Survival Handbuch Führung

Stefan Gatt FührungManagement Bücher bestehen häufig aus den immer gleichen Konzepten: Blake und Mouton, Eisenhower oder Hersey und Blanchard. Ja, und Management Bücher haben die Eigenschaft der extremen Redundanz, so dass sie auf einer DIN A 4 Seite ohne größeren Informationsverlust zusammengefasst werden können. Und wenn es ganz schlecht kommt, haben Management Bücher keine greifbaren und nachvollziehbaren Beispiele und die ewigen Management Konzepte zappeln im luftleeren Raum.
Das „Survival Handbuch Führung“ von Stefan Gatt sticht hier heraus. Zwar stellen sich auch hier auch die üblichen Management Konzepte eines nach dem anderen artig vor, aber Stefan Gatt hat ein unglaubliches Ass im Ärmel. Er dekliniert diese Konzepte anhand von Bergbesteigungen. Stefan Gatt agiert nicht nur als Coach für Führungskräfte, sondern auch als Expeditionsleiter und führt Menschen an die höchsten Gipfel dieser Erde.

So schreibt er nicht (nur) davon, wie wichtig Visionen sind und dass sie motivierend sind. Sondern er lässt uns an seiner Vision teilhaben, als erster Mensch vom Gipfel des Mount Everest ohne Zusatzsauerstoff mit dem Snowboard abzufahren. Bei ihm klingt das so:

Ich auf dem Gipfel.
Strahlendes Blau rundum.
Geschafft.
Ich bin da.
Ich lege eine neue Spur mit meiner Snowboardabfahrt.
Ich schaffe, dadurch etwas, was noch nie jemand vor mir getan hat.

Die Vison wurde Wirklichkeit. Laut Wikipedia, ist er…

…der erste und bislang auch einzige, der vom Gipfel ohne Zusatzsauerstoff mit dem Snowboard abgefahren ist.

Falls Sie, lieber Leser, ein Teilnehmer unseres Positiv Beeinflussen Seminars sind, klingt das doch stark nach Begeistern.

Und für alle Leser gilt, „Survival Handbuch Führung“ ist ein spannendes Management Buch, mit  lebendigen und nachvollziehbaren teils atemberaubenden Beispielen. Viel Spaß dabei.

Authentizität – eine Bestandsaufnahme

Die Diskussion um die Authentizität geht weiter. Dorothee Echter (Beraterin für Führungspersönlichkeiten) meint im Harvard Business manager Blog:

Topmanager müssen nicht authentisch sein

Ähnliches schrieb schon Rainer Niermeyer in seinem Buch „Mythos Authentizität“. Wir können nicht und wir sollten nicht in jeder Situation authentisch sein im Sinne von ungefiltert und ausschließlich ichbezogen. Sondern wir übernehmen Rollen, die auch situativ und sozial sind.

Wolfgang Griepentrog schreibt, man dürfe nicht „authentisch“ mit „unbeherrscht“ gleichsetzen. Führungskräfte sollten sehr wohl authentisch sein (Müssen Top-Manager authentisch sein?).

Für Roland Kopp-Wichmann (Müssen Führungskräfte authentisch sein?) ist die einzige Alternative zur Authentizität die Selbstentfremdung. Einerseits weist er die „selektive Authentizität“ (Dorothee Echter) zurück, andererseit plädiert er dafür, „Gefühle in sich (zu) regulieren und angemessen kommunizieren”. Ich plädiere ebenfalls dafür, Gefühle in sich zu regulieren und angemessen zu kommunizieren, doch ich frage mich: Was genau ist der Unterschied zur selektiven Authentizität?

Es wurde auch bereits vorgeschlagen, weniger authentisch zu sein, dafür aber kongruent (Mal echt jetzt: Kongruenz als Alternative zur Authentizität).

Authentizität bedeutet, sich selbst und den eigenen Prinzipien treu zu sein. Soweit werden wohl so ziemlich alle zustimmen. Keiner der genannten Diskutanten hat sich jemals gegen Authentizität an sich ausgesprochen. Allerdings ist entweder der Begriff der Authentizität unklar und/oder es werden unter dem Begriff „Authentizität“ unterschiedliche Konzepte verstanden.

Was bedeutet überhaupt Authentizität? Wann fühlen wir uns authentisch? Die Sozialpsychologen Michael Kernis und Brian Goldman unterscheiden vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit man sich selbst als authentisch erlebt (Wikidedia):

  • Bewusstsein – Ein authentischer Mensch kennt seine Stärken und Schwächen ebenso wie seine Gefühle und Motive für bestimmte Verhaltensweisen. Erst durch diese Selbstreflektion ist er in der Lage, sein Handeln bewusst zu erleben und zu beeinflussen.
  • Ehrlichkeit – Hierzu gehört, der realen Umgebung ins Auge zu blicken und auch unangenehme Rückmeldungen zu akzeptieren.
  • Konsequenz – Ein authentischer Mensch handelt nach seinen Werten. Das gilt für die gesetzten Prioritäten und auch für den Fall, dass er sich dadurch Nachteile einhandelt. Kaum etwas wirkt verlogener und unechter als ein Opportunist.
  • Aufrichtigkeit – Authentizität beinhaltet die Bereitschaft, seine negativen Seiten nicht zu verleugnen.

Die Frage ist, ob sich die Diskutanten auf diese Kriterien einigen könnten. Oben verlinkte Beiträge und Kommentare legen nahe, dass diese Einigkeit nicht besteht, und ein jeder Authentizität in seinem Sinne interpretiert. Ich gehe davon aus, dass ein semantisches Problem besteht und das wir mehr Klarheit benötigen, bevor wir inhaltliche Unterschiede kompetent diskutieren können. Diejenigen, die behaupten, Führungskräfte bräuchten nicht (immer) authentisch sein, haben eine Vorstellung von Authentizität, die sich von der Vorstellung ihrer „Gegner“ möglicherweise gar nicht so grundsätzlich unterscheidet. Und ich habe den Eindruck, die Abwehr der Authentizitätsapostel (sorry, aber da alle für Authentizität sind, muss ich diese Gruppe schon etwas deutlicher kennzeichnen) rührt daher,  dass selbst eine kleine Einschränkung einer allumfassenden Authentizitätsforderung bereits als Verrat an dem Wert der Authentizität gesehen wird. Die einen hinterfragen das simple Sei-einfach-nur-authentisch und die anderen sehen die Authentizität generell in Frage gestellt (und zwar zugunsten eines als manipulativ verstandenen berechnenden Verhaltens).

Ich meine, wir sollten uns der Komplexität des Spannungsfeldes Authentizität bewusster werden. Wir können zur Kenntnis nehmen:

  • In einer Diskussion ist keineswegs immer klar, was von den Diskutanten unter Authentizität verstanden wird.
  • Authentizität ist häufig inszeniert. Beispiel: Gregor Gysi demonstriert in Gorleben auf einem Traktor sitzend. Authentisch, könnte man denken (vielleicht einige seiner Anhänger). Und dann erfahren wir, dass, während er auf dem Traktor sitzt, Polizisten seine Dienstlimousine bewachen. Selbst seine Sympathisanten fragen sich jetzt: Ist das authentisch? Aber nicht nur Politiker inszenieren sich als authentisch: Denken Sie mal an das ganze Dating-Gebahren.
  • Das Bemühen um Authentizität wird zur Marketing-Lüge (erfundene Gründungsmythen von Firmen, Ist „Authentizität vortäuschen“ eine besonders perfide Form der Täuschung?).
  • Eine authenthisch jähzornige und übellaunige Angelina Jolie kann ziemlich unausstehlich sein.
  • Authentizität dient so manchen als Rechtfertigung für das eigene unbeherrschte Verhalten („Wieso? – Ich bin eben authentisch! Das musst du gefälligst akzeptieren, oder bist du etwa gegen Authentizität?!“).
  • Häufig wollen die anderen bestimmen, wie man „richtig“ authentisch zu sein habe. Siehe Stellungnahme von Helene Hegemann: „das Problem … besteht in der Tatsache, dass ich nicht der gängigen Vorstellung eines »authentischen Jugendlichen« entspreche“. Oder die Kritik an Katharina Saalfrank: „Im Gegensatz zum Kollegen Peter Zwegat fehlt es ihr an Authentizität“.
  • Der Wettbewerb um Authentizität führt zu einem absurden Selbst-Marketing. Charlotte Roche brüstet sich, ihr Buch „Feuchtgebiete“ sei zu „70 Prozent autobiografisch“. Hannelore Kraft im Wahlkampf zur Landtagswahl in NRW: „Mein Trumpf ist es, dass ich authentisch bin“.

