Interview mit Management-Coach Bernhard Schulwitz

DSC_0051_korrigiert  neuneugrossChange Management ist in aller Munde. Wir unterhalten uns mit dem Experten für Change-Prozesse, Diplom-Psychologe und Management-Coach Bernhard Schulwitz. Bernhard Schulwitz berät Führungskräfte und Leistungssportler zu Themen wie „Motivation“ „Veränderung“ und „mentale Stärke“. Außerdem arbeitet er nach seinem „persönlichen Change“ seit 2014 auch als Psychotherapeut und behandelt Manager und andere Personen mit Anpassungs- und Angststörungen, somatoformen und anderen psychischen Erkrankungen erfolgreich; seit 2016 in der Privatklinik Via-Mentis in Düsseldorf.

Herr Schulwitz, wie definieren Sie Change?

Change ist die in jedem Menschen vorhandene Fähigkeit, sein Potenzial auszuschöpfen, sich auf Veränderungen im Außen und im Innen einzustellen und seine persönlichen Ziele als Mensch sowie auch berufliche oder sportliche Ziele zu erreichen; zum Beispiel „Olympiasieger im Fechten“ zu werden oder „Vorstand in einem Dax-Unternehmen“.

Das hört sich nach „alles ist möglich“ an.

Das ist es auch; nur meistens sind die Ziele anders ausgelegt. Die meisten Menschen wollen ein normales glückliches Leben führen mit Familie, Urlaub und Zufriedenheit.

Wie kommt jetzt Change ins Spiel?

Change ist normal, gehört einfach zum Leben dazu und kann – insbesondere bei grundlegenden Veränderungsprozessen – ich sage lieber „Weiter-Entwicklungsprozessen“ verschiedene Ursachen haben. „Veränderungen im Außen“ und „das falsche Leben“, so kann man es nennen, sind die häufigsten Ursachen.

Erläutern Sie dies bitte genauer.

Veränderungen werden häufig dadurch ausgelöst, dass Faktoren, die vorher verlässlich waren, wegbrechen; zum Beispiel: „Umzug des Arbeitgebers von Köln nach Ungarn“ oder „der Hauptkunde orientiert sich anderweitig“. Andere Gründe sind:
„Neue Technologien, die bisherige Produkte wertlos machen“, „Veränderungen in der Umwelt“, „politische Ereignisse“ oder „die Stammkneipe an der Ecke macht zu“. Dies alles und die Zusammenhänge kann man in der Zeitung lesen.
In der Regel sind diese Ereignisse aber nur die Auslöser, die Menschen dazu bringen, sich mit den eigenen Lebenszielen und Werten ernsthaft auseinander zu setzen. Denn dass Rahmenbedingungen sich ändern und man darauf vorbereitet sein muss, ist altbekannt und nichts neues.
Das spannende liegt in der Auseinandersetzung mit sich selbst.

Wie meinen Sie das?

Die Frage, was ist für mein Leben wichtig, ist für jeden Menschen – bewusst oder unbewusst – elementar und die Beantwortung kann schwierig oder auch einfach sein. Auf jeden Fall wird Stärke und Energie freigesetzt, wenn Antworten da sind. Eigene Ressourcen werden entdeckt, bedeutsame Lebensereignisse oder wichtige Menschen.
Die Lösungen sind immer da; sie zu sehen und den Mut zu haben, sein Handeln daran zu orientieren; das ist die Aufgabe.

Die Lösungen sind immer da. Was heisst das?

Für jedes Problem gibt es mindestens eine Lösung. Der Fokus sollte darauf gerichtet werden, diese zu finden. Nur ein kleines Beispiel: nach meinem Studium habe ich versucht, meinem damaligen Ziel „Personalentwickler zu werden“ näher zu kommen, war anfangs aber nicht erfolgreich mit meinen Bewerbungen. Die gedankliche Auseinandersetzung, mit dem was verändert werden musste, war hilfreich, reichte aber noch nicht aus, den Traumjob zu finden. Auf einer Wanderung in Südtirol kam die Lösung. Das Bild, die Idee war schon in meinem Inneren. Es zu sehen, zu fassen und zu benennen, das war die Kunst. Danach die Idee umzusetzen, war vergleichsweise einfach.
In der Psychologie heisst dieses Phänomen „priming“. In unserem Gehirn gibt es Wissen, Erfahrungen und Ressourcen. Dies alles ist abgespeichert, manchmal aber nicht miteinander verbunden und so nicht abrufbar.
Durch gezielte mentale Prozesse kann die Fähigkeit, dieses Wissen abzurufen, verbessert werden und man ist in schwierigen Situationen schneller, leistungsfähiger und besser. Spitzensportler trainieren dies gezielt. Die Fähigkeit, sein Potenzial abzurufen, wenn es darauf ankommt. So schießt Christiano Ronaldo mehr als 100 Tore in der Champions League oder gewinnt Roger Federer als 35-jähriger das Grand Slam Finale in Australien. Man spricht von „antizipieren“; richtiger ist: es ist schon viele Male vorgedacht – der Fokus geht auf die eigenen Stärken, die Polung ist positiv und auf Handeln ausgerichtet. So sind Chancen und richtige Handlungsweisen leichter erkennbar oder – im sportlichen Bereich – entscheidende Bewegungsabläufe im richtigen Moment ausführbar. Lernen kann das jeder; jede Führungskraft, jeder Verkäufer, jeder der etwas für sich erreichen möchte.

Vielen Dank Herr Schulwitz.

Survival Handbuch Führung

Stefan Gatt FührungManagement Bücher bestehen häufig aus den immer gleichen Konzepten: Blake und Mouton, Eisenhower oder Hersey und Blanchard. Ja, und Management Bücher haben die Eigenschaft der extremen Redundanz, so dass sie auf einer DIN A 4 Seite ohne größeren Informationsverlust zusammengefasst werden können. Und wenn es ganz schlecht kommt, haben Management Bücher keine greifbaren und nachvollziehbaren Beispiele und die ewigen Management Konzepte zappeln im luftleeren Raum.
Das „Survival Handbuch Führung“ von Stefan Gatt sticht hier heraus. Zwar stellen sich auch hier auch die üblichen Management Konzepte eines nach dem anderen artig vor, aber Stefan Gatt hat ein unglaubliches Ass im Ärmel. Er dekliniert diese Konzepte anhand von Bergbesteigungen. Stefan Gatt agiert nicht nur als Coach für Führungskräfte, sondern auch als Expeditionsleiter und führt Menschen an die höchsten Gipfel dieser Erde.

