„Männer sind vom Mars. Frauen von der Venus.“, so ein Bestseller der Ratgeberliteratur. Allein dieser Titel hat eine Reihe von Trittbrettfahrerprodukten hervorgerufen. Die amazon.de Suche „frauen venus männer mars“ ergibt 14 Titel als Ergebnis. Andere Bestseller erklären uns, „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ oder „Warum Männer lügen und Frauen immer Schuhe kaufen“. Das ist populär, das verkauft sich gut. Klischees werden damit weiter verstärkt. Aber wie sieht es aus, wenn einige der in solchen Büchern aufgestellten Behauptungen auf den Prüfstand gestellt werden?
Ich stelle folgende Thesen auf: Die in der Ratgeberliteratur beschworenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind geringer als von den Autoren dargestellt und allgemein angenommen. Die Unterschiede zwischen einzelnen Individuen sind viel größer als die zwischen den Geschlechtern. Eine neue Studie zum Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen gibt mir Recht.
Eine verbreitete Annahme ist, dass Frauen viel mehr reden als Männer. Die wissenschaftliche Basis für diese Behauptung ist sehr dünn. Wahrscheinlich geht der Mythos, dass Frauen drei mal soviel reden wie Männer, auf die US-amerikanische Neurologin Louann Brizendine zurück. Sie schrieb in ihrem Buch „Das weibliche Gehirn“, Frauen verwendeten pro Tag etwa 20.000 Worte, bei Männern seien es rund 7.000.
Bisher wurden aber in keiner Studie die tatsächlichen Gespräche über eine längere Zeit aufgenommen. Einen neuen Ansatz haben Matthias R. Mehl und seine Kollegen. Das Team um den deutschen Psychologen hat zwischen 1998 und 2004 fast 400 Studenten aus den USA und Mexiko untersucht – mit einem selbst entwickelten Spezialrekorder, der die Gespräche aufzeichnet. Ergebnis der Studie (veröffentlicht in Science: „Are Women Really More Talkative Than Men?“, empfehlenswert der Artikel auf SPIEGEL ONLINE): Männer und Frauen sprechen im Durchschnitt ungefähr gleich viel, etwa 16.000 Wörter pro Tag. Es gibt große Unterschiede zwischen einzelnen Menschen (in beiden Geschlechtern gibt es Schweigsame und Vielredner), aber nicht zwischen den Geschlechtern.
Mythos: Frauen reden dreimal so viel wie Männer.
Status: Zerstört.
Toller Beitrag, der wieder einmal ein paar Stereotypen ad absurdum führt. Irgendwo habe ich auch mal einen wissenschaftlichen Beitrag gelesen, der den Grund für ein „vermehrtes sprachliches Mitteilungsbedürfnis“ herausgefunden. Fazit dieses Berichts war jedenfalls: Nicht das Geschlecht, sondern das Verhältnis zwischen linker und rechter Gehirnhälfte sind dafür ausschlaggebend. Will heißen, dass ein eher linkshirnig geprägter Mensch (Fakten, Zahlen, Analytisches etc.) eher NICHT Vielredner ist. Jene, die ihre Stärken eher auf der rechten Gehirnhälfte haben (Intuition, Erinnern an große Zusammenhänge, körpersprachliche Details und eben das SPRACH-Zentrum), sind eher in diese Kategorie einzuordnen.
Auch die Linguistin Deborah Tannen argumentiert mit Recht genau in diese Richtung! Im Klassiker “You Just Don’t Understand: Women and Men in Conversation” analysiert sie dann über die Quantität hinaus die Sprach-STILE von Frauen und Männern. Das Ergebnis: Im Sprachstil gibt es sehr wohl Unterschiede, die sie allerdings mit voller Absicht nicht bewertet! Sie erklärt diese Unterschiede grob gesagt damit, dass schon Jungs untereinander sich deutlich anders unterhalten als Mädchen untereinander.
Danke für den Hinweis. Die Begründung von Tannen finde ich lustig. Männer und Frauen kommunizieren anders, weil Mädchen und Jungen anders kommunizieren, ok. Und warum unterhalten sich Mädchen und Jungen anders?
Zum Thema „unterschiedliche Stile“ haben wir auch mal eine Untersuchung gemacht: Weltfrauenkommunikation
Die Unterschiede in den Stilen gibt es (rechtfertigen aber noch lange nicht die reißerischen Aussagen wie „Männer hören nicht zu“).
Da war ich ja wirklich zu „grob“! Deborah Tannen im Original: „Der soziolinguistische Ansatz dieses Buches zeigt, dass es oft zu Reibungen kommt, weil Jungen und Mädchen im Grunde in verschiedenen Kulturen aufwachsen, so dass das Gespräch zwischen Frauen und Männern zur interkulturellen Kommunikation wird.“
„Jungen spielen eher im Freien, in großen Gruppen, die hierarchisch strukturiert sind.“ „Mädchen hingegen spielen in kleinen Gruppen oder zu zweit, im Mittelpunkt des sozialen Lebens eines Mädchens steht die beste Freundin.“
„Obwohl jeder Mensch sowohl das Bedürfnis nach Intimität als auch nach Unabhängigkeit hat, sind Frauen eher auf ersteres und Männer eher auf letzteres fixiert.“ „Intimität ist der Schlüssel in einer Beziehungswelt … In einer Statuswelt ist Unabhängigkeit der Schlüssel“.
Vielleicht gar nicht so weit weg von Ihrer Untersuchung zum Weltfrauentag.
Ihr Eintrag hat mich jedenfalls animiert, mir noch mal Tannens Folge-Buch „Talking from 9 to 5. Women and Men in the Workplace: Language, Sex and Power“ aus dem Bücherregal zu holen. Ich kann mich schon gar nicht mehr richtig dran erinnern …