Der Kult um die Authentizität wird heute besonders intensiv betrieben und führt zu diversen Facetten der Nicht-Authentizität. Authentizität ist oft nur behauptet. Ich halte es da lieber mit Margaret Thatcher: „Being powerful is like being a lady. If you have to tell people you are, you aren’t”. Wenn du anderen auf die Nase binden musst, dass du authentisch bist – dann bist du es nicht. Authentizität ist oft inszeniert. Gelingt die Inszenierung, entsteht der Eindruck von Authentizität.

Authentizität ist auch nicht per se nur immer gut. Wir können uns zum Beispiel einen Mafiosi vorstellen, der rohe Gewalt ausübt und sich dabei völlig im Einklang mit sich und seinen Werten – also authentisch – fühlt. Ebenso können wir uns einen Manager vorstellen, der betrügt, und das tut im Einklang mit seinem Selbstbild als smarter Trickser. Etwas weniger dramatisch aber dennoch nervend ist der Fall des ungehobelten Menschen, der andere mit seiner Art fortwährend vor den Kopf stösst und dabei behauptet „ich bin nur ehrlich“. Oder ein Service-Mitarbeiter, der mehr schlechte Laune verbreitet als guten Service zu liefern und sagt „so fühle ich mich nun einmal“. Oder eine cholerische Führungskraft, die versichert, einen „authentischen Führungsstil“ zu pflegen. Es kommt demnach nicht darauf an, einfach authentisch „zu sein“, sondern auf das Was und Wie.

Selbst diejenigen, die glauben, sich in jeder Situation völlig authentisch zu verhalten, spielen teilweise auch Rollen – ob ihnen das bewusst ist oder nicht. Das ist nichts anderes als soziales Verhalten. Wir können nicht so tun, als würden wir uns in keiner Weise beeinflussen lassen durch andere – diese Beeinflussung findet immer statt. Ein Aspekt der Authentizität ist ja gerade, „der realen Umgebung ins Auge zu blicken“. Und diejenigen, die allzu simple oder allzu umfassende Authentizitätsforderungen in Frage stellen, wollen nicht unauthentisch sein, sondern suchen ein Gleichgewicht zwischen Selbstbezug und situativer Rolle.

Menschen neigen dazu, ihr Selbstbild an den gerade vorherrschenden Idealen zu orientieren. Ein Ideal unserer Zeit (das war nicht immer so) ist Authentizität. Aber mit einem „sei einfach authentisch“ ist es nicht getan. Das ist zu kurz gesprungen, viel zu kurz. Abschliessend fasse ich einige wichtige Punkte zusammen:

  • Authentizität bedeutet, sich selbst treu zu sein (Minimaldefintion)
  • Authentizität erfordert ein hohes Maß an Selbsterkenntnis
  • Authentizität ist nicht per se immer gut, sondern es kommt auf die Werte und die Umstände an
  • Authentizität darf nicht als Rechtfertigung für Unbeherrschtheit gelten
  • Authentizität wird oft behauptet oder inszeniert
  • Wer sich rollengerecht und situationsbewußt verhält, ist deswegen nicht unauthentisch
  • Wenn wir eigene Werte und Verhalten in Einklang bringen – dann können wir uns authentisch fühlen

Ich habe vor, die nächsten beiden Beiträge ebenfalls dem Thema Authentizität zu widmen. Ich werde ganz konkrete Vorschläge machen, wie wir in Zukunft klarer über Authentizität kommunizieren können.

  1. Teil: Authentizität – eine Bestandsaufnahme
  2. Teil: Authentizität – eine Wahrnehmung (hier schaffe ich mehr Klarheit über den Wahrnehmungscharakter der Authentizität)
  3. Teil: Authentizität – Worte, Werte, Entwicklung (hier schaffe ich mit Hilfe des Wertequadrates mehr Klarheit über die im Bezug zur Authentizität stehenden Werte)

Führungstalent mit Nancy Diesterweg

Frau Nancy Diesterweg arbeitet als Personalentwicklern im Bereich Führungskräfteentwicklung Vertrieb bei dem Finanzdienstleister MLP. Im Rahmen eines Weiterbildungsstudiums hat Sie ein neues Talent Management Konzept im Einklang mit der Organisationsstruktur und den Gegebenheiten im Unternehmen MLP entwickelt. Sehr „hands on“ mit hohen praktischen Nutzen. Keines dieser Konzepte, die gut auf dem Papier aussehen, aber ihr Dasein lediglich in der untersten Schublade fristen.

Was Frau Diesterweg genau gemacht hat, das wollte ich von ihr wissen und so traf ich mich zu einem kleinen Gespräch.

Was war die Ausgangslage bevor Ihr Konzept implementiert wurde?

Die Ausgangslage war, dass „Führungstalent“ bei der Auswahl zukünftiger MLP Geschäftsstellenleiter eine untergeordnete Rollte spielte. Primär entscheidend bei der Auswahl von Führungskräften war der vertriebliche Erfolg und die individuelle Einschätzung des zuständigen Bereichsvorstandes, wobei der Bereichsvorstand nicht die Linienführungskraft des Beraters ist.
Das neue Konzept erweitert den Fokus um die Dimension „Führungstalent“.

Wie sind Sie bei der Konzeptentwicklung vorgegangen?

Als methodisches Vorgehen wurde der Funktionszyklus von Prof. Dr.
Manfred Becker verwendet. Bedarfsanalyse, Ziele setzen, Kreatives Gestalten, Durchführung, Erfolgskontrolle und Transfersicherung sind die Phasen systematischer Personalentwicklung im Funktionszyklus. Der Funktionszyklus ist damit ein in den einzelnen Phasen aufeinander abgestimmtes Verfahren zur Planung, Realisierung, Steuerung und Kontrolle konkreter Personalentwicklungsmaßnahmen. Im ersten Teil, der Bedarfsanalyse, wurden die gestellten Anforderungen, die Adressaten und die Ursachen analysiert.
Der zweite Teil war das „Ziele setzen“. In diesem Teil wurde der Bedarf konkretisiert und die Reichweite definiert. Im dritten Teil des Funktionszyklus ging es um das kreative Gestalten. Damit ist vor allem das Planen von Inhalten, Methoden, Zeitressourcen und Personen gemeint. Bei der Durchführung, dem vierten Teil, ging es um die Planungs- und anforderungsgerechte Umsetzung von Maßnahmen. Die Erfolgskontrolle war der fünfte Teil und in ihm wurde dargestellt wie der Erfolg der durchgeführten Maßnahmen geprüft werden kann. Im sechsten Teil, der Transfersicherung, ging es darum die Veränderungen optimal in der Arbeitspraxis umzusetzen. Weil der Funktionszyklus ein immer wiederkehrender Prozess ist, geht der Teil Transfersicherung wieder in die Bedarfsanalyse über. Der Kreislauf wird erneut durchlaufen. Damit wird sichergestellt, dass sich das Talent Managementkonzept auch in Zukunft an veränderte Bedarfe und Ziele des Unternehmens MLP anpasst.

Was ist der realisierte Nutzen Ihres Konzeptes?

Durch die Implementierung des Konzeptes werden unsere Führungstalente wenige Wochen nach ihrer Einstellung im Unternehmen sichtbar. Wir können sie frühzeitig fördern und auf ihre Führungsaufgabe vorbereiten.

Gibt es eine Möglichkeit mehr Informationen zu Ihrem Konzept zu erhalten?
Wenn ja, wo?

Gerne tausche ich mich mit Interessierten über mein Xing-Profil aus. Weil die Arbeit interne Informationen zum Unternehmen MLP beinhaltet, ist sie leider nicht öffentlich zugänglich.

Führungsqualitäten auf dem Prüfstand

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„Haben Sie das Zeug zur Nummer eins?“ fragten manager magazin und XING großspurig-provozierend. Der Test soll verraten, „was Manager heute können müssen“ und wie es mit den eigenen Schlüsselqualifikationen steht. Über 140.000 Personen antworteten und bekamen (auf Wunsch) eine individuelle Auswertung dieses Tests. Die Gesamtergebnisse werden in der aktuellen Oktober-Ausgabe des manager magazin berichtet.

Headhunter von Russell Reynolds Associates haben festgelegt, welche Kompetenzen von den Führungskräften abgefragt werden und wie diese zu einem Profil verdichtet werden. Die Testfragen zielen auf die Kompetenzen:

  • strategisch-konzeptionelle Kompetenz
  • Führungskompetenz
  • Umsetzungskompetenz und Zielorientierung
  • Umgang mit Vielfalt / Diversity
  • Umgang mit Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Komplexität
  • Umgang mit Volatilität

Bemerkenswert erscheint mir, dass der Umgang mit Unsicherheit sich gleich in zwei Dimensionen widerspiegelt („Umgang mit Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Komplexität“ / „Umgang mit Volatilität“). Ich sehe da durchaus einen Trend. Als weiteren Trend mache ich aus, dass der Umgang mit Diversity (Vielfalt der Menschen) einen höheren Stellenwert erlangt. Bisher ist das eher ein Konzept, mit dem Personaler sich beschäftigen – in Zukunft ist es eine wichtige Führungskompetenz von Managern. Ich stelle fest: „Wir haben verstanden“. Die Zeit der eindimensionalen Chefs ist mittlerweile auch aus Sicht der Headhunter und Ihrer Beauftrager abgelaufen. Gefragt sind Führungskräfte, die mehrere Talente haben und sich in unterschiedlichen Situationen bewähren: Persönlichkeiten mit Soft Skills.

