Aufmerksamkeit, bitte!

Zweiunddreißig Fenster offen im Computer, eine SMS schreiben, mit der Kollegin flirten, chatten und mit dem Chef telefonieren und das bitte gleichzeitig. So oder so ähnlich könnte eine moderne Arbeitssituation aussehen. Multitasking ist eine Attitüde des Vielbeschäftigten (oder derer, die es gerne wären) geworden. Das Selbstverständnis, dass man viele Dinge auf einmal machen kann, schwingt bei dieser Attitüde mit. In Besprechungen werden Blackberries benutzt und während dem Telefonieren wird gegoogelt. Der Subtext sagt den anderen Gesprächteilnehmern, das, was wir hier zu besprechen haben ist für mich Kinderfasching und lastet meine Ressourcen noch lange nicht aus.

Die mangelnde Fähigkeit sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren nimmt immer groteskere Ausmaße an. Letzte Woche kam ich in ein Reisebüro. Die Dame arbeitet am Computer und schaute konzentriert auf den Bildschirm, blickt mich dann kurz an und sagt „Bitte“ (im Sinne von „Bringen Sie Ihren Wunsch!“ an) und schaut wieder zurück auf den Bildschirm. Das ist dann natürlich aus Kundenkommunikations-Perspektive fahrlässig bis dumm. Ich fühlte mich in diesem Gespräch nie Ernst genommen. Aufmerksamkeit zeigen ist so fundamental für gute Gespräche und doch scheint diese Fähigkeit abzunehmen.

Zu Hilfe in der Argumentation, dass Multitasking eine uneffektive Fassade von Angeberei ist, eilt der bereits bei work-innovation vorgestellte New York Times Artikel „Managing the Machines“. Unterbrechungen – eben auch durch Multitasking – im Arbeitsprozess verursachen geschätzte 650 Milliarden Dollar Schaden in der amerikanischen Wirtschaft. Jede Ablenkung sorgt dafür, dass sich die Konzentration zu einer bestimmten Aufgabe abbaut und bei der erneuten Zuwendung erst nach einiger Zeit wieder aufgebaut wird.

Wie im noch jungen Zeitalter der digitalen Kommunikation am besten mit den unterschiedlichen Systemen (E-Mail, Instant Messaging etc) umgegangen werden soll, danach fragt nun das neu gegründete und u. a. von Microsoft und Johnson & Johnson gesponserte Institute for Innovation and Information Productivity. Als Einsatz der Methodiken gelangen auch bildgebende Verfahren der Gehirnforschung und soziale Netzwerk Algorithmen. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse.

Korruption – wie werden wir sie los?

Corrupcio_diners2 (pd)Insgesamt verursachen Korruption und Wirtschaftskriminalität 57 Prozent aller polizeilich erfassten Schäden – obwohl sie nur 1,3 Prozent aller Delikte ausmachen (Korruptions-Check).

Auf dem Transparency International Korruptionsindex liegt Deutschland nur auf Platz 16.

Was tun? Zunächst müssen gesetzliche Rahmenbedingen entsprechend gestaltet werden. Aber auch die Unternehmen selbst stehen in der Pflicht und können schon sehr viel tun, bevor der Gesetzgeber eingreift. Es wird oft gefordert, die Unternehmenskultur zu verändern. Das ist natürlich richtig, aber auch sehr allgemein. Ich möchte hier zwei spezifischere Empfehlungen geben:

1. Potenziell korrupte Mitarbeiter frühzeitig aussortieren

Es gibt neuerdings einen Test, der verspricht, Integrität zu messen, der Psychologische Integritätstest PIT. „Es existiert eine grundlegende psychologische Dimension ‚Integrität’, die erfasst, inwiefern ein Mensch ein erhöhtes Risiko für schädigendes Verhalten aufweist. … Eine Person mit niedrigen Integritätswerten ist anfälliger für Problemverhalten. Die Palette reicht von unerlaubten Fehlzeiten, Beschädigung von Firmeneigentum über Diebstahl bis hin zu Veruntreuung, Betrug und Korruption.“ Das sagt Dr. Jens Hoffmann, Psychologe an der TU Darmstadt. Der PIT erlaubt es nicht nur, Leute mit sozialschädlichen Verhaltenstendenzen zu selektieren. Studienergebnisse aus Nordamerika zeigen, dass Stellenbewerber mit hohen Testergebnissen in einem Integritätstest auch insgesamt beruflich erfolgreicher und leistungsbereiter sind.