So schreibt er nicht (nur) davon, wie wichtig Visionen sind und dass sie motivierend sind. Sondern er lässt uns an seiner Vision teilhaben, als erster Mensch vom Gipfel des Mount Everest ohne Zusatzsauerstoff mit dem Snowboard abzufahren. Bei ihm klingt das so:

Ich auf dem Gipfel.
Strahlendes Blau rundum.
Geschafft.
Ich bin da.
Ich lege eine neue Spur mit meiner Snowboardabfahrt.
Ich schaffe, dadurch etwas, was noch nie jemand vor mir getan hat.

Die Vison wurde Wirklichkeit. Laut Wikipedia, ist er…

…der erste und bislang auch einzige, der vom Gipfel ohne Zusatzsauerstoff mit dem Snowboard abgefahren ist.

Falls Sie, lieber Leser, ein Teilnehmer unseres Positiv Beeinflussen Seminars sind, klingt das doch stark nach Begeistern.

Und für alle Leser gilt, „Survival Handbuch Führung“ ist ein spannendes Management Buch, mit  lebendigen und nachvollziehbaren teils atemberaubenden Beispielen. Viel Spaß dabei.

Digitale Kommunikation: Hasskommentare sehr gut getestet

Die Stiftung Warentest steht für Sachorientierung. Seit über fünf Jahrzehnten werden Produkte und Dienstleistungen in transparenten Verfahren auf Herz und Nieren geprüft.

Hasskommentare stehen für negative emotionale Orientierung. Seit über einem Jahrzehnt schreiben Menschen unreflektiert knackige Zweizeiler mit Rechtschreibfehlern und vielen Ausrufezeichen. Der Inhalt liefert häufig eine respektlose Abwertung einer Meinung, eines Menschen oder einer Institution.

Was passiert nun, wenn diese beiden Orientierungen auf der Facebook Seite der Stiftung Warentest aufeinandertreffen? Ein schönes psychologisches Experiment zur digitalen Kommunikation.  Und die Erkenntnis, dass die Regeln der analogen Kommunikation auch in der digitalen Kommunikation gelten.

Die Großzahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Kommunikationsseminaren kennen das 4-Ohren Prinzip von Schulz von Thun. Nachrichten können auf vier verschiedene Weisen gehört werden: Mit dem Sach-, mit dem Beziehungs-, mit dem Appell- und mit dem Selbstkundgabe-Ohr. Aus dem Konfliktmanagement wissen wir, dass konfliktträchtiges Hören häufig durch ein zu großes Beziehungs- oder Appellohr begünstigt wird. Die Betreuer der Stiftung Warentest Facebook Seite haben es sich zur Aufgabe gemacht, alle negativ emotionalen Kommentare mit dem Sach-Ohr zu hören und sachlich darauf zu reagieren.

Stiftung Warentest nennt Ihr Vorgehen in den digitalen Medien Debunking. Dem emotionalisierten Verdacht mit Fakten und Studien begegnen und Quellen oder konkrete Vorschläge von den Kommentarschreibern verlangen.

Stiftung Warentest zeigt, dass noch eine weitere analoge kommunikative Wahrheit für die digitale Kommunikation stimmt. Das Vermeiden von Kommunikation und Aussitzen von Problemen ist zu vermeiden:

USER KOMMENTAR: Ist Euch einmal aufgefallen das solche Leute sich im Angesicht suhlen wenn IHR darauf antwortet. Darauf warten solche Leute nur !!! Was hilft –einfach ignorieren— und fertig.

Stiftung Warentest: Die empirische Erfahrung zeigt was anderes. Überlässt man den Hetzern und Trollen die Kommentarspalten, schaukeln die sich nur gegenseitig hoch. Aktive Gegenrede lässt sie meist sehr schnell sehr kleinlaut werden.

Radikale Aufrichtigkeit (Radical Candor)

Ach Amerika, was können wir alles von Dir lernen? Zum Beispiel wie Du aus einem Turnschuh mit einem Materialwert von 8 € mittels Marketing 140 € erzielst und wie Du mit der Idee mp3 wirklich Geld verdienst. Und jetzt dürfen wir wieder lernen, wie wir konfrontatives Feedback einsetzen, um Karrieren positiv zu gestalten.

Aber der Reihe nach: Kim Scott war Mitarbeiterin von der google Topmanagerin Sheryl Sandberg, die mit ihrem Buch „Lean in“ reüssierte. Kim Scott hatte einen Vortrag bei den CEOs von google, in dem sie über ihre Erfolge berichtete. Larry Page und Eric Schmidt waren außer sich vor Freude (Selbstauskunft: Kim Scott) und fragten, welche Ressourcen, liebe Kim, können wir dir noch geben, damit der Erfolg mit deinem Projekt einfach so weitergeht.

Kim war stolz und glücklich nach dem Meeting, dem auch Sheryl Sandberg beiwohnte. Sheryl gab ihr Feedback. Zunächst zu den tollen Ergebnissen, dann auch etwas, was Kim verbessern könne: „Du benutzt sehr viel ähs während deinem Vortrag.“ Puh, das war zunächst eine Erleichterung für Kim. Sie spielte das Feedback herunter. Was sind die paar ähs gegenüber dem ausschweifenden Lob von Larry und Eric.