Einige Ergebnisse dieser Studie:

  • Führungskräfte erreichen deutlich mehr Punkte als Nichtführungskräfte. Das wird vom manager magazin so interpretiert, dass die Chefs zu Recht Chef sind. Aber meiner Ansicht nach sind einige Fragen nur von Führungskräften sinnvoll zu beantworten, und solche Fragen können schon zu Unterschieden führen.
  • Je höher das Gehalt, desto höher die Punktergebnisse im Test (wobei ab 100.000 EUR die Unterschiede minimal werden).
  • Erfahrene Führungskräfte schneiden besser ab als Jungchefs. Allerdings nicht in den „neuen“ Kompetenzen „Diversity“ und Umgang mit Unsicherheit, da liegen die Altergruppen gleichauf.
  • Führungskräfte aus Branchen, die mit komplexen Rahmenbedingungen zu tun haben, schneiden deutlich besser ab. Vorne liegen z.B. NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen), die Konsumgüter-Branche und die Autoindustrie. Auf den hinteren Plätzen finden sich Handel, Öffentliche Verwaltung, Bau.

Aufgrund meiner eigenen Auswertung kann ich folgenden Hinweise geben: Die Darstellung der Dimensionen ist transparent und scheint Sinn zu machen (die sog. Augenscheinvalidität). Als Gesamtzusammenfassung bekommt man noch ein Label aufgedrückt, etwa ob man ein „Sanierer“, „Visionär“ oder „Stratege“ ist. Dieses Label ist meiner Meinung nach mit Vorsicht zu genießen, denn es trifft in meiner Auswertung nur bedingt zu (nicht weil ich mich anders sehe, sondern weil der Informationsverlust in dieser Komprimierung beträchtlich ist und Widersprüche zu den Einzelfragen auftreten). Es ist der Versuch, einen Typus in einem Wort zu beschreiben, und nicht mehr. Für Ihre eigene Interpretation lege ich Ihnen an Herz, sich vor allem die einzelnen Dimensionen anzusehen (und das Label zu vergessen).

Wer den Cheftest verpasst hat, kann den Test immer noch machen unter www.manager-magazin.de/cheftest

Machtfrage Change

machtfrage-changeTorsten Oltmanns und Daniel Niemeyer wollen in ihrem Buch Machtfrage Change zeigen, „warum Veränderungsprojekte meist auf Führungsebene scheitern und wie Sie es besser machen“.

Ausgangspunkt der Überlegungen der Autoren ist die Feststellung: „Mehr als 80 Prozent aller Change-Management-Projekte scheitern“. Als Beispiele für gescheiterte Change-Projekte dienen Unilever und die Bundeswehr (diese Projekte haben ja auch andere Berater verbockt).

Zu Recht stellen die Autoren die Frage, woran es liegt, dass so viele exzellente Konzepte nicht richtig umgesetzt werden und so viele Veränderungsprojekte scheitern. Studien zum Thema stellen fest, dass Veränderungsprojekte vor allem an diesen Faktoren scheitern:

  • Nicht vorhandene Vision
  • Mangelnde Einbindung der Mitarbeiter
  • Schlechte Kommunikation
  • Unzureichende Mobilisierungswirkung
  • Fehlende Erfolgskontrolle / Monitoring

Das sehen die Autoren ganz anders. Das bisherige Change Management sei „sozialpädagogisch“ vor allem auf die Wirkung in der Breite gerichtet. Es mangele aber nicht an Einbindung der Mitarbeiter, sondern an dem gezielten Einsatz von Macht, um die Veränderung durchzusetzen, und zwar auf der Führungsebene.

Die Autoren meinen, dass der alte Konflikt „oben vs. unten“ (vertikale Konflikte) keine Bedeutung mehr habe, die Mitarbeiter seien kooperativer als früher, auch Betriebsräte machten gerne mit, notfalls drohe man eben mit Jobabbau. Die wahren Konflikte beständen auf oberster Führungsebene (horizontale Konflikte), denn besonders in Zeiten der Veränderung möchten die grundsätzlich egoistischen Manager vor allem ihr eigenes Schäfchen ins Trockene bringen und denken dabei nicht unbedingt an das Wohl des Unternehmens.

Der eigentliche Grund für das Scheitern von Change-Projekten liegt in den Konflikten innerhalb der obersten Führungsebene, so die Kernthese der Autoren. Es gehe im Grunde um Macht, und Macht ist eine Dimension, die von der Betriebswirtschaft konsequent ausgeblendet wird, denn dort spukt ja noch der „homo oeconomicus“. Ich finde es gut, dass die Autoren die Begrenztheit der Betriebswirtschaft für menschliches wirtschaftliches Handeln erkennen. Willkommen in die Welt der Soziologie und Psychologie! Ebenfalls positiv finde ich, dass die Begrenztheit rationaler Begründungen für Change erkannt wird. Und sicher haben die Autoren Recht, wenn sie feststellen, dass die Welt sich seit den 80ern verändert hat. Ein wichtiger Argumentationsbaustein der Autoren: Aufgrund der Globalisierung, der Auflösung der Deutschland AG, und höherer Mobilität der Manager seien Loyalität, Kooperation und langfristiges Denken im Management zurückgegangen. Für Manager sei es unter heutigen Bedingungen rational (da kommt er doch wieder, der homo oeconomicus), die eigenen Ziele zu verwirklichen, auch gegen andere Manager und gegen das Unternehmen.

Nebenbei, ich halte dieses Menschenbild der Autoren für problematisch: Menschen sind egoistische Eigennutzmaximierer, reine Opportunisten. Will man Kooperation oder Veränderung, muss man die Menschen mehr oder weniger dazu zwingen.

Für Change-Prozesse bedeute das: Es geht darum, die Interessengegensätze innerhalb der Führung zu unterdrücken und die Veränderung durchzudrücken. Das geht nur mit Macht, und Macht sei also positiv und funktional, ja unentbehrlich in Veränderungsprozessen. Die Machtausübung geschieht schließlich zum Wohle der Allgemeinheit (Machiavelli läßt grüßen). In diesem Punkt heroisieren sich die Autoren mal gleich als Tabubrecher und Provokateure, denn vor Ihnen sei ja noch niemand auf die Idee gekommen, dass es mit machtvoller Durchsetzung vielleicht einfacher und schneller ginge, Veränderungen umzusetzen. Aber schon vor vielen Jahrzehnten gab es das Führerprinzip, und damals ging es ebenfalls um das Verbindlichmachen einer Weltanschauung und die Implementierung von Change.

Die Lösung scheint einfach: Die alleroberste Führung muss die Veränderung anordnen und durchsetzen, fertig. Sie muss die anderen Führungskrafte dazu zwingen, sich nicht in ihren egoistischen Grabenkämpfen auf Kosten des Unternehmens auszutoben, sondern den Wandel zu unterstützen. Das Motto ist „erzwungene Kooperation“. Gehorsam kann man erzwingen, aber Kooperation? Das scheint mir, wie so einiges in diesem Buch, widersprüchlich.

Wie man Change richtig macht (nach Ansicht der Autoren):

Erste Hauptaufgabe im Change-Prozess: Ein Weltbild definieren und als verbindlich verankern. Denn „die Definition von Wirklichkeiten [bedeutet] für die das Unternehmen ein zentrales Machtinstrument“ (Zitat nicht aus „1984“ von George Orwell, sondern aus „Machtfrage Change“). „Übergeordnetes Ziel der obersten Führungsebene ist demnach, das Weltbild für alle verbindlich zu gestalten und zu implementieren, vertikal und besonders horizontal. Dort lauern die größten Gefahren“. Die Autoren nennen das „Framing“. Leider liefern die Autoren keine Beispiele dafür, so dass dieser Ansatz sehr theoretisch wirkt.

Und so definieren die Autoren Macht:

Die Fähigkeit, das eigene Weltbild und dessen Implikationen als verbindlich in einer Organisation durchzusetzen und gleichzeitig andere Weltbilder ins Abseits zu stellen und damit deren Implikationen zu bekämpfen.