2. Anreizsysteme verändern

Korruption darf nicht belohnt werden nach dem Motto „es ist egal, wie jemand zum Erfolg kommt“. Es darf keine Beförderung und keine Gehaltserhöhungen geben, wenn die geschäftlichen Erfolge auf Korruption oder antisozialem Verhalten beruhen. Es muss von der Unternehmensführung unmissverständlich klar gemacht werden und vorgelebt werden, dass Korruption nicht geduldet wird. Korruption muss konsequent geahndet werden. Ehrliches und faires Verhalten muss belohnt werden, selbst wenn man vermutet, dass ein korrupter Mitbewerber den Auftrag erhalten haben sollte.

Auf Dauer zahlt sich diese Strategie aus.

Erweitern Sie Ihr Verhaltensrepertoire!

arrows.jpgLetzte Woche in der Frankfurter Sonntagszeitung war ein hochinteressantes Interview mit Bernhard Peters. Bernhard Peters? Das ist einer der erfolgreichsten Hockeytrainer der Welt und vor der WM wollte Klinsmann ihn zum DFB Sportdirektor machen. Aber die Herren (ich glaube hier stimmt die Formulierung) des DFB haben sich geschüttelt und gesagt, was, der weiß doch gar nicht, was Fußball ist. Jetzt ist er Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung beim Fußball-Regionalligisten der TSG Hoffenheim, dem Verein mit den großen Bundesligaambitionen.

Seine These, die er im Interview vertritt, ist:

Es wird niemand zu einem guten Spieler, wenn er fünf- oder sechmal in der Woche trainiert und ansonsten nur RTL 2 guckt.

Er möchte, dass es zu einer „kreativen Persönlichkeitsentwicklung“ kommt. Dass sich Spieler abseits des Platzes nicht nur für tolle Autos und Modells und das P1 interessieren, sondern dass auch jenseits davon eine Entwicklung stattfindet. Das ist gerade für den Jugendfußball wichtig. Wenn alles auf die Karte Fußball gesetzt wird, steigen die Versagensängste, weil Fußball dann alternativlos erscheint. Aber nicht nur das. Peters Leistungsphilosophie ist,…

…dass alle Systeme weiterentwickelt werden müssen, weil sie sich gegenseitig befruchten (…) [Der Spieler] hat sich auch mit anderen Dingen zu beschäftigen, um eine kreative Rolle mit Führungsqualitäten auszufüllen.

Im Allgemeinen geht es um die Aneignung neuer verschiedener Verhaltensweisen und die Ausprägung und Aufrechterhaltung von Interessen. Mehr Verhaltensweisen, die man in seinem Verhaltensrepertoire hat, führen dann auch zu höherer Flexibilität. So kann man in einer gegeben Situation die Verhaltensweise auswählen, die wohl die adäquateste und bestmögliche ist.

Hat man nur wenige Kommunikationsstile in seinem Kommunikationsrepertoire, so ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass man in jeder gegeben Situation sein kommunikatives Ziel erreicht. Das wäre dann so, wie ein Fußballspieler, der nur mit rechts flanken kann. Oder wie ein Abteilungsleiter, der außer seine Arbeit zu machen, nur n-tv schaut.

XING Interview beim elektrischen Reporter

Was der Mario Sixtus macht, ist einfach großartig. Als elektrischer Reporter recherchiert und berichtet er mit völlig eigenem Stil über Phänomene unserer schönen neuen Internet-basierten Kommunikations-Welten.

Für Einsteiger empfiehlt sich der Beitrag „Was bisher geschah“, der in einer Art Medley alte Beiträge zusammenschneidet.