Als Sandberg sah, dass ihr Feedback nicht bei ihrer Mitarbeiterin ankam, schaltete sie einen Gang höher und sagte: „Wenn jedes dritte Wort von dir ähm ist, dann klingt das dumm.“

Bumm, das hat gesessen. Jetzt war die Aufmerksamkeit da und Kim hatte etwas zu knabbern. Und wenn man den Geschichten aus dem Silicon Valley glauben darf, liefen eine Heerschar an Sprachtrainerin und Kommunikationspsychologen bei Kim Scott auf und halfen ihr, dass sie heute die Vorträge so einwadfrei ohne „Äh“-Unterbrechung durchziehen kann, wie wir es unten im Video sehen dürfen.

Diese Art von Feedback nennt Kim Scott  nun Radical Candor (Radikale Aufrichtigkeit). Wichtig ist, dass a) eine direkte Konfrontation stattfindet und b) eine persönliche Anteilnahme des Feedbackgebers für die Weiterentwicklung des Feedbacknehmers vorhanden ist.

Aus diesen Prämissen entsteht sogleich ein 4-Felder Schema:
Radical Candor
Die anderen Felder lassen sich wie folgt erklären.

Hohe Direkte Konfrontation und wenig Persönliche Anteilnahme führt zur Unausstehlichen Aggression. Der vermeintliche Feedbackgeber ist auf Krawall gebürstet und verletzend, ein offener Aggressor.

Wenig Direkte Konfrontation und wenig Persönliche Anteilnahme führt zur Manipulativen Unaufrichtigkeit. Hier haben wir jemanden, der hintenherum, verdeckt der anderen Person Schaden zufügt. Beispielsweise werden relevante Informationen nicht weitergeben oder es wird in Abwesenheit schlecht über die Person gesprochen. Solche Verhaltensweisen verursachen sogenannte „kalte Konflikte“.

Wenig Direkte Konfrontation und hohe Persönliche Anteilnahme führt zur Schädlichen Empathie. Hier ist dem vermeintlichen Feedbackgeber ein anderer Mensch wichtig, aber der Feedbackgeber hat nicht den Mut, die Person zu konfrontieren, aus Angst, er könnte sie verletzen. So erfährt die Person nicht, in welchen Verhaltensweisen sie sich weiterentwickeln kann, und fährt womöglich mit ihrem beschränkten Repertoire an Verhaltensweisen irgendwann einmal gegen die Wand.

Der Königsweg – laut Scott – ist hohe „Direkte Konfrontation“ und hohe „Persönliche Anteilnahme“: Die Radikale Aufrichtigkeit.

Doch sehen und staunen Sie selbst:

5 Listen, um Ihre Soft Skills zu verbessern

Welche Informationen, die aus dem Internet quellen, lasse ich in mein Hirn (und wie tief da hinein) und welche klicke ich einfach weg?

Gelesen werden Posts, wenn die ersten 20 Worte interessant sind, wenn der Post von jemandem ist, den ich kenne oder mir der Post empfohlen wurde.

Oder die Überschrift des Posts verspricht – manchmal auch über die Grenze des marktschreierischen hinaus – schnelle, strukturierte Informationen, die Ihr Leben verbessern.

Hier die in der Überschrift versprochenen Liste:

90 Tips For Better Public SpeakingSkills (gesehen bei https://twitter.com/ekuaodoi)

10 Tipps wie Sie schneller denken (gesehen bei http://karrierebibel.de)

5 S words can take your Social Selling presence up a notch (gesehen bei https://twitter.com/IvonaSto)

5 Wege mit einem John Wayne Boss umzugehen (gesehen bei https://twitter.com/ManagementRadio)

5  TEDTalks that celebrate lifelong learning

Gehirnflüsterer

Ich halte ein Buch im Laden Gehirnflüsterer in der Hand „Gehirnflüsterer! Die Fähigkeit, andere zu beeinflussen.“ Das ist mal eine Ansage. Ich kaufe es. Später sehe ich, dass der englische Titel „Flipnosis: The Art of Split-Second Persuasion” heißt.

Ist da schon die erste Beeinflussung oder gar Manipulation? Ich assoziiere mit den Begriffen „Fähigkeit“ und „Beeinflussung“ langfristige Eigenschaften. Während die Split-Second bereits jetzt genau schon um ist. Es ist die alte Frage, wann können wir von Beeinflussung sprechen? Und wann von Manipulation?

Die Fähigkeit zu beeinflussen, so wie der Titel suggeriert, ist es, seine Ziele auf kommunikative Weise derart zu erreichen, dass die Beziehung zu der Person, mit der ich kommuniziere zumindest intakt bleibt, wenn nicht sogar verbessert wird. Die zahllosen Geschichten allerdings, die der Autor Kevin Dutton anführt, sind meist aus dem Bereich der Manipulation. Also gegen den eigentlichen Willen der Zielperson bewirkt durch mangelnde Information, Überrumpelung  oder Falschaussage. Als Beispiele wie das „Gehirnflüstern“ funktioniert, führt Dutton Trickbetrüger, Zauberer und Psychopathen an. Sicherlich keine Typen, die sich um eine langfristige Beziehung bemühen, sondern nur um den schnellen Gewinn im Moment.

Der Autor führt unglaublich viele Experimente auf und erzählt uns eine Story nach der anderen, ohne dass ich immer nachvollziehen konnte, welche Aussage er damit belegen möchte. Irgendwann fragte ich mich, was hier der theoretische Überbau ist und endlich auf Seite 203 nennt er fünf Faktoren, die relevant seien für die Beeinflussung:
1.    Einfachheit
2.    Gefühltes Eigeninteresse
3.    Überraschungseffekt
4.    Selbstvertrauen
5.    Empathie

Leider fehlen zu diesen fünf Faktoren Definitionen oder zu mindestens Beschreibungen, wie sie auf die Beeinflussung wirken. Zu jedem dieser Faktoren gibt es wieder Beispiele, die keinen allzu großen Bezug dazu hatten, so dass sich der Eindruck aufdrängt, diese fünf Faktoren wurden gewählt, weil sie im Englischen das Akronym SPICE bilden (Simplicity, Perceived Self-Interest, Incongruity, Confidence, Empathy).

