Change the World. From Mail to Phone!

Einer meiner Lektüren zwischen den Jahren 2006 und 2007 war das bereits hier besprochene Buch „Change the world 9 to 5“. Es ist tatsächlich mit bestem britischem Humor geschrieben, häufig muss man schmunzeln und den Kopf nicken. Also eine Freude zu lesen, auch wenn die 50 Tipps sich wohl zusammenfassen lassen können in „Sei nett zu den Menschen“, „Sei nett zu der Umwelt“ und „Beweg Deinen Körper und stärke Dein Bewusstsein“.

Einen Tipp aus dem Buch übernehme ich gerne für das neue Jahr und befördere ihn sozusagen zu einem guten Vorsatz:

„Speak rather than Email.“

Die einfache Begründung der Autoren:

„It’s nicer!“

Meine Überlegungen hierbei sind, dass Kommunikation im Berufsleben eben zwei wichtige Ziele verfolgt. Erstens die Arbeitsziele zu erreichen und zweitens Arbeitsbeziehungen aufzubauen und zu stärken. Bei ersterem Ziel könnte man diskutieren, ob E-Mails gar Vorteile gegenüber dem gesprochenen Wort haben, doch wenn es um Beziehungsaufbau und –stärkung geht, ist ein echtes Gespräch dem E-Mail ganz klar vorzuziehen. Auch im Jahr 2007 wollen wir eher mit echten Menschen in Kontakt treten als mit Bits und Bytes.

Dass das voll und ganz auch für den Business Sektor zutrifft, hat mal ein Verkäufer aus der Flugzeugzulieferindustrie in einen meiner Seminare passend auf den Punkt gebracht:

„Die besten Geschäfte mache ich in der Kneipe!“

Das gilt sicherlich auch für die ganzen virtuellen Networks. Die Frage ist hier, ob wir wirklich Beziehungen aufbauen können, so dass wir mit Menschen auch echte Projekte machen. Im Zuge des StudiVZ-Verkauf an die Verlagsgruppe Holtzbrinck berichtete die Süddeutsche über den Xing-Selbstversuch von Anne Kunze:

Die Journalistin Anne Kunze hat sich vor einigen Monaten mit jeweils anderer Identität auf verschiedenen Plattformen angemeldet, nach einem Job gesucht und gewartet, was sonst so passiert. Ihr Fazit nach drei Wochen: „Open BC ist wie das Leben, viel baggern, bisschen Business“.

Alle meine geschäftlichen Projekte vergangenen Jahres entstanden mehr oder weniger aus persönlichen Kontakten, egal ob ich hier auf der Einkäufer- oder Verkäuferseite stand. Virtuelle Netzwerke sind bestimmt gut, um Kontakte aufrecht zu halten oder in Erinnerung zu rufen, aber um Kontakte mit Vertrauen und Einzigartigkeit zu nähren, dazu braucht es den echten persönlichen Kontakt.

Harald Schmidt sagte mal zu besseren Zeiten seiner Show, er ginge nicht mehr auf Parties. Da ginge man ja eh nur hin, wegen Geschäfte machen und Sex. Da er beides habe, sehe er dazu keine Veranlassung. Vielleicht sitzt er ja gerade am Internet. Ich glaube, ich rufe ihn mal an.

5 Antworten auf „Change the World. From Mail to Phone!“

  1. Als im sog. „sozialen Bereich“ Tätiger kann ich dem Autor dieses Eintrag nur zustimmen; während Internet, v.a. Email und diverse Groupwaresysteme, aber auch Mobiltelefon (statt dem guten alten Telefon) die Arbeitsbeziehungen – gerade über größere Distanzen erheblich erleichtert haben und die Begegnung „Mensch zu Mensch“ in der Kommunikationssituation ein Stück weit ersetzt haben, liegen damit gleichzeitig diverse Fallstricke aus: Im vergangenen Jahr konnten wir im Zusammenhang verschiedener Projektarbeiten, die überwiegend dezentral durchgeführt wurden, mehrfach die Erfahrung machen, wie un-nice Email sein kann und wie gut allen Beteiligten (und dem Prozess selbst) an der einen oder anderen Stelle ein Gespräch ‚Mann zu Mann‘ (dies nur, weil wir ausschließlich Männer Mitglied im Team sind) getan hätte: Die Schriftform zementiert in gewisser Weise eine Kommunikation, bietet zugleich die Möglichkeit, Klarheit zu schaffen, aber auch die Möglichkeit, die eigene Position geschickt zu verschleiern; gerade in sensiblen Phasen einer gem. (Pojekt-)arbeit, in der es auf gute Beziehungen im Team ankommt, sind unserer Erfahrung nach Distanz schaffende Kommunkationsmedien wie Email eher kontraproduktiv bzw. es zeigt sich, dass, wo man im Arbeitsalltag v.a. mit Menschen zu tun hat – und das ist eben nicht nur im „sozialen“ sondern mittlerweile in den meisten Arbeitsbereichen der Fall – die „echte“ Kommunikation durch nichts zu ersetzen und letztlich auch am effizientesten im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ist.
    Ich habe neulich in einerm Café, in de dem ich mich mit einer Kollegin getroffen habe, um ein Jugendprojekt zu planen (der ideale Ort!) eine Postkarte mitgenommen, auf der steht: „Früher hättest Du mich schon längst geküsst!“ – Wir können das hier passend so verdolmetschen: „Früher hättest Du mich schon längst gesprochen!“
    In diesem Sinne: eine gute Woche noch!