Im aktuellen Beitrag interviewt der elektrische Reporter „Daniela und Lars Hinrichs über Xing“.

Zwei Dinge finde ich besonders interessant: Lars Hinrichs will den „Leuten die Möglichkeit geben, diese Daten auch auf anderen Systemen weiter zu benutzen“. Dass XING mein Outlook ersetzen kann in absehbarer Zeit, glaube ich nicht. Aber eine integrierte Ergänzung beider Systeme, das wäre schon ein Fortschritt. Ich finde sogar, es ist höchste Zeit, das der Markt so eine Funktionalität zur Verfügung stellt.

Und zum zweiten zeigen sich im Interview unterschiedliche Betonungen, die einer Erwartung im Sinne geschlechtsspezifischer Kommunikation entsprechen. Sicher sehen die beiden XING nicht kontrovers, aber sie kommunizieren mit unterschiedlichen Schwerpunkten – der Mann eher technisch, die Frau eher sozial. Für Lars Hinrichs ist XING das „Intranet der Geschäftswelt“ und irgendwelche APIs das nächste große Ding. Also die Technik steht im Mittelpunkt des Denkens. Für Daniela Hinrichs stehen dagegen soziale Themen im Mittelpunkt. XING sei ein Medium, mit dem sich Wissen verteilt, und damit „verteilt sich auch die Macht“. XING steht bei ihr für eine höhere Chancengleichheit. Ein sehr guter Punkt!

Du sollst deinen Chef ertragen

Das Problem: Der Chef entscheidet anders. Man kann die Entscheidung nicht nachvollziehen, spricht mit dem Chef, hält die Entscheidung nach wie vor für falsch, kann sich aber nicht durchsetzen.

Die Lösung: Die Entscheidung des Chefs so bei seinen eigenen Mitarbeitern vertreten, als sei es die eigene. Voll hinter der Entscheidung stehen, auch wenn man sie für falsch hält. Das behauptet kein geringerer als Jack Welch in der Wirtschaftswoche („Den eigenen Chef ertragen“ von Jack Welch / Suzy Welch, Wirtschaftswoche Heft 10 2007, S. 114). Du sollst deinen Chef ertragen!

Die Begründung: Der Chef hat die Gesamtsituation im Blick und mehr Informationen als Sie. Also verkaufen Sie die Entscheidung so gut es geht und ertragen den Chef.

Welch hat sich als harter Hund im Management einen Namen gemacht („Neutron Jack“) und hat bei GE sehr erfolgreich gewirkt. Wie auch immer seine Leistungen bewertet werden, ich halte seine „Lösung“ in diesem Fall keineswegs für zufriedenstellend, geschweige denn für den besten Weg.

nuvola_apps_filetypes.pngAber was kann man tun? Etwa so? „Ich verstehe die Entscheidung nicht, aber wir müssen es so machen, weil der Chef es so will!“ – das ist ganz schwach, da ist man nur der Jammerlappen, der sich nicht durchsetzen kann. Die Welch-Lösung ist zwar ein Dämpfer für die eigene Selbstachtung, aber man könnte sich wenigstens damit trösten, dass die Angepassten irgendwann befördert werden. Jedoch, Menschen mit Rückgrat verbiegen sich nicht so leicht wie eine Weingummi-Schlange.

Meiner Meinung nach kann es ganz anders laufen: Wenn die Begründung tatsächlich die ist, dass der Chef mehr Informationen hat, dann lassen Sie sich diese Informationen geben. Wenn nötig, machen Sie klar, das das für Ihre eigene Überzeugung und für die Qualität in der Umsetzung unabdingbar ist. Begehen Sie bloß nicht den Fehler, die Person anzugreifen oder deren Kompetenz in Frage zu stellen. Wir bewegen uns immer auf der sachlichen Ebene und eine Erweiterung des Blickfelds kann ja tatsächlich Dinge in anderem Licht erscheinen lassen. Falls der Chef die besseren Argumente hat, sollten Sie das anerkennen, und können das auch nach außen so vertreten. Und wenn die Argumente des Chefs eher weniger gut sind, dann kommt das an dieser Stelle heraus und der Chef gerät in’s Schwitzen. Wenn der Chef trotz schwacher Argumente auf seinem Standpunkt beharrt, können Sie anregen, das mit anderen zu diskutieren. Andere können Experten sein, Ihre eigenen Mitarbeiter oder andere Chefs. Ihre Selbstachtung bleibt gewahrt, und die besseren Argumente sollten sich am Ende durchsetzen, das ist auch im Sinne des Unternehmens. Bingo!