Ärgerlich ist auch, dass wieder einmal in einem populärpsychologischen Buch die Merhabian Studie aus dem Kontext heraus falsch generalisiert wird.  Der Autor schreibt, dass „der Anteil, mit dem Blickkontakte in einem Gespräch zur Übermittlung von Botschaften beitragen, 55 % [sei] ; 38 % bewirkt das nonverbal Gehörte und nur sieben Prozent der verbale Inhalt“. Das hätte ein promovierter Psychologe besser wissen müssen.

Meine Besprechung des Buches fällt aufgrund des Untertitels (Die Fähigkeit , andere zu beeinflussen) des Buches so negativ aus. Hier geht es nicht um Beeinflussung, geschweige kann die Fähigkeit zu beeinflussen durch das Buch verbessert werden. Im weitesten Sinne liegt hier eine Manipulation vor. Ich habe das Buch gekauft unter einer falschen Annahme. Ein kurzfristiger Gewinn, aber keine langfristige Weiterempfehlung. Die Kritik wäre besser ausgefallen, hätte das Buch den Titel „Eine Anekdote nach der anderen aus dem Umfeld der Psychologie“. Gekauft hätte ich es wahrscheinlich nicht.

Collaboration kills the E-Mail Star

Ein anstrengender Kollege kommt aus dem Urlaub zurück und sagt mit weitaufgerissenen Augen: „Ich habe 700 Mails in der Inbox!“.  Was wird da denn als adäquate Reaktion erwartet? „Oh, toll!“?  Was ist denn die Message? Was ist der Untertitel. Das unreflektierte Bedürfnis nach Wichtigkeit? Die natürliche Reaktion ist inneres Augenrollen. „…und das mit dem CC nervt auch.“ höre ich noch. First World Problems?
Um solche Unannehmlichkeiten – sowohl die 700 Mails, als auch sich das Gejammer darüber anzuhören – zu vermeiden, könnte der Leidgeplagte seine Arbeitsweise ändern. Statt E-Mails benutze doch Collaboration as it’s finest. Sehen Sie selbst:

… und ständig tickt die Selbstwertbombe

... und ständig tickt die SelbstwertbombeWie viele persönliche Probleme werden in den Arbeitsalltag mithineingetragen? Vermutlich eine große Menge. Um wie viel einfacher ist die Arbeit, wenn man sich selbst ziemlich in Ordnung findet ohne überhebliche Arroganz auszustrahlen? Wie viel Mühe und Anstrengung kostet jedes Gespräch, jeder unvermeidliche berufliche Konflikt, wenn das eigene Selbst ständig in Frage gestellt wird?

Woher kommen all diese Selbstzweifel und was kann der Zweifelgeplagte dagegen machen? Das sind Fragen, die Harlich H. Stavemann in seinem gerade erschienen Hörbuch  „… und ständig tickt die Selbstwertbombe: Selbstwertprobleme erkennen und lösen“ beantwortet.

Dysfunktionale Selbstkonzepte entstehen häufig durch Pauschalisierungen.  Dann verallgemeinern Selbstwertbestimmungen die Konsequenz von singulären Ereignissen.

Wenn ich die Prüfung nicht schaffe, bin ich nichts wert.
Wenn mir bei dem Vortrag niemand zuhört, dann bin ich nicht interessant.

Andere Selbstwertbestimmungen entstehen durch die Vorstellung, was dritte machen oder wollen. Dadurch macht sich derjenige mit einem dysfunktionalen Selbstwert abhängig von anderen und hat sein eigenen Selbstwert nicht mehr unter Kontrolle:

Ich kann niemanden etwas bieten.
Die anderen sind stets viel cleverer als ich.
Ich kann mich bei anderen nie durchsetzen.

Stavemann beschreibt ein mögliches  Umlernen solcher schädlichen Selbstwertbestimmungen und bedient sich dabei der kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei rät er typische Problemsituationen zu sammeln, in denen das negative  Selbstkonzept aktiviert wird und einem gewünschten Verhalten im Wege steht. Dann werden neue, passendere Selbstwertbestimmungen entwickelt. Also unter anderem vormals starre und schädliche Selbstwertbestimmungen in veränderbare Konzepte überführt. Folgende Beispiele werden genannt:

Ich bin ein Versager – Ich habe in dieser Situation versagt.
Ich bin ein Angsthase – Ich habe mich davor  gefürchtet.
Ich bin das allerletzte – Das mag ich nicht an mir.

Im Geiste sollen dann Situation mit dem neuen Selbstkonzept durchgespielt werden. Dabei wird ein inneres Drehbuch angelegt. Steht das, geht es zu den Life-Übungen. Hierfür stellt der Autor einen 7-Schritte Plan dar:

1.    Sorgfältige Vorbereitung der Life-Übung.
2.    Konkrete Übungsplanung und gezieltes Herangehen
3.    Das innere Drehbuch beachten.
4.    Notfalls Gedankenstopps einlegen.
5.    Zeit für die Selbstreflexion nehmen.
6.    Übung zu Ende führen.
7.    Nachbereitung und Bewertung der Übung.

Das Hörbuch ist insgesamt gut aufgebaut und deckt die wesentlichen Erkenntnisse der Selbstwertproblematik ab. Natürlich ist das Hören ein guter Anlass auch mal wieder über seine eigenen Selbstkonzepte nachzudenken.

Gestört haben mich einige zähe Stellen, in denen Selbstverständlichkeiten lange ausgebreitet werden.  Die mittlerweile erwachsene MTV Generation und die aktuelle ADHS Generation hätten unter Umständen das ein oder andere Mal vorgespult und würden so auf ihren Selbstwertproblemen sitzen bleiben.

Mit Misserfolgen umgehen

Die Managementliteratur belehrt uns, dass Misserfolge gleich wie Erfolge als Lernerfahrungen genutzt werden sollen. Was würde ich in einer ähnlichen Situation anders machen, persönliche Verantwortungsübernahme für den eigenen Anteil des Misserfolges und das tatsächliche Umsetzen der neuen Erfahrung.