Aber ob man es „Frame“ nennt, oder anders: Bei Veränderungen haben immer einige Entscheider im Unternehmen Angst, etwas zu verlieren und es gibt immer irgendwelche Konflikte. Daher muss eine weitere wichtige Aufgabe hinzukommen.

Zweite Hauptaufgabe im Change-Prozess: Durchsetzung der Veränderung und Brechen jeglichen Widerstandes. Zunächst gilt es, alle Manager danach zu klassifizieren, inwieweit sie den Wandel unterstützen oder dagegen sind. Wie kann man das herausbekommen? Man veranstaltet „symbolische Aktionen“, das sind Meetings, Workshops oder Einzelgespräche. Das Sachthema ist dabei quasi nur  der Titelgeber, in Wirklichkeit geht es darum, die Manager aus der Reserve zu locken und zu prüfen, ob ihr Weltbild kompatibel mit dem Frame ist. Danach geht es zur Gleichschaltung: Mitmachen wird mit Anreizen belohnt und Opposition wird mit Sanktionen bestraft. Konflikte werden nicht ausgetragen, sondern „durch einen raschen und entschlossenen Einsatz von Macht entschieden“.

Die Autoren behaupten, mit ihrem Ansatz von Change wären die Change-Projekte bei Unilever und der Bahn nicht gescheitert. Leider geben Sie nicht ein einziges Beispiel, wo ihr Ansatz tatsächlich so durchgeführt wurde und ursächlich zum Erfolg geführt hat. Daher bleibt trotz trommelnder Machtrhetorik das Ganze seltsam blutleer.

Vielleicht ist das Buch auch als Versuch zu verstehen, den schwarzen Peter zurückzugeben. Entscheider engagieren Berater für Change, Change scheitert, Berater ist schuld. Jetzt geben die Berater den schwarzen Peter zurück: Das Top-Management ist schuld – schwache Führung! Und das ist ja oft auch zutreffend – ich selbst und wohl jeder in Change-Projekten Erfahrene könnte entsprechende Geschichten erzählen. Allerdings, ich habe wohl dennoch ein anderes Verständnis von guter Führung als die Autoren. Und ich kann nicht bestätigen, dass die Machtdimension in Change-Projekten bisher ausgeklammert wird.

Vieles bleibt widersprüchlich und viele Fragen bleiben offen.

  • Warum existiert echte Kooperation im Weltbild der Autoren nicht?
  • Warum haben nur Manager etwas zu verlieren, und andere Mitarbeiter nicht?
  • Wo verläuft die Grenze zwischen Entscheiderkreis und den anderen Managern, die folgen sollen?
  • Ist der Ansatz eines übermächtigen die Kommunikation und die Gedanken kontrollierenden Big Brother in der heutigen Welt der freien Kommunikation überhaupt realistisch?
  • Und wenn er realistisch umzusetzen wäre, ist dieser Ansatz wünschenswert und zielführend?
  • Hat nicht genau das „für alle verbindlich gestaltete Weltbild“ zur Entstehung der Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen?
  • Und warum sollte ausgerechnet derjenige, der sich im Wettkampf unter den Managern bis an die Sitze gekämpft hat, soviel mehr das Allgemeinwohl im Auge haben als die anderen Manager (es sind doch alle egoistische Opportunisten)?

Winston Churchill hat gesagt (und das ist eines meiner Lieblingszitate): „democracy is the worst form of government except all those other forms that have been tried from time to time”. Frei übersetzt: Demokratie ist die schlimmste Regierungsform, aber es gibt keine bessere.

Von Teams und Alphatieren

wm-2010-by-last-hero-ccDas sportliche Großereignis Fussballweltmeisterschaft ist zuende gegangen. Der dritte Platz für das deutsche Team ist ein hervorragendes Ergebnis für diese junge Mannschaft, das ihr im Vorwege nur wenige zugetraut haben. Zwei ganz große Probleme wurden gesehen:

  1. Michael Ballack und Torsten Frings fehlen.
  2. Die relativ jungen und unerfahrenen Spieler können mit den noch weitaus höher bezahlten und erfahreneren Spielerstars aus anderen Mannschaften nicht mithalten.

Zum Punkt 1: Offensichtlich hat die Mannschaft auch ohne die Alphatiere Ballack und Frings sehr gut gespielt und als Team funktioniert. These: Das Team ist wichtiger als das Alphatier.

Zum Punkt 2: Mannschaften mit den höchstbezahlten Spielern sind früher ausgeschieden als die deutsche Mannschaft. Deutschland erzielte ein 4:1 gegen England (ok, meinetwegen ein 4:2), ein 4:0 gegen Argentinien, Italien schied in der Vorrunde aus, ebenso die französische Mannschaft, wobei diese eher durch Konflikte im Team auffiel als durch spielerisches Können. Aus dem Kreis der Favoriten (vor Beginn der Spiele) konnte einzig das spanische Team überzeugen. These: Das Team ist wichtiger als der Starspieler.

Jogi Löw hat sehr geschickt auf die Teamkarte gesetzt. „Der Erfolg seines Teams bei dieser WM beruht neben dem klaren spielerischen und taktischen Konzept auf einer Harmonie im Team, von der Arne Friedrich mit seinen 76 Länderspielen sagt, sie sei ‘so groß wie nie, seit ich dabei bin’” (FTD).

Aber spielt Teamness immer so eine große Rolle? Was ist mit Sportarten, die keine Teamsportarten sind, sondern Individualsportarten? Eine klassische Individualsportart ist der Rennsport. Die Formel 1 züchtet Alphatiere. Unterschiede sind natürlich da, aber ist es wirklich so, dass Teamness dort keine Bedeutung hat? Nein – die Fahrer fahren mit anderen Fahrern im Team und arbeiten eng mit den Technikern und anderen unterstützenden Gewerken zusammen.

Ich behaupte, dass es heute keinen Bereich gibt, in dem ausschließlich Einzelleistungen und Wettbewerb von Bedeutung sind. Auch ein Genie ist nichts ohne Unterstützung von anderen. Nicht nur jede Abteilung und jedes Projekt, auch jeder Vorstand, sogar das ganze Unternehmen muss als Team funktionieren.  These: Kooperation ist wichtiger als Wettbewerb.

Zurück zur Formel 1: Einen Eklat gab es, als in Silverstone das Red Bull Team entschied, den einzigen heilen Frontflügel neuester Art von Mark Webbers Auto abzumontieren und an Sebastian Vettels Auto zu bauen. Und das kurz nach dem Webber und Vettel in Istanbul ineinander gefahren sind – aufgrund einer irritierenden Teamanweisung.

Anders sieht es aus bei McLaren. Hamilton und Alonso hatte vor der Saison auch kaum jemand zugetraut, dass die sich vertragen. Doch nun herrscht Harmonie. Martin Whitmarsh, McLaren Teamchef (motorsport-magazin.com): “Man muss in solchen Fällen sorgfältig über seine Entscheidungen nachdenken. Das sind wettbewerbsorientierte Leute, sonst wären sie nicht da. Wenn sie meinen, etwas sei nicht fair, dann wird es Probleme geben.” These: Für Teamness ist die Führung verantwortlich.

Fragekompetenz für Führungskräfte

fragekompetenz-fur-fuhrungskrafte„Wer fragt, der führt“ – wer fragt, strukturiert und steuert ein Gespräch. Darüber hinaus verhindern Fragen einseitige Monologe und führen zu neuen Informationen. Eine echte Frage erwartet immer eine Antwort, wobei dem Befragten seine Antwort offen gelassen wird. Beide Gesprächspartner, der Frager und der Befragte, können von Fragen im Gespräch sehr profitieren. Es kommt jedoch nicht nur darauf an, den Wert von Fragen an sich zu verstehen, sondern auch kluge Fragen gezielt einzusetzen – das können wir Fragekompetenz nennen.

Führung ist Kommunikation. Die Frage ist nur, wie wird diese Kommunikation gestaltet? Ich kenne das Phänomen, dass Führungskräfte häufig dazu tendieren, praktisch in jeder Situation Argumente und Vorschläge zu produzieren, und eher wenig Fragen stellen. Fragen sind jedoch ein äußerst wichtiges und produktives Kommunikationswerkzeug von Führungskräften. Da kann das Buch Fragekompetenz für Führungskräfte einen wertvollen Beitrag leisten, mit Fragefertigkeiten die eigene Flexibilität in der Kommunikation zu erhöhen und die Verständigung zu verbessern. Andreas Patrzek geht das Thema Fragekompetenz in seinem Buch strukturiert, umfassend und tiefgründig an, und zeigt dabei immer den Bezug zur Praxis auf.