Anforderungen an Soft Skills total unterschiedlich?

studie250.bmpDie Studie „Qualifiziertes Personal als Schlüsselressource – Bildung und Qualifikation am Standort Deutschland“ mit 4000 befragten Unternehmen belegt, dass

die Personalentwicklung für 98% der mittelständischen und großen Unternehmen einen zentralen Erfolgsfaktor für den Erhalt und Ausbau der eigenen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit (bildet).

Personalentwicklung ist ein Muss, da sind sich alle einig. Die Studie beleuchtet den Nutzungsgrad einer ganzen Reihe von Personalenwicklungs-Instrumenten. Dabei zeigen sich große Unterschiede je nach Unternehmensgröße. Für 90 Prozent aller Befragten und 100 % der Großunternehmen ist die Weiterbildung fachlicher Qualifikationen das wichtigste Instrument der Personalentwicklung. Dagegen fördern 80% der Großunternehmen, aber nur 39% der kleineren Unternehmen die Soft Skills ihrer Mitarbeiter:

Dass sich mit Zunahme der Unternehmensgröße auch die Qualifikationsanforderungen verändern, zeigt die bei den Unternehmen ebenfalls unterschiedliche Bedeutung von Maßnahmen zur Aus- und Weiterentwicklung nicht fachbezogener Qualifikationen (Soft Skills), die bei nur 39 Prozent der kleineren Unternehmen, jedoch bei 80 Prozent der Großunternehmen in die Personalentwicklung einfließen.

Große Unternehmen stellen sehr viel höhere Anforderungen an die Soft Skills von Mitarbeitern und Führungskräfte als kleinere (so zumindest interpretiert die Studie das Ergebnis). Und jetzt kommt der Hammer:

Bemerkenswert dabei ist, dass große Unternehmen (65 Prozent) wesentlich häufiger einen Mangel an sozialer Kompetenz bei ihren Führungskräften (65 Prozent/ 36 Prozent) und Angestellten (48 Prozent/ 35 Prozent) beklagen wie die kleineren Unternehmen, worüber deutlich wird, wie sehr sich die Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter mit zunehmender Unternehmensgröße ändern.

Die Studie vermutet wieder, es gibt total unterschiedlichen Anforderungen. Wir müssen uns allerdings fragen, ob die Anforderungen in Großunternehmen und kleineren Unternehmen wirklich so radikal unterschiedlich sind. Es könnte sein, dass viele kleinere Unternehmen einen höheren Mangel an Soft Skills haben als ihnen bewusst ist. Festzuhalten bleibt, dass die Defizite in Bezug auf Soft Skills bei den Führungskräften (und Angestellten) ganz erheblich sind.

Der größte Hemmschuh für die Personalentwicklung sind „fehlende zeitliche Ressourcen“. In diesem Punkt unterscheiden sich die Unternehmensgrößen nicht. Man ächzt und schwitzt, während man den Baum sägt, aber man hat keine Zeit, die Säge zu schärfen.

