Gehirnflüsterer

Ich halte ein Buch im Laden Gehirnflüsterer in der Hand „Gehirnflüsterer! Die Fähigkeit, andere zu beeinflussen.“ Das ist mal eine Ansage. Ich kaufe es. Später sehe ich, dass der englische Titel „Flipnosis: The Art of Split-Second Persuasion” heißt.

Ist da schon die erste Beeinflussung oder gar Manipulation? Ich assoziiere mit den Begriffen „Fähigkeit“ und „Beeinflussung“ langfristige Eigenschaften. Während die Split-Second bereits jetzt genau schon um ist. Es ist die alte Frage, wann können wir von Beeinflussung sprechen? Und wann von Manipulation?

Die Fähigkeit zu beeinflussen, so wie der Titel suggeriert, ist es, seine Ziele auf kommunikative Weise derart zu erreichen, dass die Beziehung zu der Person, mit der ich kommuniziere zumindest intakt bleibt, wenn nicht sogar verbessert wird. Die zahllosen Geschichten allerdings, die der Autor Kevin Dutton anführt, sind meist aus dem Bereich der Manipulation. Also gegen den eigentlichen Willen der Zielperson bewirkt durch mangelnde Information, Überrumpelung  oder Falschaussage. Als Beispiele wie das „Gehirnflüstern“ funktioniert, führt Dutton Trickbetrüger, Zauberer und Psychopathen an. Sicherlich keine Typen, die sich um eine langfristige Beziehung bemühen, sondern nur um den schnellen Gewinn im Moment.

Der Autor führt unglaublich viele Experimente auf und erzählt uns eine Story nach der anderen, ohne dass ich immer nachvollziehen konnte, welche Aussage er damit belegen möchte. Irgendwann fragte ich mich, was hier der theoretische Überbau ist und endlich auf Seite 203 nennt er fünf Faktoren, die relevant seien für die Beeinflussung:
1.    Einfachheit
2.    Gefühltes Eigeninteresse
3.    Überraschungseffekt
4.    Selbstvertrauen
5.    Empathie

Leider fehlen zu diesen fünf Faktoren Definitionen oder zu mindestens Beschreibungen, wie sie auf die Beeinflussung wirken. Zu jedem dieser Faktoren gibt es wieder Beispiele, die keinen allzu großen Bezug dazu hatten, so dass sich der Eindruck aufdrängt, diese fünf Faktoren wurden gewählt, weil sie im Englischen das Akronym SPICE bilden (Simplicity, Perceived Self-Interest, Incongruity, Confidence, Empathy).

Ärgerlich ist auch, dass wieder einmal in einem populärpsychologischen Buch die Merhabian Studie aus dem Kontext heraus falsch generalisiert wird.  Der Autor schreibt, dass „der Anteil, mit dem Blickkontakte in einem Gespräch zur Übermittlung von Botschaften beitragen, 55 % [sei] ; 38 % bewirkt das nonverbal Gehörte und nur sieben Prozent der verbale Inhalt“. Das hätte ein promovierter Psychologe besser wissen müssen.

Meine Besprechung des Buches fällt aufgrund des Untertitels (Die Fähigkeit , andere zu beeinflussen) des Buches so negativ aus. Hier geht es nicht um Beeinflussung, geschweige kann die Fähigkeit zu beeinflussen durch das Buch verbessert werden. Im weitesten Sinne liegt hier eine Manipulation vor. Ich habe das Buch gekauft unter einer falschen Annahme. Ein kurzfristiger Gewinn, aber keine langfristige Weiterempfehlung. Die Kritik wäre besser ausgefallen, hätte das Buch den Titel „Eine Anekdote nach der anderen aus dem Umfeld der Psychologie“. Gekauft hätte ich es wahrscheinlich nicht.

3 Antworten auf „Gehirnflüsterer“

  1. Hallo Jens,

    auch ich bin dem Charme des Untertitels erlegen und konnte nicht wirklich eine positive Bestätigung im Inhalt finden.
    Es ist nicht schlecht geschrieben, es gibt allerdings besseres.

    LG

  2. Da ich das Buch nicht gelesen haben, möchte ich nicht darüber urteilen. Ich lese etwa 1 Buch pro Woche gerade viel im Bereich Persönlichkeitsentwicklung, Finanzen, Wirtschaft, Investments etc. für mich ist ein Buch grundsätzlich nur interessant, wenn ich daraus neue Erkenntnisse lernen kann und auch davon in meinem Leben etwas anwenden kann.
    Es spricht aus Marketing-Sicht absolut nichts gegen einen „starken“ Titel wie in dem Fall „Die Fähigkeit, andere zu beeinflussen“ allerdings ist dann die Erwartung natürlich auch dementsprechend hoch und wenn der Inhalt nicht den Titel widerspiegelt ist das als Leser eher nicht so schön.

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