Wie Werbung wirkt

41vNKjrTH+LJa, ja das mit den Superlativen und Buchbesprechungen ist so eine Sache. Aber genau in diesem Moment, in dem ich das schreibe, ist das Buch „Wie Werbung wirkt (2. Auflage)“ von Christian Scheier und Dirk Held, das beste, was ich hier im Blog besprochen habe.

Warum? Weil es handwerklich an eine Materie herangeht, die allzu oft in einer Blackbox mystifiziert wird. Man denke nur an die Iss-Popcorn-trink-Cola-Studie, die auch heute noch fälschlicherweise zitiert wird, um stammtischmäßig über die Macht des Unterbewusstseins zu schwadronieren.

Das Buch ist sehr strukturiert. Zunächst werden Grundlagen der Kommunikation und der menschlichen Informationsverarbeitung dargestellt, um dann nachvollziehbar zu zeigen, wie Werbebotschaften auf Motive von Menschen wirken. Das ganze veranschaulicht durch schöne Beispiele aus der Werbewelt.

Eines dieser Beispiele gefällig? Einer der sogenannten Codes, mit Hilfe dessen die Werbung Botschaften transportiert ist die Geschichte. Wir wissen auch aus dem Storytelling, wie leicht wir Menschen Geschichten memorieren und reprodozieren können. Besonders spanende Geschichten waren für die Höhlenmenschen bereits viral. Eine Geschichte aus der Werbewelt, ist die der Frau Woodbridge und ihrem Hund Daisy, zu finden unter www.mary-woodbridge.co.uk. Eine 85-jährige Frau, die zusammen mit ihrem Hund, den Mount Everest besteigen will und über diese Website Sponsoren sucht.

Dass die ganze Geschichte von einer Werbeagentur für ihren Klienten – eine Ausrüstungsfirma für Outdoor Aktivitäten – erfunden wurde, macht die Geschichte fast noch mal so interessant.

Die Autoren verbinden aktuellste psychologische Erkenntnisse für ihr Thema, wie Werbung wirkt. Einmal das Wissen, darum wie unsere Sinne unser Gehirn mit Informationen versorgen. Pro Sekunde gehen in das Gehirn ca. 11 Millionen Bits ein, bewusst erleben wir allerdings nur ca. 50 Bits. Ein großer Teil wird also nur im Autopilot (unbewusst) über Assoziationen, Emotionen und Motive verarbeitet.

Zum anderen bedienen sich die Autoren bei dem Zürcher Motiv Modell, demzufolge wir Menschen mehr oder weniger stark durch drei Motivbündel angetrieben werden: Sicherheit (Geborgenheit), Erregung (Abwechslung, Neues) und Autonomie (Macht, Durchsetzung). Je nachdem welches dieser Motive gerade mehr ausgeprägt ist, sind wir empfindlicher in der Wahrnehmung der Werbung.

Wie Motivaktivierung und implizite Informationsverarbeitung interagieren zeigt die eindrucksvolle Studie von Erin Strahan. Durstige Probanden tranken 210 ml Wasser, nachdem sie das Wort „durstig“ unterbewusst über einen Computerbildschirm eingeblendet bekamen. Gab es keine Einblendung, tranken die durstigen Personen lediglich 130 ml.

Viele Beispiele aus der Werbung und aktuelle Studien zu dem Thema machen das Buch zu einem echten Lesevergnügen. Also, eine explizite Leseempfehlung von unserer Seite.

Die psychologischen Tricks der Werbung

Wie bringt uns die Werbung dazu, „Ja“ zu sagen? Welche psychologischen Mechanismen sind da im Spiel? Robert Cialdini von der Arizona State University hat über diese Fragen geforscht und eine Reihe von Mechanismen gefunden, die uns in unserer Entscheidung beeinflussen. In der Regel greifen hier eingeschliffene Automatismen, die unbewusst ablaufen. Cialdini schildert diese Mechanismen kurz in einem Video-Beitrag (Dauer 3:49):

1. Reziprozität (im Video „reciprocation“ = Erwiderung, sich erkenntlich zeigen): Wir sind geneigt, jemandem, der uns einen Gefallen getan hat, diesen Gefallen zu erwidern. Dieses Prinzip wird zum Beispiel genutzt bei der Methode „Kaffeefahrt und Rheumadecken“ [Link entfernt]. Mehr zu diesem Thema in dem Beitrag: Reziprozität – wenn jemand Ihnen eine Cola schenkt.