Einige Konzepte und Modelle dienen als Orientierung im Kosmos der Fragekompetenz, z.B. der Fragewürfel. Im Fragewürfel werden einige Grunddimensionen des Fragens aufgezeigt:

Funktion: Z.B. kann eine Frage eher personorientiert oder eher sachorientiert sein. Das Ziel einer Frage kann der Aufbau einer Beziehung, das Gewinnen von Informationen oder das Herbeiführen einer Entscheidung sein.

Form: Wahrscheinlich kennen Sie geschlossene und offene Fragen. Fragen können auch zirkulär, hypothetisch oder skalierend sein, oder eine Kombination solcher Eigenschaften aufweisen. Der Autor veranschaulicht die unterschiedlichen Frageformen im „Fragestift“.

Situation: Z.B. kann eine Frage so gestellt werden, dass eine hierachische Beziehung oder eine gleichgestellte Ebene zum Ausdruck gebracht wird. Der Fragekontext kann beruflich oder privat sein etc.

Diese Dimensionen werden von Andreas Patrzek ausführlich dargestellt und mit Beispielen angereichert. Der Leser kann mithilfe solcher Dimensionen ein Gespräch zielorientierter vorbereiten und die angemessene Frageform und Fragestellung wählen. Der Autor stellt auch in sehr erhellender Weise dar, welche typischen Fehler beim Fragen auftreten.

Für den richtigen Einsatz von Fragen, hier einige Tipps (aus dem Buch):

  • Formulieren Sie Ihre Frage kurz und prägnant.
  • Eine gute Frage kommt mit maximal 15 Worten aus.
  • Also: Stellen Sie Ihre Frage. (10 Worte reichen auch)
  • Dann: Schweigen Sie eine Weile. (Auch wenn es Ihnen schwer fällt…)
  • Dabei: Halten Sie Blickkontakt. (Aber: keinen stechenden Verhör-Blick)
  • Und: Warten Sie auf die Antwort. (Aber: nicht gähnen dabei…)
  • Falls Sie spüren, dass etwas offen ist: Stellen Sie noch eine Frage – oder formulieren Sie Ihr Gefühl mit einer Ich-Botschaft.

Überigens, bei aller Kenntnis von Fragearten und bei aller Fragetechnik: Ohne die Grundtugenden des Fragens werden Sie nie die besten Ergebnisse erzielen:

  • Kontakt zum Gesprächspartner herstellen
  • Wohlwollen (Wertschätzung)
  • Aktiv zuhören

Ich empfehle dieses Buch sehr gerne. Es ist im Rosenberger Fachverlag erschienen, allerdings zurzeit vergriffen und nur als E-Book erhältlich. Die neue Auflage erscheint Mitte 2010.

Mythos Authentizität

Mythos AuthentizitätFührungskräfte müssen authentisch sein! So schreit es uns entgegen, aus Büchern, Fachzeitzschriften, Internetbeiträgen, und in Seminaren. Wenn man fragt, was Authentizität denn bedeutet, so ist die Rede von „Echtheit“. Echtheit widerum wird nicht weiter erläutert, das muss schon reichen, klingt ja auch gut. Sei authentisch und du wirst Erfolg haben! Sei einfach du selbst und alles wird gut! Das ist genau der „Mythos Authentizität“ [Link entfernt], den Rainer Niermeyer entlarvt. Ich kann ihm nur zustimmen.

Wenn wir wirklich immer „authentisch“ wären, in jeder Situation (angeblich) ganz wir selbst, völlig spontan und ungefiltert, eben „echt“, dann lebten wir ständig in einem sozialen Krisengebiet. Und das wäre ziemlich anstrengend. Tatsächlich ist es so, dass wir bestimmte Rollen einnehmen und uns in bestimmten Situationen rollenkonform verhalten. In der Regel verbiegen wir uns dabei nicht, sondern fühlen uns durchaus als „wir selbst“, nur leben wir eben einen bestimmten Teil unserer Gesamtpersönlichkeit, zum Beispiel als Partner, Vater/Mutter, Freund/Freundin oder Führungskraft. „Rollen zu spielen ist also nicht per se gut oder schlecht, sondern schlicht unvermeidbar“ (Niermeyer).

Und es ist geradezu paradox: Gerade denjenigen, der seine Rolle besonders gut spielt, den halten wir für authentisch. Angela Merkel ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie der Mensch hinter einer glaubwürdigen Rollendarstellung zurücktritt. Selbst das wenige, was wir aus ihrem Privatleben erfahren, ist inszeniert. Sie spielt Ihre Rolle souverän – und hat Erfolg. Wenn es nach den Authentizitätsaposteln ginge, wäre Sie garantiert nicht Bundeskanzlerin. Umgekehrt ist es vielmehr so: Wer aus der Rolle fällt (!), den bestraft das Leben. Ein naiver Authentizitismus kann also nicht die Lösung für unsere Orientierungslosigkeit oder die Antwort auf unsere Echtheits-Sehnsüchte sein, er würde nur Egomanen produzieren.

Niemand entkommt diesem Spannungsfeld zwischen Authentizität und Rolle. Wir wollen wir selbst sein – gleichzeitig ermöglichen es uns gerade die Rollen, uns auszuprobieren und neue Wege zu gehen. Wir müssen bestimmte Erwartungen erfüllen, die an uns gestellt werden – aber es ist ungesund, wenn dauerhaft gespielte Rollen nicht durch die dahinterstehende Person gestützt werden.

Wie also können Sie damit umgehen? Ich empfehle Ihnen, sich Ihre Rollen bewußter zu machen und die Rollen aktiv zu gestalten. Es geht darum, die eigenen Werte und das eigene Verhalten in Übereinstimmung zu bringen. Damit gewinnen Sie Klarheit und Souveränität. Das Buch von Rainer Niemeyer kann Ihnen dafür erste Anhaltspunkte liefern. Speziell für Führungskräfte habe ich ein Training entwickelt, dass Führungsrollen aufzeigt, die eigene Rollenkompetenz fördert, und Führungsrollen in eine eigene Kommunikationsstrategie schlüssig integriert: Leader moves! – Führung, die bewegt. [Link entfernt]

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen?

Visionen sind wichtig, denn sie geben Orientierung und motivieren, sich für die Erreichung eines gemeinsamen Ziels zu engagieren. Während das „Visionieren“ für amerikanische Manager hoch im Kurs steht, macht das „Visionieren“ in Deutschland die Menschen eher skeptisch. Ein Trainer-Kollege von mir mutmaßt, dass eine Führungskraft, die sagt „unsere Vision“, doch eher meint „ich habe eine Vision und ihr setzt sie gefälligst um“. Es hilft auch nichts, ständig von „Visionen“ zu reden, im Gegenteil. Wer häufig von „Visionen“ redet, der hat wahrscheinlich keine, denn diejenigen, die echte Visionen haben, die können Menschen mitreissen, ohne ständig von „Visionen“ zu reden. Das sind dann tatsächlich wirkungsvolle Visionen.

hemut_schmidt_1975-by-dieter-demme-ccDie missbräuchliche und inflationäre Verwendung des Wortes „Vision“ kann sehr leicht zu Widerstand und Zynismus führen. Sicher haben Sie auch schon mal das Zitat gehört „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ (Helmut Schmidt). Selbst die strahlendste Vision kann mit solchen Sprüchen diffamiert werden.

Im ZEITmagazin Nr. 10 (4.3.2010) wird Helmut Schmidt auf dieses bekannte Zitat hin angesprochen. Im Interview geht es an dieser Stelle um die Vision einer atomwaffenfreien Welt, für die Heltmut Schmidt eintritt (übrigens auch ein anderer Mann mit echten Visionen: Barack Obama).

Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man meinen, Sie hätten eine Vision. Dabei haben Sie doch mal gesagt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.

Diesen Satz habe ich ein einziges Mal gesagt, er ist aber tausendfach zitiert worden. Einmal hätte genügt.

Wie ist er denn überhaupt in die Welt gekommen?

Das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich habe ich ihn in einem Interview gesagt. Das muss mindestens 35 Jahre her sein, vielleicht 40. Da wurde ich gefragt: Wo ist Ihre große Vision? Und ich habe gesagt: Wer eine Vision hat, der sollte zum Arzt gehen. Es war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage.

Danke, Herr Schmidt, für die Klarstellung!

Erfolg rechtfertigt gar nichts

hans-kungBrauchen wir ein globales Ethos? Ganz sicher, meint Hans Küng im Interview („Erfolg rechtfertigt gar nichts„, ZEIT Nr. 1 vom 30.12.2009). Küng fordert (nicht erst seit der Krise) ein „globales Wirtschaftsethos„, also weltumspannende, gemeinsame Grundregeln, an die sich die Wirtschaftsakteure (auch die Konsumenten) künftig halten sollen. Ich hoffe, diese Zitate machen Appetit, das ganze Interview zu lesen:

All jene, die heute vorgeben, dass niemand mit dieser Krise rechnen konnte, reden Unfug.

