Reziprozität – wenn jemand Ihnen eine Cola schenkt

Coca-Cola by James Temple (cc)Der Psychologe Dennis Regan führte 1971 ein Experiment durch. Eine Versuchsperson sollte an einer Studie zum „Kunstverständnis“ mitwirken. Das wahre Experiment hatte jedoch ein anderes Thema. Eine zweite Person im Warteraum war nur scheinbar ein Versuchsteilnehmer, in Wirklichkeit war sie Regans Assistent. Zwei Untersuchungsbedingungen zeigten besonders interessante Ergebnisse. In einigen Fällen tat der Assistent unserer Versuchsperson einen kleinen Gefallen, indem er kurz den Raum verließ, mit zwei Colas zurückkam, und eine Cola der Versuchsperson schenkte. In den anderen Fällen war alles ganz genau so, nur ohne Cola. Später bat der Assistent die Versuchsperson, ihm Lose abzukaufen.

Wenn ich im Seminar die Frage stelle, ob die Anzahl der gekauften Lose sich unterscheidet, dann liegen alle Teilnehmer richtig: Die Versuchspersonen, die vorher eine Cola erhalten hatten, kaufen viel mehr Lose als die anderen, und zwar im Durchschnitt doppelt so viele. Dieses Experiment ist eine Demonstration der Reziprozität.

Was ist Reziprozität?

Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, sich für einen Gefallen erkenntlich zu zeigen. Menschen sind motiviert, für eine Leistung eine Gegenleistung zu erbringen. Wie du mir, so ich dir. Einer hilft dem anderen und umgekehrt. „Du gießt meine Blumen, ich gehe mit deinem Hund gassi“. Das ist das Reziprozitätsprinzip bzw. die Reziprozitätsregel (Prinzip der Gegenseitigkeit).

Warum gibt es Reziprozität?

Auf den ersten Blick erscheint reziprokes Handeln vielleicht als ökonomisch unvernünftig, ja riskant. Ich habe schließlich keine Garantie, dass ich jemals etwas zurückbekomme. Dennoch ist dieses Verhalten rational und zudem etwas zutiefst Menschliches. Warum gibt es also Reziprozität?

Auf diese Frage gibt es zwei Antworten, die zusammen hängen. Die erste Antwort ist eine aus evolutionstheoretischer Sicht. Menschen haben im Laufe der Sozialevolution gelernt, anderen etwas zu schenken und konnten damit rechnen, dass das Geschenk etwas beim anderen bewirkt, dass es also nicht völlig umsonst war. Das hat den Austausch von Ressourcen und Ideen gefördert. Es konnten sich Systeme gegenseitiger Unterstützung und des Handels entwickeln.

Menschliche Gesellschaften haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil von der Reziprozitätsregel. (Robert B. Cialdini)

Die zweite Antwort ist eine auf der Beziehungsebene. Jemand, der sich immer nur geizig, undankbar und egoistisch verhält, wird bald keine Freunde mehr haben. Es geht darum, nicht als Abzocker geächtet zu werden, sondern Vertrauen und Beziehungen aufzubauen.

Fortsetzung: Reziprozität im Praxiseinsatz

9 Antworten auf „Reziprozität – wenn jemand Ihnen eine Cola schenkt“

  1. Davon hat uns unser Lehrer mal in der Schule erzählt. Ein wirklich witziges Experiment!

    Eigentlich wollten wir sowas in der Art damals selbst ausprobieren, aber irgendwie ist es dann doch nicht dazu gekommen. Aber ich glaub auf jeden Fall dran.

    Reiner

  2. Das ist typisch für gegenseitige Gefallen, wenn man einmal seine Freundin bittet beim Umzug zu helfen, dann fühlt man sich für alle Ewigkeit verpflichtet.

  3. Eine gefährliche Seite dieser Reziprozitätsregel ist, dass nicht nur Marketingleute diese für ihre Kampagne einsetzen, sondern Pädophile diesen Effekt beim Kindern versuchen auszunutzen. Daher haben wir unseren Kinder immer gelehrt „An Geschenke sind niemals Bedingungen geknüpft, sonst sind es keine und sind nicht das wert, was sie scheinen“. Wir hoffen sie erinnern sich daran einmal wenn es darauf ankommt. Aber als Erwachsener kennt man ja auch den Reflex, den ein Geschenk oder Gefallen auslöst, irgendetwas dafür zu tun.

    Udo

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