Das ist natürlich alles gut und schön und soweit richtig. Aber, was ist mit dem Moment des Realisierens: Hier läuft was falsch, hier komme ich nicht weiter, das ging in die Hose. Wie gehe ich denn damit um?

In der von Jürgen Hellmann inszenierten irrsinnigen Geniestreichs-picke-packe-vollen Abfahrt Kill your Darlings, spricht Tyler Durden die Worte: „Das Wichtigste beim Hinfallen ist das Hinfallen!“ Das widerspricht dem gängigen Kalendarspruch der Wichtigkeit des Wiederaufstehens und entspricht dem Gedanken des schlauen Leander Haußmann Interviews bei Thadeusz: Scheitern ist Entertainment. Scheitern aushalten und genießen. Nicht Angst vor Bewertung von außen zu haben, Erwartungen zu enttäuschen, sondern eine andere, weitere Erfahrung. Der Moment selbst wird umgedeutet.

Welche ursprüngliche Kraft im Moment des Scheiterns selbst ist, die alle Panzer und Zwangsjacken  des „So muss ich sein“ durchbricht, veranschaulicht uns die zauberhafte Greta Gerwig in dem Arcade Fire Video Afterlife. Die Beziehung scheitert und Greta tanzt.

Allen Lesern ein frohes Fest und ein erfolgreiches Jahr 2014. Falls doch der ein oder andere Misserfolg sich einschleicht wünschen wir einen tänzerischen Umgang damit.

Schwarzer Gürtel für Trainer

Schwarzer Gürtel für TrainerSchwarzer Gürtel für Trainer“ – ganz ehrlich, beim Lesen des Titels habe ich gedacht „Pfff, da werden Seminarsituationen krampfhaft in Kategorien gepresst und wahrscheinlich noch mit fernöstlichen Weisheiten garniert, die toll klingen, aber auch nichts damit zu tun haben.“ Und dann lese ich dieses erfrischende Vorwort von Jürgen Schulze-Seeger, das all den befürchteten Krampf mit einer Leichtigkeit hinwegfegt, so dass die Vorfreude auf das Buch rasant ansteigt:

„Das Buch ist aufgebaut wie die Stufen einer fernöstlichen Kampfkunst. Vom ersten weißen bis zum fünften schwarzen Gürtel. Das ist natürlich Humbug – aber ein, so hoffe ich, unterhaltsamer und einprägsamer.“

Toll, oder? Eine Kategorisierung finden, sie selbst als Humbug zu bezeichnen und ich als Leser fühle mich erleichtert und habe trotzdem eine Orientierung. Das muss man erst mal hinbekommen.

So schön und clever geht es auch weiter. Das liegt zunächst an dem kurzweiligen und direkten Schreibstil. Andererseits wimmelt es so vor tatsächlichen echten – für mich neuen – Tipps. 0815 Tipps, die mal eben zusammengeschrieben sind, gibt es nicht. Geistreiche, erfrischende Ideen werden mit ausführlichen Beispielen verbunden. Ob das bei der Gestaltung der Agenda („Ein professionell gedrehter Filmtrailer kündigt die Inhalte des Seminars an wie in einer Kinovorschau“), der Etablierung von Spielregeln (Wie schaffe ich es, dass die Telefone während des Seminars tatsächlich abgestellt und die Teilnehmer voll präsent sind?) oder dem prallgefüllten Methodenkoffer für Trainer (u. a. Design Thinking, Future me, Graphic Recording, Improtheater, Key Focus oder Mäeutik) ist. Mindestens eine Inspiration pro Seite.

Viele schöne Geschichten (echtes Storytelling, also) lesen wir bei den Kapiteln, die den Umgang mit schwierigen Teilnehmern und schwierigen Situationen behandeln. Das Buch könnte hier auch Confessions of a Trainer heißen. Sie erzählen unglaublich offen von Missgeschicken des Autors im Seminarbetrieb oder falschen Haltungen gegenüber Teilnehmern. Fernab von einer „I know it all“-Haltung. Ganz im Sinne der Souveränität 2. Ordnung  Schulz von Thuns.

So wohltuend und lehrreich, dass ich schon bald beim Lesen gedacht habe: „Ein ideales Weihnachtsgeschenk für meine Trainerkollegen.“ Die können sich jetzt drauf freuen.

House of Lies

Was wird nicht alles be- und ausgeleuchtet in amerikanischen Fernsehserien: Anwälte, das Familienleben von Mafiosis, krebskranke Chemielehrer, die Chrysal Meth kochen und verkaufen, amerikanische Präsidenten und deren Beraterstab. Jetzt also auch Unternehmensberater, ihr arbeiten und Lifestyle. „House of Lies“ macht das für uns.

Im Mittelpunkt der Serie steht der eloquente und Maßanzug tragende Marty Kaan, der mit seinem Team jede Woche zu unterschiedlichen Unternehmen fliegt, um möglich viel After Work zu generieren. After Work sei das eigentliche Ziel der Consultants. Es bedeutet die Kunden glauben zu machen, dass ihr Business ohne die Beratung den Bach runter geht. Der einzige Weg, den Niedergang zu verhindern, ist es, die Consultants Woche für Woche wieder und wieder zu buchen.

Wie das erreicht wird, soll die Show zeigen. Marty Kaan lehrt uns: „Schmeichel dem Kunden“, „Frag die Kunden, was sie denken“ und „Benutze nicht verständlichen Jargon“. So ähnlich wusste das schon der Industrielle Hans Immer in „Didi der Doppelgänger“, der mit den drei Floskeln „Ich brauche mehr Details“, „Schreiben Sie es auf – ich beschäftige mich später damit“ und „Das ist nur Ihre Meinung“ seine Firma führte. Womit ja auch bewiesen wäre, dass Consultants auch nur das abgeänderte Wissen als State of the Art verkaufen, was Unternehmer bereits in den 80ern wussten.

