Verhandeln oder feilschen?

harvard-konzept.jpgJeder verhandelt. Mit Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern, Mitarbeitern, Kollegen, beim Kaufen von mehr oder weniger wertvollen Sachen, mit dem Lebenspartner oder den Kindern. Obwohl Verhandeln ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens ist, besteht noch sehr viel Bedarf, besser und effektiver zu verhandeln. Natürlich sind Schlagworte wie „Win-Win-Situation“ weit verbreitet, das sind aber oft nicht mehr als Worthülsen – denn aktiv eine Win-Win-Situation in einer Verhandlung zu schaffen, das gelingt nicht vielen. Da sind Skills gefragt.

Also ein Buch geschnappt! Um ein Buch kommt man beim Thema Verhandeln nicht herum: „Der Klassiker der Verhandlungstechnik” – das schreiben die Übersetzer des Buches „Das Harvard-Konzept“ gleich in den Untertitel. Das Buch von Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton ist im Original bereits 1982 erschienen („Getting to Yes. Negotiating an agreement without giving in”) und hat sich in der Tat zu einem Klassiker entwickelt.

Die Autoren machen zunächst einmal klar, dass vieles, was wir in naiver Weise als „Verhandlung“ ansehen, nicht den Kriterien für gutes Verhandeln entspricht. Gemeint ist das „Feilschen“. Wir kennen das vom Flohmarkt oder Basar: Der Verkäufer nennt einen Preis, ich mache ein (weit darunter) liegendes Angebot. Mit unterschiedlichen Beteuerungen („kann ich nicht machen“) und mehr oder weniger stichhaltigen Argumenten („sehen Sie nur dieses Detail hier“) nähern wir uns einander mit den Zahlen an und es kommt zu einer Einigung oder eben nicht. So läuft es auch häufig in anderen Situationen, nicht nur auf dem Basar. Dieses prototypische Verhalten nennen die Autoren „Feilschen um Positionen“. Jede Seite nennt Positionen, und neue Positionen, um einen Kompromiss zu erreichen.

Nun, was sind die Kriterien für eine gute Verhandlung?

  1. Die Verhandlung erzielt eine vernünftige Übereinkunft. Das heißt, die legitimen Interessen jeder Seite werden in höchstmöglichem Maße erfüllt, die Vereinbarung ist fair bzw. gerecht, die Vereinbarung ist nachhaltig, die Interessen der Allgemeinheit sind berücksichtigt.
  2. Die Verhandlung ist effizient. Das heißt, die Verhandlung dauert nicht länger als nötig. Nun mögen viele meinen, die Verhandlung dauert so lange wie sie dauert, aber die Frage ist, womit sich die Verhandlungspartner beschäftigen. Feilschen sie um Positionen und verrennen sich, oder lösen sie gemeinsam ein Problem?
  3. Die Verhandlung verbessert die Beziehung zwischen den Parteien oder wahrt zumindest die bestehende Qualität der Beziehung. Nun mögen viele meinen, entweder das eine oder das andere: Entweder ich bin nett und dann ist die Beziehung ok, oder ich kämpfe und verhandle ohne Rücksicht, dann ist das Ergebnis in meinem Sinne (und die Beziehung gestört – na und). Es ist eine kaum zu unterschätzende Erkenntnis, dass wir in einer Verhandlung mit unterschiedlichen Interessen sowohl ein gutes Ergebnis erzielen können als auch gleichzeitig die Beziehung verbessern können.

Das Feilschen um Positionen führt selten zu den besten Ergebnissen. Es ist nicht effizient, da die Spielregeln verlangen, mit einer extremen Position zu beginnen, möglichst lange daran festzuhalten, den anderen über die wahre Position zu täuschen, nur kleine Zugeständnisse zu machen, usw. Außerdem müssen eine ganze Menge Entscheidungen gemacht werden; das alles kostet Zeit. Hinzu kommt, dass der Willenskampf nicht nur die Gefahr des Scheiterns erhöht, sondern auch die Beziehung belastet und möglicherweise zerstört.