Jetzt ist vielerorts ein neuer Typ von Banker, Unternehmer oder Manager am Ruder… Rein erfolgsorientiert. Clever. Trickreich. Und von ethischen Prinzipien nicht sehr bestimmt.

Der Erfolg als solcher rechtfertigt gar nichts. Dann wäre auch der Aufseher eines Konzentrationslagers erfolgreich.

Auf lange Sicht wird unethisches Verhalten immer negative Folgen haben. Erstens kommt unmoralisches Wirtschaften unter Umständen in Konflikt mit den Gesetzen. Irgendwann wird man halt erwischt – die Korruption bei Siemens war dafür das beste Beispiel. Zweitens benötigt ein Geschäftsmann Vertrauen und Verlässlichkeit, um effizient wirtschaften zu können. Kurzfristig kann er versuchen, seinen Partner über den Tisch zu ziehen, auf Dauer wird ihm das schaden. Und drittens benötigt ein Unternehmen Glaubwürdigkeit.

Entscheidend ist, ob ethische Kriterien schon bei der Personalauswahl zur Geltung kommen.

… man muss anerkennen, dass es Prozesse gibt, die uns Menschen vorangebracht haben. Es ist gewaltig viel geschehen. Das gibt mir das Recht, zu sagen: Auch in Sachen Weltethos und Ethos für die Wirtschaft ist vieles möglich.

Das unter der Regie des Wirtschaftsethikers Josef Wieland erarbeitete Manifest „globales Wirtschaftsethos“ wurde im Oktober 2009 bei den Vereinten Nationen vorgestellt. Das Ziel ist es, ein verbindedes Wertegebäude für die globale Wirtschaft aufzustellen. Wirtschaftliches Handeln soll sich an Grundwerten orientieren:

  • Humanitätsprinzip
  • Goldene Regel
  • Gewaltlosigkeit und Achtung vor dem Leben
  • Gerechtigkeit und Solidarität
  • Wahrhaftigkeit und Toleranz
  • Gegenseitige Achtung und Partnerschaft

Das Manifest „Globales Wirtschaftsethos“ und weitere Informationen finden Sie auf dem eigens dafür eingerichteten Website www.globaleconomicethic.org

Storytelling

Gestern war ich im Staatstheater Darmstadt und habe mir Black Rider angeschaut. Zwei Stunden wurde ich mit schönem Irrsinn und bunten bösen rauschhaften Bildern unterhalten, aber eine Geschichte wurde nicht wirklich erzählt. Es gab emotionale Wallungen zu Hauf und der zauberhafte Moment der Idee wurde einer nach dem anderen abgefeuert, aber eine Geschichte leider nicht.

Wenn das Theater noch immer Ort der neuen Gedanken und Ideen ist, was heißt das für die Arbeitswelt? Dort feilen Führungskräfte gerade an Ihrer Fertigkeit Geschichten zu erzählen. Storytelling. Ist das rückständig? Oder sollen wir den amerikanische Managementbücher glauben, die schreiben: Storytelling – the most powerful way to organize your information!

Es gibt viele gute Gründe für das Storytelling in Unternehmen und Organisationen. Geschichten verbinden Informationen und Werte zu einer leicht erinnerbaren und abrufbaren Einheit. Gut erzählt sind die Geschichten emotional, was die Erinnerbarkeit und die Verfügbarkeit der Geschichte verstärkt. Kein Wunder, dass Geschichten uns in unseren Entscheidungen leicht beeinflussen. Sie stellen scheinbar kausale Zusammenhänge her. Die Beeinflussung findet sowohl für den rationalen als auch den emotionaleren Menschen statt. Wir hören gerne Geschichten und langweilen uns nicht wie bei heruntergelesenen Power Point Folien. Accessibility! schreit das Management Buch!

Führungskräfte können Geschichten einsetzen um gemeinsame Werte zu stärken, eine Vision aufzeigen und darüber hinaus den Zusammenhalt der Gruppe oder Abteilung verbessern. Auf was müssen sie da achten?

Geschichten sollten mit den gemeinsamen Werten der Zuhörer verbunden werden.

Die Aufmerksamkeit wird größer, wenn in den Geschichten dem Zuhörer bekannte Personen vorkommen; am größten wenn der Zuhörer selbst direkt angesprochen wird und Teil der Geschichte ist.

Die Vergangenheit soll wie ein Prolog zu einer neuen Geschichte erzählt werden.

Die Gegenwart ist der Beginn einer neuen Reise zu einem speziellen Ziel

Die Zukunft ist die bereits erreichte Vision. Was gibt es da für Möglichkeit für die Zuhörer. Die Story kann in deren Köpfen weiter gehen

Das Storytelling ist dem Beeinflussungsstil Begeistern aus dem Seminar Positiv Beeinflussen! sehr verwandt. Auch hier werden Visionen aufgrund gemeinsamer Werte aufgezeigt: Das operative Verhalten zu dem abstrakten Motivieren!

Offen bleibt noch die Frage, was uns das postmoderne Theater für die zukünftigen Kommunikationsformen der Führungskräfte zu bieten hat. Vielleicht finden wir hier bald eine Antwort.

Effektiv in Gruppen arbeiten, Groupthink vermeiden

Group DiskussionWenn Sie Projektleiter oder Führungskraft sind, oder es zu Ihren Aufgaben gehört, Teams zu bilden und zu leiten, dann kommt es darauf an, von vornherein die Weichen richtig zu stellen. Generell empfehle ich, nicht nur um Groupthink zu vermeiden, sondern ganz allgemein für eine allgemein erfolgfreiche Arbeit in Gruppen, folgende Punkte:

1.    Stellen Sie ein gemischtes Team zusammen.

Ein homogen zusammengesetztes Team ist anfällig für Groupthink. Viele Führungskräfte suchen sich Mitarbeiter, die ihnen selbst ähnlich sind. Das Resultat ist, dass alle in die gleiche Richtung denken. Das ist bequem und mag sogar oberflächlich den Anschein erwecken, dass das Team gut funktioniert, kann jedoch gefährlich sein. Achten Sie also bei der Zusammensetzung der Gruppe darauf, dass die Teammitglieder sich nicht zu ähnlich sind. Mischen possible!

2.    Strukturieren Sie den Gruppenprozess.

Strukturieren Sie den Gruppenprozess und untertützen Sie die Arbeit mit effektiven systematischen Methoden. Das wirkt einer allzu schnellen einhelligen „Bequemlichkeits“-Entscheidung entgegen und fördert die Effizienz. Erarbeiten Sie eine Agenda und eine Vorgehensweise, dabei können Sie das Team bereits einbinden. Ein Beispiel für eine Vorgehensweise (beschrieben von Ursula Piontkowski und Wolfgang Keil von der Universität Münster): Erst werden alle verfügbaren lntormationen gesammelt; dabei werden Doppelinhalte aussortiert, damit nicht Informationen übergewichtet werden, nur weil sie von mehreren Teammitgliedern genannt wurden. So wird eine gemeinsame Wissensbasis geschaffen. Dann  werden die Fakten bewertet, und zwar ausschließlich danach, wie relevant sie für die Lösung der Aufgabe erscheinen. Die Gewichtung macht jeder zunächst für sich individuell. Erst danach diskutiert und entscheidet die Gruppe gemeinsam. Die Gewichtung sollte möglichst transparent und systematisch erfolgen. Ich verwende für die Gewichtung von Faktoren, auch bei der Entwicklung einer Strategy Map / Balanced Scorecard und der Gestaltung von Veränderungsprozessen, gerne eine Cross-Impact-Analyse (Vester’sche Vernetzungsmatrix bzw. Einflussmatrix).

3.    Setzen Sie einen externen Moderator ein.

Ein externer Moderator ist inhaltlich nicht involviert und neutral. Er kann sich voll und ganz auf den Gruppenprozess konzentrieren und diesen steuern. Die Führungskraft wird dadurch von Mehrfach-Funktionen (einerseits moderieren, andererseits Inhalte einbringen) entlastet und der Gruppenprozess wird professionell gestaltet. Der externe Moderator sollte eine Moderator-Ausbildung vorweisen können und Erfahrung in der Leitung von Workshops haben.

