Kriminelles Handeln aus der Mitte

Siemens PressebildVor einer Woche hat Siemens Konzernlenker Peter Löscher an alle Mitarbeiter in Deutschland ein E-Mail geschrieben, das den Korruptionsskandal thematisiert. Anlass war die aktuelle Spiegel Titelstory.

Das E-Mail (Auszüge in der Printausgabe und auf der Website der FTD) ist geschickt verfasst; offensichtlich hat Löscher einen guten Ghost Writer zur Hand. Löscher äußert Verständnis für die Mitarbeiter, die aus Anlass solcher Berichterstattung angesprochen werden und stellt klar, dass „die ganz große Mehrheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer aufrichtig und anständig“ gehandelt hat.

Es habe jedoch „über längere Zeit unverantwortliches und wohl auch kriminelles Handeln“ gegeben, und zwar aus der „Mitte des Unternehmens“ heraus.

Wenn ich mir das aus Kommunikations-Sicht anschaue, sind die Haupt-Botschaften Herrn Löschers:

  • die überwiegende Mehrheit war immer anständig
  • es hat krasses Fehlverhalten gegeben
  • wir wollen Aufklärung
  • Compliance ist uns sehr wichtig
  • wir machen nur sauberes Geschäft

Soweit alles in Ordnung. Die Werte, die Löscher anspricht, sind wichtig und richtig: „Transparenz, Klarheit, Wahrheit, Verantwortlichkeit“. Allerdings ist mein Eindruck aus Gesprächen mit Siemens Führungskräften und Mitarbeitern, dass einige Botschaften untergehen oder nicht so verstanden werden. Zunächst ist es ja schon so, dass viele solche E-Mails gar nicht mehr lesen, da sie geradezu mit solchen Botschaften bombardiert werden. Dazu kann ich nur sagen, keine Kommunikation ist auch keine Lösung. Es ist gut, wenn der Vorstand mit allen Mitarbeitern kommuniziert.

Was den Führungskräften einen Stich versetzt, ist die Formulierung „aus der Mitte des Unternehmens“. Was hängen bleibt, ist: Es gab kriminelles Handeln aus der Mitte. Da fühlen sich viele persönlich getroffen, die sich nichts haben zu schulden kommen lassen. Vielen reicht es auch nicht, wenn es heißt „die ganz große Mehrheit“ habe sich untadelig verhalten. Aus Sicht dieser Mitarbeiter hat es Fehlverhalten nur im Promille-Bereich gegeben; nur ganz wenige hatten überhaupt die Möglichkeit, z.B. Schmiergelder zu zahlen. Und das ist, aus Sicht der meisten, eben nicht „die Mitte“, sondern das sind eher „die da oben“.

Wie geht es weiter? Zur Zeit fühlen sich die Mitarbeiter verunsichert, von der Presse geprügelt, vom Thema „Compliance“ genervt. Wenn es schlecht läuft, wird es einfach nur einen Haufen Vorschriften und Kontrollen geben, und irgendwann kommt wieder einmal heraus, dass ein Manager Wasser gepredigt und Wein getrunken hat. Wenn es gut läuft, kommt eine Werte-Diskussion in Gang. Werte werden nicht nur als Leitlinien formuliert, sondern tatsächlich gelebt, von allen. Identifikation braucht Beteiligung, daher empfehle ich, weniger auf Vorschriften zu setzen als vielmehr auf eine lebendige Diskussion.

Foto: Siemens-Pressebild

Korruption – wie werden wir sie los?

Corrupcio_diners2 (pd)Insgesamt verursachen Korruption und Wirtschaftskriminalität 57 Prozent aller polizeilich erfassten Schäden – obwohl sie nur 1,3 Prozent aller Delikte ausmachen (Korruptions-Check).

Auf dem Transparency International Korruptionsindex liegt Deutschland nur auf Platz 16.

Was tun? Zunächst müssen gesetzliche Rahmenbedingen entsprechend gestaltet werden. Aber auch die Unternehmen selbst stehen in der Pflicht und können schon sehr viel tun, bevor der Gesetzgeber eingreift. Es wird oft gefordert, die Unternehmenskultur zu verändern. Das ist natürlich richtig, aber auch sehr allgemein. Ich möchte hier zwei spezifischere Empfehlungen geben:

1. Potenziell korrupte Mitarbeiter frühzeitig aussortieren

Es gibt neuerdings einen Test, der verspricht, Integrität zu messen, der Psychologische Integritätstest PIT. „Es existiert eine grundlegende psychologische Dimension ‚Integrität’, die erfasst, inwiefern ein Mensch ein erhöhtes Risiko für schädigendes Verhalten aufweist. … Eine Person mit niedrigen Integritätswerten ist anfälliger für Problemverhalten. Die Palette reicht von unerlaubten Fehlzeiten, Beschädigung von Firmeneigentum über Diebstahl bis hin zu Veruntreuung, Betrug und Korruption.“ Das sagt Dr. Jens Hoffmann, Psychologe an der TU Darmstadt. Der PIT erlaubt es nicht nur, Leute mit sozialschädlichen Verhaltenstendenzen zu selektieren. Studienergebnisse aus Nordamerika zeigen, dass Stellenbewerber mit hohen Testergebnissen in einem Integritätstest auch insgesamt beruflich erfolgreicher und leistungsbereiter sind.

2. Anreizsysteme verändern

Korruption darf nicht belohnt werden nach dem Motto „es ist egal, wie jemand zum Erfolg kommt“. Es darf keine Beförderung und keine Gehaltserhöhungen geben, wenn die geschäftlichen Erfolge auf Korruption oder antisozialem Verhalten beruhen. Es muss von der Unternehmensführung unmissverständlich klar gemacht werden und vorgelebt werden, dass Korruption nicht geduldet wird. Korruption muss konsequent geahndet werden. Ehrliches und faires Verhalten muss belohnt werden, selbst wenn man vermutet, dass ein korrupter Mitbewerber den Auftrag erhalten haben sollte.

Auf Dauer zahlt sich diese Strategie aus.

Korruption im Business

„In der Korruptionsaffäre bei Siemens ist der frühere Zentralvorstand Thomas Ganswindt verhaftet worden. Er sitzt wegen dringenden Tatverdachts in der Schmiergeldaffäre in der Justizvollzugsanstalt Landsberg in Untersuchungshaft.“ Ex-Siemens-Vorstand inhaftiert, Financial Times Deutschland von heute, 13.12.2006.

Es geht hier nicht um Siemens, wir hatten die VW-Affäre und viele andere davor.

Muss man das Spiel mitspielen, ist das „Ehrgeiz“, „Sportsgeist“, „knallharte Ergebnisorientierung“? Oder ist das „kriminell“?

Ob es kriminell war – das festzustellen, bleibt den Gerichten überlassen. Ich denke aber, dass Ganswindt und Konsorten sich selbst nicht als Kriminelle gesehen haben. Wahrscheinlich sind sie überzeugt, „das Beste“ für das Unternehmen zu tun. Nun, was für ein Desaster! Es geht um mehr als „nur“ hunderte von Millionen Euro. Was für ein Vertrauensverlust, was für ein Imageschaden. „Kontraproduktiv“ ist gar kein Ausdruck.

Zunächst, Ethik ist ein Wirtschaftsfaktor ersten Ranges. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn es einen Mangel an Ethik gibt. Zweitens, diese Individuen schädigen sich selbst nachhaltig. Beides scheint schwer zu verstehen zu sein für manche Vertreter unserer wohlgebildeten Elite.

Führung braucht Werte, sonst ist sie hohl und wenn jemand hinter die Fassade schaut, bricht alles zusammen.