Der Charakter des Marty Kaan ist vielschichtiger als das Stereotyp Unternehmensberater zunächst hergeben möchte. Er ist Bösewicht und Held zugleich. Einerseits umtrieben und getrieben, alles für den Auftrag und die Billable Hours zu machen und andererseits leiden wir mit ihm, wenn Erniedrigung und Demütigung durch eine feindliche Übernahme droht.

Es macht irren Spaß den Schauspieler Don Cheadle zuzuschauen. Wie er bei seinen Aufträgen auf Wolken tanzt und ein schier unglaubliches Repertoire an Gesichtsausdrücken zum Besten gibt, ist eine helle Freude. Das kann man von den meist eindimensionalen Nebenrollen leider nicht sagen. Ein Havard-Nerd, den man so oder so ähnlich, schon 100-mal gesehen hat, der zu unrecht selbstverliebte und demnach sich selbstüberschätzende want-to-be Womanizer in britischem Outfit, eine hypersexualisierte sinnentkorkte Ex-Frau und ein Chef, der mit einem Großteil der weiblichen Belegschaft schläft. Die Kurzcharakterisierungen verraten es. Sex spielt eine große Rolle hier. Warum, ist nicht immer ganz ersichtlich.

Insgesamt tatsächlich nett anzusehen, dank dem mighty Marty Kaan, dessen Charakter auf das Buch des ehemaligen Booz Allen Hamilton Consultant Martin Kihn „House of Lies: How Management Consultants Steal Your Watch and Then Tell You the Time“ basiert. Ok, aber Didi der Doppelgänger ist natürlich besser.

Authentizität und Phantasie

„Authentizität und Phantasie sind in dieser Stadt enge Gefährten“ schreibt die Washington Post über die zurzeit geschlossene Hauptstadt der USA. Genial, oder? Höre ich über Authentizität oder authentische Führung, so fallen mir Integrität, Einfluss, Impact, Transformation und all das ein. Und dann in der Stadt, in der die Führung zu Hause ist, genau da – und jetzt verlassen wir uns nur auf die kleine Quelle der Washington Post – genau da ist das Authentische verknüpft mit der Phantasie.

Der Wunsch wohnt ja inne, wenn ich authentisch bin, dann bin ich nah an einem Idealbild, ich meistere die Dinge souverän, bin charmant, finde in den richtigen Momenten die richtigen Worte. Wenn das nicht funktioniert und die Realität lehrt uns, Freund da gibt es Grenzen, blüht die Phantasie. Horvath würde seufzen: „Ich bin eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.”

Wer gar nicht mehr dazu kommt, jemand Integres, Echtes, Respektables zu sein, aber mit einer emotionalen Kampagne nach der anderen nach Respect und Fair Play schreit sind die internationalen Fußballverbände. Wäre die FIFA ein Mensch dann wäre er ein träger, fetter, alter Mann, der zu viel isst und trinkt, der schreit, er sei so authentisch, und dann muss er doch wegen multipler psychischer Krankheiten mit starken Medikamenten behandelt werden. Wenn ich nicht das bin, was ich die ganze Zeit vorgebe zu sein, dann verschiebt sich die Seele übel, mein lieber Herr FIFA.

Und natürlich ist es langweilig, die FIFA zu kritisieren; in jedem Artikel, den man über sie liest quellen die Wörter „Korruption” und „Ausverkauf des Fußballs” aus den Rändern der Zeitung über. Aber wer sich der Verantwortung entziehen will, wenn Menschen im 21. Jahrhundert beim Bau der Fußballstadien für eine FIFA Veranstaltung wie Sklaven behandelt werden und dabei zahlreiche Todesfälle zu bedauern sind, der dürfte nie wieder Slogans wie „My game is Fair play“ oder „Say no to racism“ in den Mund nehmen.

Wirklich krank die Verdrehung von Wirklichkeit und Marketingkampagnen. Will der DFB raus aus der Slogan- und Floskel-Falle und authentische Führung beweisen, würde er – auch zur Sicherung des wertorientierten Fußballs – sagen, „ach wisst ihr was FIFA, uns ist es egal, ob die WM im Sommer oder Winter stattfindet, bei so einer Schande wollen wir gar nicht mitmachen.“

Aber wahrscheinlich sind auch hier Authentizität und Phantasie enge Gefährten.

Entscheidungen für Entscheidungsbücher

YES:

Decisive

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NO:

No

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für das „Decison Book“ brauchen wir nicht viele Zeilen zu verschwenden. Erstanden habe ich es in einer wachsenden amerikanischen Kette, in der sich 30 plus Menschen mit Kleidung jugendlich codieren. Unter den „hippen“ Büchern fand ich auch diesen zusammenkopierten und zusammenhangslosen Quatsch, in dem auf 159 Seiten alle Sozio- und Psychobusinessmodelle  vorgestellt werden. Von der Maslow Pyramide zu dem Flow Erlebnis zu dem Johari Fenster. Was das mit Entscheidungen zu tun hat, erschließt sich nicht immer. Meist nie.

Decisive – How to make better choices in Life and Work hingegen ist ein echter Knaller. Die Gebrüder Chip und Dan Heath beschreiben zunächst die vier Schurken des Entscheidens. Anhand von wirklich zahlreichenden und passenden Beispielen bringen sie uns auf unterhaltsame Art  „Narrow Framing“, „Confirmation Bias“, „Short-term emotions“ und „Overconfidence“ näher. Viele Bücher enden hier. Die Quintessenz ist dann oft: „Ja, ja so rational sind wir gar nicht! Unsere Entscheidungen sind total fehlerbehaftet.“ Doch hier fangen die Autoren erst an.

Zu jeden der vier Schurken gibt es ausreichend Gegenmittel, die wiederum durch passende Beispiele näher gebracht werden: Das richtige Anwenden des Advocati Diaboli, die Gong Show, die eigenen Optionen erweitern, Opportunitätskosten mitdenken, langfristige Konsequenzen von Entscheidungen in Betracht ziehen, Informationen, von denen holen, die sicherlich gegen eine solche Entscheidung wären, die Zukunft nicht als einen Punkt, sondern als Spanne denken und viele mehr.