Ich werde hier in einer Serie das Harvard-Konzept des Verhandelns darstellen. Weitere Beiträge folgen.

Die Beiträge dieser Serie im Überblick:

Verhandeln oder feilschen?
Hart verhandeln oder weich verhandeln?
Sachbezogenes Verhandeln
Beim Verhandeln Menschen und Probleme trennen
Beim Verhandeln auf Bedürfnisse konzentrieren
Beim Verhandeln objektive Kriterien anwenden
Kritik am Harvard-Konzept

18 Antworten auf „Verhandeln oder feilschen?“

  1. Hallo, da das Feilschen wohl so weit verbreitet ist: wie verhalte ich mich als (hoffentlich) guter Verhandler mit einem Gegenüber (will nicht Gegner schreiben), der nur Feilscher ist oder sein will? Welche Strategie wäre die richtige? Da eine Basis für Verhandeln die Kenntnis des Interesses des jeweils anderen ist, wie bekomme ich diese Kenntnis wenn der andere „mauert“? Offen das eigene Interesse nennen und das Interesse des anderen abfragen, in der Hoffnung er gibt es Preis? Grüße, Sven Müller

  2. Ich persönlich halte win-win für eine mär. das harvard-konzept, insb. das verhandeln über motive statt positionen, ist sicher sinnvoll. aber am ende ist win-win nur vorgegaukelt. bei einer verhandlung treten beide letztlich an, um zu gewinnen. was auch immer.

    ein beispiel dazu: gebrauchtwagenkauf. herr a verkauft seinen golf für 1000 euro. herr b sucht einen golf, will aber nicht mehr als 100o euro ausgeben. angenommen beide kommen zusammen und tauschen sofort bares gegen ware, wäre win-win erreicht. trotzdem werden sich hinterher beide schlecht fühlen. herr a wird denken: vielleicht hätte ich noch mehr rausholen können? und herr b wird sagen: hätte ich doch bloß mal gehandelt, dann hätte ich geld gespart!

    eine bessere lösung wäre demnach: herr a verkauft den golf für 900 euro. danach fühlen sich beide besser – aber win-win-winner ist allein herr b.

  3. Was machen, wenn die andere Partei um Positionen feilschen will? 1. Weiter sachlich verhandeln, weiter eine Lösung suchen. 2. Nicht das Feilschen-Spiel mitspielen, nicht provozieren lassen. Die Positionen des anderen zur Kenntnis nehmen, aber weder bestätigen noch angreifen. 3. Weiter Motive ergründen. Warum will die Gegenseite das, was sie als Position formuliert? Die andere Partei zur Reflektion bringen. 4. Probleme sehen helfen oder direkt formulieren, die mit der Position des anderen einhergehen. „Was würde das für … bedeuten?“ oder „Wenn wir das machen würden, dann würde das bedeuten…“. 5. Persönliche Angriffe nicht kontern, sondern auf eine sachliche Ebene bringen. Und allgemein, was den Kommunikationsstil angeht: Besser Fragen stellen, statt eigene Statements zu formulieren.

  4. @Karrierebibel: Was Sie „Lösung“ nennen, ist kein Win-Win, sondern Win-Loose. Wenn ich denke, mein Golf ist 1000 EUR wert, warum sollte ich ihn für 900 EUR verkaufen? Ausserdem ist es einfach, eine Win-Win Situation zu erreichen, wenn der eine 1000 EUR ausgeben will und der andere genau das gewünschte Produkt hat für 1000 EUR. Aber was ist, wenn ich einen Lieferanten habe, mit dem ich gerne zusammenkommen möchte, er ist aber vom Markt her betrachtet zu teuer? Glauben Sie, da kommen Sie mit Feilschen weiter als mit Verhandeln?

  5. @gerald: eben. ich sag ja, win-win gibt es nicht. und wo liegt der unterschied zwischen feilschen und verhandeln? im ergebnis läuft es in ihrem beispiel auf dasselbe hinaus: sie wollen mit dem lieferanten zusammenkommen, aber er ist zu teuer – also muss er im preis runter… oder sie suchen sich einen anderen lieferanten. punkt.