  2. Stoppt den Wahnsinn! Erst war es das Radio, dann der Fernseher, in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts (lange her!) die Handys und jetzt ist es das Internet. Stets werden Kommunikationsinnovationen mit Kritik bombardiert und das vorangegangene Medium wird in den Himmel gelobt. Erst ist das Radio der Teufel, dann regt es im Vergleich zum Teufel Fernsehen die Phantasie an, dann ist das Internet ein diabolisches Netzwerk, welches um die Welt gespannt ist und das vom CIA einzig für Spionagezwecke genutzt wird. Und nun sollen wir wieder zum Hörer greifen, statt unsere Eloquenz und Elaboriertheit schriftlich zu dokumentieren. Nö, mache ich nicht.

    „Ich will doch nicht auf dem Klo erreichbar sein!“ hieß es seinerzeit, wenn ein Guck-in-die-Luft alter Schule nonchalant und süffisant lächelnd begründete, warum er kein Handy habe. Heute hat er selbst eins oder zwei und sein Daumen kann einen Muskelzuwachs verzeichnen, seitdem er Beziehungskrisen mit seiner Lebensabschnittsgefährtin (die Dritte seit der Fußball-WM) per SMS austrägt. Ferner meldet er sich gern vom Flughafen, um zu demonstrieren, dass er gleich seinen Flieger bekommen muss. Daneben hat er bei bei OpenBC/XING inzwischen 256 bestätigte Kontakte und sogar 24.523 Kontakte zweiten Grades. In diesem Poserforum jungliberaler Karriereschnösel stellt er sogar seinen kompletten Lebenslauf. Und das in einem Land, in dem man inzwischen aus Datenschutzgründen schon Angst vor einem Eintrag ins Telefonbuch hat. Das könnte ja missbraucht werden. Nicht, dass am Ende noch einer anruft. Sich der unerbittlichen Geschäftsknute der Betreiber beugend, zahlen die meisten für die Premium-Mitgliedschaft, damit sie jederzeit sehen können, wer auf ihrem Profil war. Schließlich will kontrolliert werden, wer der zahlreichen Mitglieder die eigene Selbstdarstellung betrachtet hat. Und dann wird genetworkt. Erstmal Freunde, dann Freunde der Freunde und dann Leute, denen man auf einer Party mal zugeprostet hat. Die ruft man besser nicht an, denen schreibt man lieber. Email ist also inzwischen nicht mehr Email, sondern hat schon sehr komplexe Formen angenommen, wenn man die Networking-Soße betrachtet.

    Ich komme vom Thema ab. Worum ging es nochmal? Ach ja, ich soll wieder mehr telefonieren, statt zu simsen und zu emailen. Ich schreibe aber so gern, und ich will ja auch nicht anrufen, weil ich ja stören könnte. Vielleicht sitzt der ja tatsächlich gerade auf dem Klo. Tatsächlich klingelt mein Telefon weniger als früher. Dafür habe ich jeden Morgen etliche private Emails, die ich gern beantworte, um mich vor der Arbeit zu drücken. Privat pflege ich jetzt mehr Kontakte als je zuvor. Der Teufel Internet macht es möglich. Geschäftlich bin ich bisweilen überfordert, da es eine CC-Sucht zu geben scheint. „Den kopiere ich besser ein, dann kann er nicht sagen, er hätte von nichts gewusst.“ Je höher man auf der Hierachie eines Unternehmens steht, desto mehr CC-Mails bekommt man. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

    Na schön, ich bringe es auf den Punkt; und zwar auf meinen eigenen: Genauso wie das Fernsehen die Dummen dümmer und die Schlauen schlauer macht, kann jeder durch den richtigen Einsatz von Email und Telefon ein Optimum in seiner privaten und geschäftlichen Kommunikation erreichen. Auch die Mitglieder von OpenBC/XING. Ich verlange eine wissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema von einem Kommunikationswissenschaftler!

  3. Lieber Victor, vielen Dank für Ihren elaborierten und mit Verve geschriebenen Beitrag. Und ich kann vielen Ihrer Punkte nur zustimmen, allerdings suggeriert Ihre „schriftliche Dokumentation der Eloquenz“ mit Aussagen wie „Stoppt den Wahnsinn“ und „Nö, da mache ich nicht mit!“ einen Meinungsverschiedenheit zu dem Beitrag „Change the World. From Mail to Phone!“ Und da möchte ich noch mal klarstellen, dass es mir hier nicht um eine Verteufelung von E-Mails geht. Der Tipp des Buches heißt ja auch “Speak RATHER than E-Mail”. Also eher mal anrufen. Warum? Weil man wirkliche, echte, direkte Antworten bekommt. Diese Aussage schließt natürlich nicht aus, dass das E-Mail andere, neue tolle aufregende Möglichkeiten der Kommunikation bietet. So habe ich beispielsweise folgende E-Mail nach Veröffentlichung des Artikels erhalten:

