Hätten Romeo und Julia überlebt, wenn Sie ein ordentliches Kommunikationsseminar besucht hätten und hätte Faust noch besser bei seinem Deal mit Mephisto abgeschnitten, hätte er Kenntnisse guter Verhandlungstechniken gehabt? Dies wollen wir im heutigen Beitrag nicht beantworten. Wohl aber die Besonderheiten der Kommunikation an dem Ort der Kommunikation seit Jahrhunderten – dem Theater. Wer könnte da besser Auskunft geben als ein Dramaturg: Die Schnittstelle zwischen allen Hauptrollen.
Ich hatte die Gelegenheit, Christian Mayer zu befragen. Christian Mayer war nach seinem Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie in Mainz, an der Schaubühne und dem Deutschen Theater in Berlin, bevor er dann seine erste feste Stelle in Coburg annahm. Heute arbeitet er als Dramaturg am Staatstheater Darmstadt.
Frage > Was sind die Aufgaben eines Dramaturgen? Welche Ziele hat man als Dramaturg?
Die Berufsbezeichnung Dramaturg ist ja ohnehin nicht so eindeutig zu definieren, da die Tätigkeitsfelder von Haus zu Haus sehr unterschiedlich sind. Der Begriff ist übrigens als solcher weltweit einzigartig im deutschsprachigen Raum. Die Dramaturgie eines Stückes beschreibt zunächst die Verlaufsform der Handlung, auch den Aufbau des Spannungsbogens; die Frage danach, „wann werden wie Figuren eingeführt“ gehört ebenso dazu, wie die Informationsvergabe im Hinblick auf den Rezipienten, also auch: Wie wird der Zuschauer geleitet, kann er der Geschichte folgen, wird er bewusst (wie häufig bei einem Krimi der Fall) in die Irre geführt?! Das (und Vieles mehr!) sind aber Gesichtspunkte, die in allen erzählenden Strukturen vorkommen, sei es im Roman, bei dem dann ein Lektor eines Verlages jene Fragen überprüft, oder im Film, bei dem es dann um das Script geht. Sie bilden auch einen Teil des Dramaturgenalltags am Theater und beträfen dann konkret die sogenannte Produktionsbegleitende Dramaturgie.
Grob gesprochen kann man den Beruf eines Dramaturgen am Theater in drei Tätigkeitsfelder aufteilen. Zunächst bin ich an der Bildung des inhaltlichen Profils oder Gesichts des Theaters maßgeblich beteiligt. Ich lese und suche Stücke aus, um sie für die Spielplangestaltung vorzuschlagen. Dabei werden dann in den folgenden Schritten auch Fragen geklärt, wie „Welcher Regisseur soll welches Stück inszenieren“ und „Welche Schauspieler übernehmen darin welche Rollen?“.
Das zweite Tätigkeitsfeld ist die bereits genannte Produktionsbegleitende Dramaturgie: Wenn dann feststeht, dass ein Regisseur dieses Stück inszenieren wird, spreche ich im Vorfeld mit ihm über Besetzung, Lesart des Stücks bzw. Ausrichtung der Inszenierung. Also eine Art von Interpretation, die der Regisseur mit seiner Inszenierung vornimmt und die man dann gemeinsam bespricht. Das kann z.B. sein: Ist Hamlet eher der jugendliche Revoluzzer oder der melancholische Träumer, der am System zugrunde gehen droht? Wenn dann die Proben laufen, habe ich die Funktion eines vorweggenommenen Zuschauers und quasi-objektiven Betrachters von außen. Denn wenn man in der Arbeit steckt, wie der Regisseur dann während der Probenphase, verliert man ja oft den kühlen Abstand. Ich versuche, dem Regisseur zur Seite zu stehen und hinterfrage und erinnere an seine ursprüngliche Intention und versuche zu überprüfen, ob und was davon auch die künftigen Zuschauer mitkriegen werden. Das ist sicherlich eine sehr schwierige und auf Vertrauen aufbauende Tätigkeit, bei der man immer zwischen kritischer Betrachtung und partnerschaftlicher Unterstützung changiert.
Der dritte Punkt wäre: Der Dramaturg als Schnittstelle zwischen Theater und Öffentlichkeit. Man muss die Inhalte ja auch nach außen getragen bekommen, sei es in Form von Publikumsgesprächen im Anschluss an eine Vorstellung, Probenbesuchen von Schulklassen oder Interviews mit Zeitungen. An diesem Bereich lässt sich noch mal ablesen, wie sehr von Haus zu Haus die Schwerpunktsetzung der Tätigkeiten divergieren kann. Denn schließlich befassen sich mit dem Kontakt zur Öffentlichkeit auch die sog. Öffentlichkeitsarbeit, die Pressestelle oder das Marketing sowie z.B. die Theaterpädagogik.
