, der klickt einfach hier drauf. So und nun die weiteren Fragen und Antworten:
Frage > Wie wird validiert? Also woher weiß man, dass diese Berufsgruppen diese Faktoren brauchen?
Das Expertensystems SCiOPOS wurde empirisch entwickelt. D.h. im Leistungsteil werden gängige und über Jahrzehnte erprobte psychologische Leistungstests verwendet und im Persönlichkeitsbereich wurden nach einer Expertenbefragung u.a. von Managern, Personalern und Beratern diejenigen Eigenschaften aufgenommen, die für unterschiedliche Branchen wichtig für den Berufserfolg sind. Zur Überprüfung, ob die Voraussagen der Testergebnisse zutreffend sind, werden Validierungsstudien mit den Unternehmen durchgeführt. Das Testergebnis wird nach einem Zeitraum von z.B. einem Jahr mit Vorgesetztenbeurteilungen, Provisionen o.ä. Leistungskriterien verglichen. Je höher die Übereinstimmung (gemessen als Korrelation zwischen dem Testergebnis und einem Leistungskriterium), desto zutreffender, also valider, ist die Vorhersage.
Der Königsweg für ein valides unternehmensspezifisches Anforderungsprofil ist die empirische Justierung, z.B. für die Führungskräfte einer Ebene eines Geschäftsbereiches. Hierzu werden die Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften der erfolgreichsten Stelleninhaber in einer offenen Potenzialanalyse erhoben. Diejenigen intellektuellen Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften, die bei allen Führungskräften ähnlich stark oder schwach ausgeprägt sind, sind diejenigen Faktoren, die für den Berufserfolg in dieser Position eine wesentliche Rolle spielen. Dagegen tragen diejenigen Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften, die über alle Führungskräfte hinweg stark schwanken, d.h. bei dem einen hoch, bei einem anderen sehr niedrig, bei einem dritten durchschnittlich usw. ausgeprägt sind, wenig für die erfolgreiche Arbeit in dieser Position bei und können folglich im Anforderungsprofil vernachlässigt werden. Die Durchschnittswerte der wesentlichen Fähigkeiten und Eigenschaften aller erfolgreichen Stelleninhaber markieren die Mindestwerte für zukünftige Bewerber. Mit diesem Vorgehen lässt sich ein sehr detailliertes und spezifisches Anforderungsprofil für eine Position erarbeiten.
Daneben verfolgen wir natürlich auch wissenschaftliche Veröffentlichungen, deren Ergebnisse in die kontinuierliche Weiterentwicklung des Expertensystems SCiOPOS einfließen.
Frage > Was kann man tun, wenn benötigte Kommunikationsfähigkeiten und entsprechende Persönlichkeitseigenschaften eines Mitarbeiters eine niedrigere Ausprägung haben als im Anforderungsprofil als Soll definiert ist?
In Abhängigkeit von der Stärke der Abweichung und dem Vorhandensein von Eigenschaften oder Fähigkeiten, die sich zur Kompensation anbieten, kann eine Personalentwicklungsmaßnahme wie ein Kommunikationstraining oder ein Coaching sehr sinnvoll sein. Jeder von uns zeichnet sich durch bestimmte Stärken und Begrenzungen, d.h. durch eine individuelle Persönlichkeit, aus, die uns bisher erfolgreich unseren beruflichen und privaten Weg gehen ließen. In Abhängigkeit davon zeigen wir in bestimmten (Arbeits-)Umgebungen bestimmte „typische“ Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen werden stark durch unsere Persönlichkeit mitbestimmt, können aber durch Trainings- und/oder Coachingmaßnahmen ergänzt und weiterentwickelt werden. Dabei definieren unsere Stärken und Begrenzungen unseren Entwicklungsspielraum.
Ein kurzes Beispiel soll dies verdeutlichen. Nehmen wir Einfachheit halber einmal an, zwei Mitarbeiter unterscheiden sich in der Potenzialanalyse lediglich in einer Eigenschaft – in der „Offenheit und Extraversion“. Herr Schulz ist introvertiert und verfügt somit über eine geringere Kontaktfähigkeit als im Anforderungsprofil als Soll definiert. Im normalen Alltag kompensiert er dies mit einer guten Vorbereitung – denn dann fühlt er sich sicher – sowie durch ein gutes Beziehungsmanagement. Herr Thiel glänzt beim Smalltalk und spricht gern vor großem Publikum. Durch seine starke Offenheit und Extraversion knüpft er schnell Beziehungen, die allerdings oft oberflächlich bleiben. Da Kommunikation zeitgleich immer mehrere Facetten beinhaltet, können beide in einem gemeinsamen Training neben der Weiterentwicklung ihrer Stärken auch voneinander lernen. Herr Schulz kann sowohl sein Einfühlungsvermögen steigern, um sein Beziehungsmanagement zu perfektionieren, als auch Strategien zum Smalltalk erlernen, um in der Kommunikation mit anderen schneller „warm zu werden“. Herr Thiel als Extravertierter kann sich im „Zurücknehmen“ und Einfühlen in die Bedürfnisse anderer üben, um sein Publikum künftig noch besser „abholen und mitnehmen“ zu können.
Ein Training oder ein Coaching ist daher am effektivsten, wenn es den Teilnehmern ermöglicht, an ihren Stärken anzuknüpfen und individuelle Begrenzungen so zu kompensieren, dass sie die Entfaltung der eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften nicht behindern. Dadurch können neue Lernerfahrungen optimal in die Persönlichkeit integriert werden und führen zu authentischen neuen Verhaltensweisen.
Frau Bemmann, ich danke für das Gespräch.