Nebenbei erfährt man noch, warum  David Lee Roth in seinem Catering Rider eine Glasschüssel voller M&Ms wünscht, allerdings ohne die braunen und wie man innerhalb von fünf Jahren durch schlechte Entscheidungen 1,5 Milliarden Dollar verliert. Das Buch lohnt sich also.

Interview mit Dr. Bernd Seydel

Gerald Petersen und ich haben letzte Woche ein Seminar zum Thema Einflussverhalten in Saudi-Arabien durchgeführt. Unser Trainerkollege Dr. Bernd Seydel war dort schon mehrere Male und hat eine Reihe von Reiseeindrücken mitgebracht. Geduldig und kompetent hat er all unsere Fragen, die wir im Vorfeld auf das Seminar hatten, beantwortet. Vielen Dank dafür noch einmal.

Aber unsere Fragen sind bei Dr. Seydel lange nicht zu Ende. Zu viel wertvolles Wissen ist in ihm, das wir nun heben wollen. Als ausgewiesener Experte der Erwachsenenbildung, weiß er, wie Erwachsene lernen. Das interessiert uns auch:

Was ist Lernen überhaupt? Wie langfristig ist Lernen angelegt?

Lernen und leben sind eigentlich die gleiche Sache. Lernen ist keine Sonderveranstaltung, die noch zusätzlich zum Leben dazukommt. In einer Hinsicht bedeutet Lernen, sich an Veränderungen anzupassen. Komme ich in eine fremde Stadt, „lerne“ ich die Straßen kennen und wie sie angeordnet sind. Wenn ich das nicht tue, finde ich nicht den Weg ins Hotel zurück. Dann muss ich für mein Nichtlernen bezahlen – zum Beispiel den Taxifahrer.

Lernen ist oft Umlernen, Neulernen. Wenn ich eine Stadt nur als Fußgänger kenne und dann plötzlich ein Auto steuere, werde ich feststellen, dass manche Wege nicht mehr zu benutzen sind, zum Beispiel weil sie für Autos zu schmal oder eine Einbahnstraße sind. Ich muss mich dann neu orientieren, also andere Wege nehmen, die ich dann erst einmal als „Umweg“ erlebe. Dieses Prinzip gilt für geistige Wege genauso wie beispielsweise für Bewegungen. Jeder, der ein Musikinstrument lernt, kennt dieses Gefühl, dass die Finger sich nicht so bewegen, wie ich es eigentlich will. Sie tragen ein anderes Bewegungsmuster in sich, das wie in den Muskeln und Sehnen gespeichert zu sein scheint. Es sind „meine“ Finger und irgendwie doch nicht. Lernen bedeutet dann, die alten Bewegungsmuster durch neue zu ersetzen oder zu ergänzen.

Und was ist dann Lernen in der Schule?

Im Prinzip nichts anderes. Fragt man Kinder, wie der elektrische Strom funktioniert, geben sie – wenn sie Phantasie haben – eine Antwort. Die mag erkenntnistechnisch nicht mit den Kenntnissen der Physiker übereinstimmen. Aber auch die müssen ständig umlernen. Die gegenwärtigen Forschungen zum Higgs-Teilchen zeigen, dass man fürchtete, das sogenannte Standardmodell aufgeben zu müssen. Wenn das der Fall wäre, müsste sich die Physik komplett neu organisieren. Alles Wissen über die Grundlagen der Materie wäre nur noch Scheinwissen. Für mich eine beruhigende Vorstellung.

Was sind die großen Unterschiede im Lernverhalten im Vergleich zu Kindern?

Eigentlich sollte schon die einfache Beobachtung von Kindern zeigen, dass in den verschiedenen Lebensabschnitten Lernen unterschiedlich funktioniert. Bis etwa zum 6. und 7. Lebensjahr lernen Kinder dadurch, dass sie durch andere, zum Beispiel die Eltern, Anregungen bekommen. Die Eltern führen die Kinder in Situationen, die ihnen neu und unbekannt sind. Außerdem lieben es Kinder, die Tätigkeiten ihrer Eltern nachzuspielen. Dabei kommt es nicht auf gleiche Materialien an. Ein Kind „kocht“ etwas, indem es einen kleinen Bauklotz auf einen großen stellt: Fertig ist Herd und Topf.

Ab dem 7. Lebensjahr (ungefähr) lernen Kinder, sich mit von außen vorgegebenen Rahmenbedingungen auseinander zu setzen. Meist sind das die Schule und die organisierten Freizeitbeschäftigungen. Für Kinder ist die Eroberung von „Zeit“ ein gewichtiger Entwicklungsschritt. „In einer Woche“ bedeutet für ein Kleinkind gar nichts. Ein Schulkind muss in einer Woche eine Klassenarbeit schreiben und auf dieses Ereignis hin zum Beispiel lernen, sich also ein Wissen aneignen, das dann abfragbar wird.

Mit der Pubertät entdecken Kinder einen neuen Lernbereich: die Umgestaltung ihrer Umwelt. Was bis dahin mehr oder weniger als beständig erlebt wurde, steht plötzlich zur Disposition. Dazu gehören in erster Linie die Eltern. Sie machen plötzlich alles falsch. Und die Lehrer sowieso. Jetzt wird Lernen zu der Frage: Was hat das mit mir zu tun? Welche Rolle spielt das zu Lernende in meiner Biographie? Wofür brauche ich das? Warum soll ich das überhaupt lernen?

Im Laufe unseres Heranwachsens lernen wir immer wieder neu, nicht nur Neues. Erwachsene müssen häufig lernen, dass sie noch lernen können. Sie halten sich in gewisser Weise für „allwissend“, haben also für das meiste in ihrem Leben eine Erklärung gefunden, mit der sie sich zufriedengeben. Wenn dann ein Seminarleiter daherkommt und ein anderes Erklärungsmuster anbietet, dann ist das nicht nur schön, sondern allzu häufig eine massive Bedrohung.

Was muss man deshalb für Seminare für Erwachsenen beachten und was setzten Sie davon in Ihren Seminaren um?