4.    Entwickeln Sie Ihre Soft Skills und die Soft Skills Ihrer Mitarbeiter.

Die jüngere Forschung über Groupthink misst dem Faktor „low self efficacy“ (geringe Selbstwirksamkeit) eine sehr hohe Bedeutung bei. Ein Mensch, der daran glaubt, Einfluss nehmen zu können (hohe Selbstwirksamkeitserwartung), kann Situationen und Aufgaben besser bewältigen. Solche Menschen vermeiden nicht die nötige Auseinandersetzung, sondern feruen sich darauf. Sie sind in der Lage, eigene Ideen zu kommunizieren und dabei fair mit anderen Menschen und Ideen umzugehen. Daher ist es wichtig und lohnend, die Selbstwirksamkeit durch die Vermittlung von Kommunikationsfertigkeiten zu stärken und zu verbessern (zum Beispiel mit dem Trainingsprogramm „Positive Power and Influence“). Gute Skills sind essentiell, sowohl für die eigene Wirksamkeit, als auch für eine erfolgreiche Arbeit der Gruppe!

5.    Entwickeln Sie ein passendes Rollenverständnis für sich als Führungskraft.

Führungskräfte haben eine besondere Stellung und Verantwortung, sie beeinflussen das Gruppen-Geschehen maßgeblich, ob sie das wollen oder nicht, ob es ihnen bewußt ist oder nicht. Sie entscheiden damit auch maßgeblich, ob sich Groupthink entwickelt oder nicht. Ich empfehle Führungskräften, ganz bewußt bestimmte passende Rollen einzunehmen. Wenn im Team Konflikte und Auseinandersetzungen zugunsten einer oberflächlichen Harmonie vermieden werden, wenn potenziell strittige Themen unter den Teppich gekehrt werden, dann können Sie als Führungskraft zum Beispiel die Rolle des „Provokateurs“ einnehmen. Sie können in dieser Rolle dazu anregen, produktive Auseinandersetzung zu fördern und Sie können dabei helfen, bestehende Konflikte auf konstruktive Weise auszutragen. Ein Rollenmodell der Führung haben Mai und Akerson beschrieben („The Leader as Communicator“). Im Trainingsprogramm „Leader moves!“ können Sie lernen, eine eigene Kommunikationsstrategie zu entwickeln und passende Rollen zu wählen, d.h. je nach Situation bestimmte Schwerpunkte in Ihrem Verhalten zu setzen, die die Produktivität im Team erhöhen.

Seien Sie sich bewußt, dass immer, wenn Menschen in einer Gruppe zusammen arbeiten, Groupthink bzw. Gruppendenken eine reale, aber auch beherrschbare Gefahr darstellt.

Vorangegangene Beiträge zum Thema Groupthink:
Groupthink kills – wie Gruppendenken zu schlechten Entscheidungen führt
Groupthink verhindern

Groupthink verhindern

The Cuba Missile CrisisNach dem Schweinebucht-Fiasko (1961) wollte John F. Kenndy es besser machen. In der Kubakrise (1962) bemühte Kennedy sich ganz bewusst, Groupthink (Gruppendenken) zu vermeiden. Er zog zu Meetings externe Experten hinzu, die ihre Sicht der Dinge darstellten. Er ermutigte die Gruppenmitglieder, Lösungsideen mit vertrauten Leuten auch außerhalb der Gruppe zu diskutieren. Teilweise unterteilte er die Gruppe in kleinere Gruppen, um den Gruppenzusammenhalt nicht allzu fest werden zu lassen. Ab und zu zug er sich aus den Diskussionen zurück, damit seine eigene Meinung nicht die Meinung der Gruppe zu sehr prägt. Die Welt stand „am Abgrund eines atomaren Infernos“ (Egon Bahr), doch wie allgemein bekannt ist, konnte die Kubakrise friedlich gelöst werden. Das ist nicht nur intelligenten Einzelpersonen, sondern auch einem intelligenten Gruppenprozess zu verdanken.

Wie kann man Groupthink verhindern?

Eine vordergründig einfache Lösung könnte sein, dass nur noch einer allein die Entscheidungen trifft. Das ist jedoch, insbesondere in komplexen Systemen, nicht ratsam. Ein einzelner Mensch hat nur begrenzte Kenntnisse, begrenzte Zeit, ist anfällig für Wahrnehmungsverzerrungen und tendiert dazu, sich nur an eigenen Interessen zu orientieren. Gruppen treffen tendenziell bessere und oft auch schnellere Entscheidungen als einzelne Individuen. Es ist vorteilhaft, wenn relevante  Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammen kommen, unterschiedliche Kompetenzen und Sichtweisen berücksichtigt werden, Einzelmeinungen in einen Wettstreit der Ideen treten, Ideen untereinander ausgetauscht werden, und Menschen sich gegenseitig in ihrer Kreativität anregen. Gruppen-Lösungen sind tendenziell von höherer Qualität.

Nicht Teams oder Meetings sind das Problem, sondern Unkenntnis und Unprofessionalität, wenn es um Gruppendynamik geht. Es geht nicht darum, Gruppenprozesse abzuschaffen, sondern es geht darum, dafür zu sorgen, dass Gruppenprozesse effektiv sind und gute Entscheidungen produzieren. Es gibt eine ganze Reihe von konkreten Maßnahmen, um bei Gruppenprozessen in Organisationen Groupthink zu verhindern. Irving Janis nennt folgende Möglichkeiten:

  1. Ermuntern Sie jeden, ein kritischer Gutachter zu sein. Das ermöglicht allen, Ihre Bedenken offen zu äußern.
  2. Als Führungskraft halten Sie sich mit ihrer eigenen Meinung zurück, wenn Sie der Gruppe Aufgaben geben.
  3. Bilden Sie voneinander unabhängige Gruppen, die an demselben Problem arbeiten.
  4. Untersuchen Sie alle aussichtsreichen Optionen gründlich und unvoreingenommen.
  5. Jedes Gruppenmitglied bespricht die Ideen der Gruppe vertrauensvoll mit Menschen außerhalb der Gruppe und meldet die Reaktionen zurück in die Gruppe.
  6. Laden Sie externe Experten ein, um an den Meetings teilzunehmen. Die Experten dürfen die Sicht der Gruppe kritisieren. Die Gruppenmitglieder dürfen mit den Experten diskutieren und Fragen stellen.
  7. Weisen Sie einem Gruppenmitglied die Rolle des Advocatus Diaboli zu. Die Rolle wechselt mit jedem Meeting, d.h. es nimmt immer ein anderes Mitglied die Rolle des Advocatus Diaboli ein.

Einige dieser Punkte kosten noch nicht einmal etwas und sind sind praktisch in jedem Gruppenprozess anwendbar. Einige Punkte sind nicht in jedem Fall oder ohne Probleme umzusetzen. Beispielsweise könnte es Probleme mit der Geheimhaltung und einen hohen Abstimmungsaufwand geben, wenn es mehrere Gruppen gibt, die an der Lösung eines Problems arbeiten.

In jedem Fall erfordert eine effektive Gruppe eine gewisse Reife der beteiligten Personen. Die Führungskraft sollte sich z.B. am Anfang mit der eigenen Meinung zurückhalten, das fällt sicher nicht allen leicht. Und jedes einzelne Teammitglied benötigt Fertigkeiten, nicht nur um eigene Ideen zu kommunizieren, sondern auch um Kritik respektvoll zu äußern.

Diese Punkte sollten ernsthaft geprüft und, soweit möglich, berücksichtigt werden.

Neben den von Janis genannten Maßnahmen sind auch bestimmte Methoden geeignet, Gruppendenken zu verhindern, zum Beispiel die Delphi-Methode oder die Cross Impact Matrix Method. Ich werde im nächsten Beitrag weitere Hinweise geben, wie Gruppenprozesse professionell gestaltet werden können und wie insbesondere Führungskräfte und Leiter zu erfolgreichen und effizienten Gruppenprozessen beitragen können.

Vorangehender Beitrag: Groupthink kills – wie Gruppendenken zu schlechten Entscheidungen führt
Fortsetzung: Effektiv in Gruppen arbeiten, Groupthink vermeiden

Manager und Leader – Interview mit Armin Rütten

armin-rutten.jpgArmin Rütten bietet Beratung zu Persönlichkeitsentwicklung, Work/Lifebalance, Supervision (für Entscheider in Unternehmen, Hochschuleinrichtungen und Freiberufler) und Mentoring. Seine Tätigkeiten und Interessenfelder sind sehr vielseitig, mit großer Nähe zur Philosophie. Im Interview konzentrieren wir uns heute auf das Thema „Manager und Leader“.

John P. Kotter und andere Autoren haben beklagt, es gäbe in den Unternehmen zu viele Manager und zu wenig echte Führungskräfte (Leader). Es wurde grob unterschieden: Manager organisieren und überwachen. Leader führen und motivieren ihr Team.

1. Herr Rütten, wie unterscheiden sich Manager und Leader?

Definitionen von Management gibt es viele, meist beinhalten sie Anforderungskategorien wie Organisationstalent, Führungsqualitäten, Teamfähigkeit, Verlässlichkeit, Objektivität, Kundenorientiertheit u.v.m. In Momenten, da der Ruf nach Visionären und Leadern laut wird, werden die Positionsbeschreibungen und Anforderungsprofile um Innovationsfähigkeit, Kreativität, Charisma ergänzt.