Zusammenfassung: Studie: Personalentwicklung bedeutender Erfolgsfaktor für Unternehmen

Kostenfreier Download: Studie „Qualifiziertes Personal als Schlüsselressource – Bildung und Qualifikation am Standort Deutschland“

Interview (4): Sprechen Sie Pop?

seb2250.JPGDie Besetzung von Sebastian Dresel als Popbeauftragter der Stadt Mannheim gibt mir den verlorenen Glauben an die gerechte Besetzung öffentlicher Stellen zurück. Nicht Partei- und Versorgungsfragen waren Ausschlag für Sebastian Dresels Inthronisierung, sondern nachweisbare und gelebte Popkultur in Mannheim. Sebastian Dresel ist – trotz jungen Alters – Jahrzehnte für Mannheims Popkultur da. So hat er die Rhein-Neckar Metropole bereits Anfang der 90er im legendären milk! zum Tanzen gebracht, schreibt für das lokale Magazin meier und der überlokalen spex, ist Radio-DJ und Initiator und Umsetzer unzählig erfolgreicher Clubprojekte. Als DJ – ein local hero und local celebrity – ist er wieder im Einsatz bei der diesjährigen Timewarp.
Stellt sich nun die Frage, wie und mit wem kommuniziert ein Popbeauftragter.

Frage > Überregionale Assoziationen von Mannheim und moderner Musik begrenzen sich noch auf Popakademie und Xavier Naidoo. Was ist hier Deine Vision? Wie soll Mannheim im überregionalen Kontext gesehen werden?

Überregionale Strahlkraft ist aus meiner Sicht eine wünschenswerte Begleiterscheinung erfolgreicher regionaler bzw. lokaler Arbeit. Es sind ja zwei verschiedene Dinge, von bundesweit bekannten Bands oder Künstlern zu sprechen oder von einer bundesweiten Bekanntheit der hiesigen Szene. Erster Fall unterliegt den Gesetzmäßigkeiten des Pop-Geschäftes. Lokale Szene, vielfältiges Angebot, lebendiges Nachtleben, Kneipenszene, Spaß kann ich nicht bspw. in Bielefeld ins CD-Regal exportieren. Der Weg zur „Ausgehstadt“ (worunter ich jetzt einfach mal viele Popkulturelle Ansätze zusammenfasse) führt über die Vororte in die Region ins Umland zu nächstgelegenen Städten. Abgesehen davon muss man darauf achten, in diesen Fragen nicht einzig und allein den Mainstream als Referenzpunkt anzuerkennen. Um es deutlich zu machen: wenn Mannheim unter Miniatur-Eisenbahnsammlern einen besonders guten Ruf genießt, dann ist das eine wenig öffentlichkeitswirksame aber interessante und für sich genommen bundesweit gültige Tatsache. Ein realexistentes Beispiel wäre die Drum & Bass Szene, oder ein bundesweit seit Jahrzehnten bekannter Club der schwulen Community der Stadt. Beides echte Markenzeichen in einer eigenen Umwelt. Popkulturinhalte sind sehr heterogen zusammengesetzt und dementsprechend müssen sie kommuniziert werden zumal man jeweils die richtige Sprache (im Marketing-Kommunikationsdeutsch: die Codes) beherrschen sollte. Das heißt, erst aus vielen lebendigen Mikrokosmen, die in ihren eigenen Umfeldern kommunizieren, ergibt sich das von mir angestrebte glaubwürdige und vielfältige Gesamtbild. Zu steuern ist so etwas nur ausgesprochen bedingt.

Frage > Was machst Du, um diese Vision umzusetzen? Wer sind die direkten Ansprechpartner?

Man muss versuchen, den jeweiligen Ansprüchen möglichst viel Akzeptanz zu verschaffen und die bestmöglichen Vorraussetzungen zu schaffen. Ansprechpartner sind erst einmal alle Akteure. Praktisch geht es darum, vielfältige Partnerschaften mit Szenekennern aller Bereiche zu pflegen. Es ist unbedingt notwendig einen anhaltenden Informationsfluss aufrecht zu erhalten und die Bedürfnisse zu kennen. Das muss dann dazu führen Gemeinsamkeiten herauszudeuten, die man bearbeiten kann, bzw. die man als Anregung bspw. in politische Prozesse einbringen kann. Sperrzeiten, Nutzungen von Leerständen, Vorraussetzungen für temporäre Bespielungen wie etwa Schankgenehmigungen o.ä. wären da ganz konkrete Beispiele. Andererseits geht es eben auch wieder darum, aus den vielen Einzelveranstaltungen ein Gesamtbild zu stricken und dieses auch zu kommunizieren, dass für ein breiteres Publikum interessant wird, auch wenn die einzelnen Bestandteile nicht unbedingt den bisherigen Vorlieben entsprechen. Sprich: wenn die Leute erst mal unterwegs sind, gehen sie womöglich auch mal in die andere Kneipe gegenüber, in der etwas passiert, für das sie niemals losgelaufen wären. Insofern sind die Ansprechpartner auf der anderen Seite all jene, die potentiell einmal Lust darauf haben, auszugehen.