    „Ich wollte Deine Empfehlung im Blog direkt in die Tat umsetzen und Dich direkt anrufen, anstatt eine Mail zu schreiben und habe so auch gleich die Tücken der Praxis eines theoretisch guten Gedankens kennenlernen dürfen – nämlich das durch eMail entschärfte Problem der gleichzeitigen Verfügbarkeit der beteiligten Kommunikationspartner.“

    Und wem das noch nicht genug ist, dem sei der folgende Beitrag aus dem work-innovation Blog empfohlen, bei dem Vor- und Nachteile von Instant Messaging und E-Mail abgewägt werden: http://www.work-innovation.de/blog/2007/01/09/instant-messaging-vs-e-mail/
    Rufen Sie mich doch mal an, lieber Victor. Meine Nummer finden Sie unter: http://www.gentinex.de/unternehmen/

  4. Hallo Jens,

    Dein Artikel im Blog hat weitere Nachwirkungen:

    Ich habe zwei Signaturen für eMails – eine kurze für interne Mails und
    Antworten an Leute, die mich kennen. Und eine lange für externe Mails und
    Leute, die mich (noch) nicht kennen.

    Die kurze Signatur besteht nur aus Gruß und meinem Namen, die lange Version
    ist komplett mit Abteilungsbezeichnung, Rufnummern etc. pp.

    Aufgrund der Beschäftigung mit dem Thema „Ruf doch mal an“ habe ich jetzt
    der kurzen Signatur meine Telefon- und Faxnummer hinzugefügt, damit der
    Empfänger mich ggf. auch direkt anrufen kann, wenn er Fragen zu meiner Mail
    hat.

    Zwar kam mir die kurze Signatur von Anfang an etwas „sehr kurz“ vor, doch
    bis heute war mir nicht bewußt, was fehlte.

    Danke für den Anstoß, mal wieder über den Status Quo nachzudenken und sich
    selbst kritisch zu betrachten! Zwar tue ich das an sich schon sehr häufig
    (bin schließlich Sternzeichen Zwilling ;), aber manchmal braucht es einen
    Impuls von außen, um bestimmte Dinge tatsächlich zu erkennen.

    In diesem Sinne wünsche ich Dir ein schönes und kommunikatives Wochenende!

    Liebe Grüße
    Ralph
    (der diesesmal bewußt den Weg der non-akustischen Kommunikation gewählt hat)

    P.S.: Ein sehr schöner Beitrag von Victor – (fast) ungeteilte Zustimmung! Ich sage „fast“, weil ich mich ein wenig am Schlußabsatz stoße:

    „[…] kann jeder durch den richtigen Einsatz von Email und Telefon ein Optimum in seiner privaten und geschäftlichen Kommunikation erreichen […]“

    Lieber Victor – bitte nimm das jetzt nicht persönlich!

    Aber es nervt allmählich, ÜBERALL optimieren zu sollen oder zu wollen! Ich will mein Kommunikationsverhalten bewußt NICHT optimieren! Im Gegenteil – ich genieße es, unoptimiert zu leben! Ich plane meine (Frei)Zeit NICHT (viertel)stundenweise, damit ich am Wochenende oder nach Feierabend auch ja die Wohnung geputzt, die Wäsche gewaschen und gebügelt, den Einkauf erledigt und alle wichtigen Telefonate durchgeführt bekomme!

    Es ist schon schlimm genug, daß man auf der Arbeit seine Arbeit ständig optimieren muß, um seine Zeit optimal auszunutzen (wobei das „Optimum“ ja ohnehin sehr subjektiv ist – und so war es vermutlich auch von Victor gemeint).

    Trotzdem nehme ich mir lieber die Natur zum Vorbild: Ein Kirschblaum blüht mit tausenden Blüten völlig unoptimiert, Fische und andere Tierarten vermehren sich völlig unoptimiert mittels tausender Eier je Vorgang, eine Wiese hat eine verschwenderische Vielfalt, die völlig unoptimiert ist und schon die Artenvielfalt an sich ist streng genommen „unoptimiert“ im klassischen menschlichen Verständnis.

    Auf die Spitze getrieben müßte ich jede Nahrungsaufnahme auf die intravenöse Zufuhr von Nährstoffen beschränken und vor jedem bewußten Kommunikationsvorgang eine blitzschnelle Aufwand-/Nutzen-Analyse durchführen…

    Nee – da bleibe ich lieber chaotisch-unoptimiert und kommuniziere mal zu viel und mal zu wenig, ganz so, wie es mir im Moment gefällt, und esse und trinke mit Genuss! Chaos ist der Nährboden für Kreativität! (wobei ich beinahe darauf warte, daß irgendein gründlicher Deutscher aufgrund dieser Erkenntnis versucht, das Chaos zu optimieren 😉

    So – das mußte ich mir einfach mal von der Seele schreiben! Vielen Dank fürs Lesen – selbst wenn es nur ein oder zwei Personen gewesen sein sollten und ein schönes Wochenende…

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