Die öffentliche Wahrnehmung hat den Manager momentan als Sündenbock im Visier, nämlich in punkto mangelnder Sozialverträglichkeit. Die Forschung hofft währenddessen, das intuitive Potential des Managers in den Griff zu bekommen, um mehr Leader zu schaffen.

Eine einfache Gegenüberstellung gewisser Merkmale der beiden Typen liefe wohl auf etwa folgendes hinaus: Manager = hochorganisiert aber langweilig – Leader = chaotisch aber inspirierend, Manager = regelkonform / verlässlich aber unflexibel – Leader = unorthodox aber innovativ. Sicherheit oder Innovation? Reproduktion von Althergebrachtem oder kreative Neugestaltung? Diese Lagermentalität finde ich unsinnig. Eine erfolgreiche Gesellschaft braucht beide, die Konservativen und die Neuerer.

2. Was zeichnet die Kommunikation eines Leaders aus?

Die Erforschung der Soft Skills, die den Leadertypus auszeichnen, steckt noch absolut in den Kinderschuhen. Aus meiner Sicht liegt die besondere Befähigung und Könnerschaft eines Managers in der  Vermittlung von Inhalten. Der Leader hat hier eine Schwäche, zumindest wo es um Kommunikation in etablierten Geschäftsprozessen geht. Der Leader kann seine Einsichten nur unter Mühen sequentiell  nachvollziehbar darstellen, und das lässt ihn als schwer einordbaren und unverständlichen Wirrkopf rüberkommen. Man kann ihn solange tolerieren, wie Geld für Experimente im Topf ist und wie seine Ergüsse nah genug an „Realitäten“ liegen, um unmittelbar in Firmen- oder politische Erfolge umgemünzt werden können. Dieser Denkertypus braucht daher meist einen Übersetzer für seine Einsichten, den wieder besonders befähigte Manager stellen, die zumindest einen gewissen Anteil des Leadertums ihr Eigen nennen.

Der engagierte Leader ist ein äußerst schwieriger Gesprächspartner und wird durch diese Erfahrung nicht eben zu einem geduldigeren Menschen gegenüber von ihm leicht als langsam oder uninspiriert wahrgenommenen „Normalos“. Kommunikation setzt eben nicht nur einen grammatikalisch korrekten Sprachgebrauch voraus, sondern auch ein wachsendes Verständnis dafür, wie die Gegenüber ticken.
Ergo, da gerade für den Leadertypus solche Anleitungen fehlen, ist der Erwerb einer Könnerschaft für ihn ein extrem mühsamer Weg.

3. Es wäre natürlich schön, wenn Manager und Leader sich ergänzen. Kann ein Manager auch aus sich heraus Leadership-Qualitäten entwickeln?

Mir stellt sich eher die Frage, wie wir die Leader orten und schulen können, um vorhandenes aber vernachlässigtes Potential unserer Gesellschaft gerade in Zeiten verfügbar zu machen, da sich zunehmend erweist, dass wieder ein Punkt erreicht ist, wo Althergebrachtes sich zur Beantwortung vollkommen neuer Fragestellungen für unsere Zukunft als untauglich erweist.

Manager in Schlüsselpositionen bemerken meist als erste, dass liebgewonnene Regeln und Arbeitsschritte nicht mehr zum Erfolg führen. Woran es fehlt, ist nun die Regel, die jetzt zur Anwendung gelangen sollte. Der Manager erkennt, dass er entgegen bestimmter Vorschriften zu Abläufen oder entgegen einer Markttendenz handeln müsste.

Der sich in den Finanzderivaten abzeichnende Einfallsreichtum kam meist dadurch zustande, dass hochspezialisierte Manager nach bekannten Regeln bestehende Gesetze ausloten und Schlupflöcher finden; diese Innovationen sind kaum wirklich als solche zu bezeichnen. Leader täten dem Bankgewerbe gut.

Aber auch Manager können Leadership-Qualitäten entwickeln. Einen wichtigen Schlüssel sehe ich eindeutig im eigenen Selbstvertrauen. Versteht ein Manager einmal weitgehender, wie er tickt und was ihn wie andere umtreibt, kann er manche aus Befindlichkeiten geborenen Handlungs- und Denkbremsen außer Kraft setzen und sich gelöst auf die Suche nach neuen Wegen machen. Versucht er aber um jeden Preis, einem gewohnten und als sicher empfundenen Weg zu folgen, hat er keine Antworten, hatte er schon die sich stellenden neuen Fragen nicht im Entstehen bemerkt. Ein anderer Schlüssel ist, das vernachlässigte Potential zur Nichtlinearität oder Kreativität zu wecken und zu schulen.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Manager sehr viel leichter Leaderqualitäten erwerben können als umgekehrt.

Zehn Gebote für Manager

zehngebote-by-cranach-pd.jpgManager stehen in der Kritik, denn viele Manager sind, mangels Weitsicht, oder aus Egoismus, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht geworden. Das ist zwar letztlich eine Minderheit, aber diese Minderheit prägt das Image der Manager in der Öffentlichkeit.

Angesichts des Versagens vieler Manager und der gegenwärtigen Krise ist es en vogue, nach dem Staat zu rufen; der Staat soll es richten. Der Staat muss etwas tun, das ist schon klar. Aber der Staat allein kann es nicht richten und der Staat ist auch nicht der bessere Unternehmer (eher im Gegenteil).

Manager können selbst etwas tun. Manager sind aufgefordert, sichtbar gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, und verloren gegangenes Vertrauen wieder zu erlangen. Dabei kann ein Wertekodex helfen, wie ihn der Wirtschaftsrat aufgestellt hat. Es ist ein Verhaltenskodex, der von Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft entwickelt wurde.

  1. Langfristiger Unternehmenserfolg als Maßstab für die Managervergütung. Schlechte unternehmerische Leistung darf nicht mit goldenem Handschlag belohnt werden.
  2. Effektive Kontrolle durch professionelle und unabhängige Aufsichtsräte. Eine Verknüpfung der Unternehmensführung mit politischen Interessen oder sonstigen Abhängigkeiten ist zu verhindern.
  3. Null Toleranz bei Verstößen gegen Gesetze und unternehmensbezogene Selbstverpflichtungen. Abweichungen vom Global Compact der Uno müssen geächtet werden.
  4. Der ehrbare Kaufmann als Vorbild für unternehmerisches Handeln. Anstand, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Augenmaß sind gefordert.
  5. Vertrauen durch Transparenz und Ehrlichkeit. Wichtige Unternehmensentscheidungen müssen für Belegschaft und Anteilseigner nachvollziehbar sein.
  6. Eigenständigkeit der Mitarbeiter als unternehmerischer Erfolgsfaktor. Begabungen, Leistungsfähigkeit und Ideenreichtum der Beschäftigten sind gezielt zu stärken.
  7. Mehr Werteorientierung in Ausbildung und Personalentwicklung. Gute Mitarbeiterführung ist bei Beförderungen und Entlohnung höher zu gewichten.
  8. Unternehmenskultur des gesellschaftlichen Engagements. Durch soziale Projekte und Mäzenatentum sollten Wirtschaftslenker Verantwortung übernehmen.
  9. Eigentümerunternehmer und Manager als Botschafter der sozialen Marktwirtschaft. Das Vertrauen in unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung ist durch aktives Werben zu festigen.
  10. Globale Mitverantwortung der Wirtschaft für die Schöpfung. Menschenrechte, Akzeptanz kultureller Hintergründe und nachhaltiger Umgang mit der Umwelt müssen unabdingbare Leitlinien der Unternehmensführung sein.

Hier ist eine Kurzfassung der zehn Gebote für Manager wiedergegeben. Den vollständigen Text können von der Website des Wirtschaftsrates downloaden.

Die Gebote orientieren sich an der sozialen Marktwirtschaft. Das ist naheliegend, denn der Wirtschaftsrat ist eine Vorfeldorganisation der CDU. Es geht mir hier jedoch nicht um parteipolitische Standorte, sondern um ein konkretes Beispiel für eine professionelle Ethik für Manager, wie sie auch Klaus Schwab (Gründer des Weltwirtschaftsforums) fordert.

Wenn Werte geachtet werden, dann haben Werte eine verhaltenssteuernde Wirkung. Die Eigenverantwortlichkeit der Menschen wird gestärkt, und eine umfängliche staatliche Gängelung ist nicht mehr nötig. Die Akteure müssen sich allerdings immer an dem Leitbild messen lassen.

Bild: Detail aus „Die Zehn Gebote“ von Lucas Cranach d. Ä. (public domain).