  6. Dann haben wir eine Loose-Loose Situation: Der Lieferant hat den Auftrag nicht und ich habe nicht meinen Wunsch-Lieferanten. Wir sind nicht zusammengekommen, weil wir uns auf Positionen versteift haben. Schade. Aber es geht auch anders!

    In Trainings simulieren wir das anhand von realistischen Fällen. Das bringt mehr als „theoretische“ Erörterungen, weil es eine Erfahrung (!) ist, die man macht.

  7. Hallo Herr Petersen, hallo Herr Karrierebibel. Danke für den wie immer lesenswerten Beitrag und dias nette kleine Gefecht danach. Meines Erachtens sind weder win-win noch win-loose Ergebnisse per se besser oder schlechter in der Verhandlungsführung. Es kommt vielmehr auf den Kontext an. Im beruflichen Alltag habe ich es meistens mit andauernden Kontakten zu tun. Das zählt besonders im Verhältnis von Managern zu ihren Mitarbeitern. Da lohnt die Arbeit des Verhandelns, „um die Beziehung nicht (oder nur gering) zu belasten“. Das sieht – zumindest bei mir – in Sachen Autokauf schon ganz anders aus: Hier lohnt sich das Feilschen (gerade habe ich einige Tausender dabei gespart). Und auf diesem Basar macht Feilschen auch SPASS. Und mein bedauernswerter Autoverkäufer? Nun: Wie ich hörte, hat er von seinem Chef nachher Ärger bekommen … Lehrgeld für einen Markt, der m.E.- Basar ist und bleibt. Sein Glück in Sachen Beziehung. Er sieht mich nie wieder 🙂

    Fazit: Lerne für die Verhandlungsführung, die Situation richtig einzuschätzen. Das ist dann effektiv (die richtigen Dinge tun)

    Grüße aus Köln. Ulrich E. Hinsen management-radio.de

  8. Hallo Herr Petersen,
    ich bin überrascht, dass das Harvard-Konzept immer noch (immer wieder) so „hoch im Kurs“ gehandelt wird. Mein Eindruck ist, dass die Autoren schnell gemerkt haben, dass ihr Ansatz zwar sehr effektiv klingt, aber das Buch bei weitem nicht die „Skills“ zur Verfügung stellt, die für eine erfolgreiche Verhandlung notwendig sind. „Erfolgreich“ in dem dem Sinne, dass ich meine Bedürfnisse/Interessen a) erkennen (daran hapert es am meisten) und b) diese hilfreich in den Verhandlungs-/Konfliktlösungsprozess einbringen kann.
    Die emotionalen Fähigkeiten, die dazu notwendig sind, werden zwar erwähnt, haben aber meines Erachtens bei weitem nicht den Raum, den sie de facto in derartigen Prozessen einnehmen. Da hat sich doch mittlerweile mehr praktisches Know-How dazu angesammelt, meinen Sie nicht?
    Mit herzlichen Grüßen,

    Markus Sikor
    http://institut-sikor.blogspot.com/

  9. Hallo Herr Sikor. Roger Fischer – einer der Hauptautoren des Harvard-Konzeptes – hat inzwischen die Bedeutung der emotionalen Fähigkeiten zumindest von der (Ver)Marktseite her auch verstanden. So ist sein aktuelles Buch „Erfolgreich verhandeln mit Gefühl und Verstand „inzwischen auch in deutscher Sprache bei amazon gelistet unter:

    http://www.amazon.de/Erfolgreich-verhandeln-mit-Gef%C3%BChl-Verstand/dp/3593383918/ref=sr_1_3?ie=UTF8&s=books&qid=1196791323&sr=1-3

    Das schmälert jedoch m.E. nicht den Wert des hier besprochenen Buches. Im Gegenteil: Für viele Situationen (nicht für alle: siehe oben) wünschte ich mir mehr professionelles und sachbezogenes Verhandeln …

    Gruß aus Köln

    Ulrich E. Hinsen
    management-radio.de

  10. Pingback: Armin Karge
  11. Pingback: nachtSonnen

Kommentare sind geschlossen.