Frage 2 > Was sind da die kommunikativen Herausforderungen?
Ich hab bereits angedeutet, dass der Punkt der Produktionsbegleitenden Dramaturgie sehr viel mit einschätzen, kritisieren, argumentieren zu tun hat. Der rein kommunikative Vorgang ist hier eigentlich eine hochgradige Anforderung sozialer Kompatibilität. Gleichzeitig ist es ein sehr schöner Aspekt meiner Arbeit, denn hierbei stehe ich wirklich mit dem Inhalt und Produkt unserer Arbeit in Kontakt; das ist ja auch ein kreativer Vorgang, in der Gruppe gemeinsam etwas entstehen zu lassen, der, wenn’s gut läuft sehr beflügeln kann. In der Kommunikation mit dem Publikum bekomme ich dann auch ein Feedback zu der Arbeit, die man sich so gedacht hat. Die Kritik zuzulassen, aber auch den Zuschauern im Gespräch etwas mit auf den Weg geben, das ist dann eine andere `kommunikative Herausforderung`.
Frage 3 > Muss man mit Schauspielern anders reden als mit der Verwaltung? Wenn ja, was sind die Besonderheiten?
Natürlich hat jede Berufsgruppe ihren eigenen Pool an Verhaltensregeln, am Umgang miteinander, eigene Sprachcodes etc. Als wissenschaftlicher Laie würde ich doch sagen: Auf dem Bau herrscht ein anderer Ton als in der Bank! Aus meinem Erfahrungsbereich Theater kann ich berichten, dass es z.B. im künstlerischen Bereich üblich ist, sich ungeachtet von Altersunterschieden zu duzen. Das wäre einem Angestellten der Verwaltung gegenüber eine unangebrachte Verhaltensweise. Anderes Beispiel: Es kann nicht „eben mal jemand gebucht werden“, um irgendwo auf einer Einweihung oder städtischen Festivität, etwas vorzutragen oder eine Lesung zu veranstalten. Lesen, Sprechen, der Vortrag vor Publikum ist ja der Inhalt des Schauspielerberufs und wird deshalb auch als professioneller Vorgang gesehen, der Vorbereitung, ein angemessenes Umfeld und Betreuung benötigt. Das sind dann Feinheiten des Umgangs miteinander angebracht, die im Alltag häufig übersehen werden.
Frage 4 > Wie sieht es aus mit externer Kommunikation, beispielsweise mit der Presse?
Nun, ich bin kein Presseexperte und möchte auch im Umgang mit den Kollegen so wenig wie möglich taktieren. Die Anforderung aber ist natürlich schon jeweils deutlich zu machen, warum sich z.B. unsere Uraufführung aus dem UA-Marathon der übrigen Bühnen heraushebt – und dabei den Pressemann im Glauben zu lassen, er habe sich für die Einschätzung der Exklusivität des Stückes oder der Inszenierung selbst entschieden.
Herr Mayer, vielen Dank für das Gespräch.
Einen Blog mit Faust und Romeo & Julia zu beginnen ist mal was anderes. Klingt gut und macht Freude zum weiterlesen. Darum habe ich den Beitrag auch bis zum Schluss gelesen und dachte mir, dass ich mal etwas dazu sage. Die Fragen sind sehr gut ausgewählt und ich denke, dass es auch die richtigen Fragen waren. Die Antworten sind meiner Meinung nach wirklich zufriedenstellend, auch wenn ich nicht immer der gleichen Meinung bin. Schöner Beitrag, sehr informativ. Gefällt mir sehr gut.
Klasse Artikel. Top.
Auch das mit dem Romeo und Julia eingang…
Gruß
Tony
Die Kommunikation in der heutigen Zeit wird immer schlimmer. Niemand möchte mehr wirklich reden. Alles wird nur noch per Mail gemacht und ich finde das schlimm. Mal abgesehen von diesem Artikel hier. Aber wie sieht es bei euch aus? Wie viele von euch unterhalten sich wirklich noch jeden Tag mit einem echten Menschen von Angesicht zu Angesicht? Wie viele schreiben Mails um sich zu unterhalten? Wie viele nutzen einen Chat? Das ist unser Problem. Wir reden nicht mehr miteinander.
Tolle Anregungen und sehr gut aufbereitet. Danke!