2. Knappheit (Im Video „scarcity“): Ein Produkt wird in limitierter Auflage herausgebracht, oder ist nur begrenzte Zeit erhältlich. Erst gestern sah ich eine Anzeige vom Media Markt: „Ohne Mehrwertsteuer, -19%, nur heute, 3.1.2008“.

3. Autorität („authority“): Promis machen Werbung. Das kann, in Kombination mit „heavy rotation“ (ständige Wiederholung), ein Nervfaktor erster Güte sein. Noch Jahre nach der Kampagne können wir uns erinnern, wie Verona Feldbusch den „Blobb“ verkaufte oder Boris Becker verblüfft verkündete „Ich bin drin“. Aber es funktioniert, sonst würden wir auch Thomas Gottschalk, Harald Schmidt oder Günter Jauch weniger oft sehen.

4. Commitment und Konsistenz („commitment“): Dieses Prinzip geht in die Richtung „Wer A sagt, muss auch B sagen“. Wir haben ein starkes Bestreben, uns als konsistent wahrzunehmen. Wenn wir uns nicht als konsistent wahrnehmen in unserem Handeln, dann erzeugt das kognitive Dissonanz und das ist unangenehm. Wenn wir also bereits zu einem kleinen Aspekt einer Sache „Ja“ gesagt haben, dann sind wir eher bereit, auch einem Aspekt mit weiter reichender Bedeutung zuzustimmen, z.B. etwas Konkretes dafür zu tun. Verkäufer nennen das die „Fuß-in-der-Tür-Taktik“. Erst geht es um kleine Dinge, zu denen wir leicht „Ja“ sagen können. Dann geht es aber um größere Dinge und es wird schwieriger, sich da heraus zu winden (wir haben schließlich schon einmal zugestimmt…).

5. Sympathie („liking“): Dieses Prinzip entfaltet seine Wirkung, wenn wir von uns bereits bekannten Personen kaufen, oder wenn fremde Personen sich geschickt bei uns einschmeicheln. Wir sind dann viel eher geneigt, „Ja“ zu sagen, denn es ist (quasi) eine befreundete Person, von der wir kaufen. Das Sympathie-Prinzip wird ganz bewusst genutzt bei Tupperware-Parties. Auch Multi-Level-Marketing (MLM), neuerdings auch „Network-Marketing“ genannt, funktioniert so.

6. Soziale Bewährtheit („consensus“): „Das meistverkaufte Produkt“, „der führende Hersteller“, etc. Ja, wenn so viele das kaufen, dann muss es doch gut sein. Da kann ich ja nichts falsch machen… Oder stellen Sie sich einmal vor, wie der Sketch „Dinner for One oder Der neunzigste Geburtstag“ mit Freddie Frinton (an Sylvester Pflicht!) wirken würde, ohne die Lacher, Kiekser, und spitzen Schreie aus dem Publikum! – Es ist einfach so: Wir orientieren uns daran, was andere für gut halten.

die-psychologie-des-uberzeugens.jpgWer mehr darüber wissen möchte, sollte dieses Buch lesen: „Die Psychologie des Überzeugens“ von Robert B. Cialdini. Cialdini bezieht sich nicht nur auf Werbung und Verkauf. Er schildert anhand von zahlreichen Beispielen und Forschungsergebnissen, wie die genannten Prinzipien in vielen Lebensbereichen ihre Wirkung entfalten. Vielleicht häufiger als uns lieb ist reagieren wir automatisch auf bestimmte Reize. Das Durchschauen dieser Mechanismen kann uns dabei helfen, bewusstere und bessere Entscheidungen zu treffen.