Lernen für Erwachsene ist für mich grundsätzlich ein freiwilliger Vorgang. Ich kann meine Teilnehmer in einem Seminar einladen, sich auf bestimmte Dinge einzulassen. Ich versuche sehr bewusst, keinerlei Druck zu machen, diese Angebote anzunehmen. Es sind Angebote, die sie überprüfen können, wenn sie das mögen. Sie können sie aber auch gerne ablehnen, modifizieren usw. Daraus folgt, dass ich niemals Übungen oder Spiele mache, bei denen sich die Teilnehmer hereingelegt fühlen könnten. Ich weiß, dass manche Gruppenübungen das missachten. Ein bekanntes Spiel geht z.B. so: Zwei Partner bekommen einen Stadtplan und der eine soll dem anderen einen Weg beschreiben. Leider sind die Pläne nicht identisch, sondern der eine ist spiegelverkehrt oder irgendwie anders. Toll, oder?

Ich versuche, meine Teilnehmer niemals auszutricksen, hereinzulegen oder mit etwas zu konfrontieren, was sie nicht einschätzen können. Die Folge: das Vertrauen wächst, die Ängste verschwinden, Lernen wird möglich.

Probleme mit dieser Art von konfrontationslosem Lernen haben allerdings diejenigen Teilnehmer, die in ihrem eigenen Leben ständig zu tricksen und sich zu verstecken versuchen. Die mögen diese transparente Art des Umgangs nicht.

Wie schaffen es Erwachsene auch langfristig, nach einem Seminar neue Verhaltensweisen (Skills) anzuwenden?

Klare Antwort: Ich weiß es nicht. Ich kann mich nur selbst beim Lernen beobachten. Lernen ist ja kein Programmierprozess, den ich messen kann. Ich kann Lerninhalte abfragen und hoffen, dass diese Inhalte sich nicht mehr verflüchtigen. Aber in Wahrheit weiß jeder, dass dem nicht so ist. Lernen und Gelerntes unterliegen selbst wieder einer ständigen Veränderung. Selbst Erinnerungen verändern sich unbemerkt.

Über den Zusammenhang von lernen – vergessen – wiederholen/wieder-zurück-holen haben wir noch gar nicht gesprochen. Für das Lernen ist das Vergessen eine wichtige Bedingung.

Wenn wir Trainer es schaffen, dass unsere Teilnehmer uns vertrauen, dass wir sie nicht hereinlegen, dann haben diese eine große Chance, etwas für sich zu lernen. Das klingt idealistisch und etwas ungenau, aber damit kann ich leben.
Ansonsten wünsche ich mir, dass meine Teilnehmer nach dem Seminar Mut und Spaß haben, etwas auszuprobieren, etwas zu versuchen, etwas anders zu machen, als sie es bisher getan haben. Das wird nicht in allen Fällen geschehen. Manchmal müssen sie dann für Nichtlernen einen Preis zahlen – was nicht immer nur eine Taxifahrt ist.

Vielen Dank, Herr Dr. Seydel für die tollen Antworten.

Was Stefan Kuntz zu raten ist!

Das war die teuerste Saison aller Zeiten. 34,58 € musste ich mit meiner Dauerkarte pro Heimtor berappen. Eine Saison zum Vergessen. Während sich die einen in ihrem „Mia san mia“ selbstverliebt kreiseln, kriselt es gewaltig bei dem so schönen Traditionsverein 1. FC Kaiserslautern.

Einher mit dem sportlichen Misserfolg eilt das Misstrauen in die Führung. Transfers werden wirtschaftlich und sportlich hinterfragt. Wie Posten vergeben werden und welche Spielerberater den Ton angeben, wird heiß in Internetforen und am Rande des Betzenbergs diskutiert. So heiß, dass die Führung – allen voran der Vorstandsvorsitzende Stefan Kuntz und der Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Dr. Dieter Rombach – zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am 9. Mai geladen haben.

Was ist in dieser Situation und der Gemengelage an Misstrauen, Enttäuschung und Wut Stefan Kuntz aus kommunikationspsychologischer Sicht zu raten?

  1. Stefan Kuntz sollte die Verantwortung für die transparente Darstellung seiner Entscheidungen übernehmen. D. h. er darf nicht den Mitgliedern, die Schuld geben, Dinge falsch zu verstehen und verstehen zu wollen. Er ist verantwortlich dafür den Mitgliedern verständlich zu machen, warum man vor Beginn der Rückrunde glaubte, dass ein Yahia besser verteidigt als Amedick oder ein Wagner  mehr Tore schießt als Nemec.
  2. Stefan Kuntz sollte klarmachen, was er aus der Saison 2011/ 12 für sich gelernt hat und welche Konsequenzen er aus diesem Lernprozess für die Saison 2012/ 13 ableitet.
  3. Stefan Kuntz darf keine Schuld alten verdienten Weggefährten zuweisen. Natürlich gibt es viele Verantwortliche für einen Abstieg. Aber nun die Schuld derjenigen darzustellen, die nicht mehr beim Verein sind, zeigt keine Größe und vor allen Dingen ist dieses Verhalten nicht mehr änderbar, im Gegensatz zum eigenen.
  4. Stefan Kuntz muss ehrlich klar machen, dass er Verständnis für die aufgebrachte Volksseele hat. Das darf nicht im Sinne von „verstehe, aber…“ gehen, sondern „Meine Sicht der Dinge sind die, so wie ich verstehe, sehen Teile der Mitglieder die Dinge so, wie kommen wir zusammen?“
  5. Stefan Kuntz sollte eine Vision präsentieren und anhand dieser seine Entscheidungen erklären können. Was macht den FCK 2012/ 13 aus? Was für Charaktere stehen da auf den Platz? Welcher Fußball wird gespielt? Wie schaffe ich die Integration von Spielern?

Alles nicht einfach. Wir wünschen für die nächste Saison ein glücklicheres Händchen, Nachvollziehbarkeit, Zusammenhalt der Interessensgruppen des FCKs und vor allem billigere Heimtore. Bitte!