Frage > Welche Kommunikationsmittel setzt Du ein? Sowohl für die externe als auch interne Kommunikation?

Wie ja schon gesagt, ist die szeneinterne Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil. Als „Beauftragter der Stadt Mannheim“ einem Szenemenschen erklären zu wollen, was cool ist, wird natürlichermaßen in die Hose gehen und sich wahrscheinlich ins Gegenteil verdrehen. Den angesprochenen Informationsfluss hält man besten mit einer uralten Technik aufrecht: indem man an irgendwelchen Bars rumsteht und sich anhört, was die Leute da so planen, vorhaben, gut finden. Und was die effektive Vernetzung angeht ist schlicht eine Vorliebe für endlose Gespräche und E-Mails hilfreich. Was mich dazu bringt, dass der zehn-Finger-Kurs auch endlich mal belegt werden sollte. Da lässt sich noch etwas beschleunigen. Die externe Kommunikation umfasst selbstverständlich alle althergebrachten Instrumentarien der Öffentlichkeitsarbeit. Aber ich muss sagen, dass ein paar gezielte Anrufe gepaart mit einer unbedingt zeitgemäßen Gestaltung so manche groß angelegte Werbestrategie schon mal in den Schatten stellen können. So gerne ich mich mit Online-Community-Foren und ähnlichem beschäftige und so sehr das auch in den gleich angesprochenen Bereich mit hineinspielt: ohne word to mouth ist Popkultur nicht denkbar. Dafür geht es viel zu sehr um Imagefragen einerseits und um sehr viel grundlegendere menschliche Bedürfnisse andererseits. Ich kann das beste Konzert des Planeten anbieten. Gegen die Information, dass bspw. der oder die Angebetete irgendwo auftaucht werde ich immer abstinken.

Frage > Welche Schwierigkeiten siehst Du bei Deinen Ansprechpartnern, Sie für Deine Ideen zu gewinnen und welche Unterstützung bekommst Du?

Ansprechpartner zu finden ist einerseits kein Problem. In einer individualisierten Popkulturszene, in der sehr viele Menschen auch und nicht zuletzt um Aufmerksamkeit buhlen, mangelt es nicht an Partnern. Viel spannender sind ja jene Bereiche, die erst einmal nichts mit Popkultur zu schaffen haben und für deren Anliegen sensibilisiert werden müssen. Was die Unterstützung angeht, muss ich sagen noch über keine längerfristigen Erfahrungen zu verfügen, die hier nennenswert wären. Dass das Thema Creative Industries dieser Tage immer mehr Beachtung findet, das heißt, dass immer mehr Menschen auch in den Verwaltungen darauf aufmerksam werden, welche Ökonomischen Potentiale in der Kulturwirtschaft liegen ist aus meiner Sicht natürlich sehr begrüßenswert, weil auch längst überfällig. Und wie wir alle wissen, stoßen ökonomische Argumentations-Ketten oft eher auf offene Ohren, als ideelle. Andererseits gibt es gerade in Deutschland noch eine Menge Arbeit zu leisten, was etwa die Aktzeptanz privatwirtschaftlicher Unterstützung von (Pop)Kultur angeht – insbesondere auf Medienseite, wo Sponsoren immer noch zu häufig aus Misstrauen übergangen werden. Aber auch die Erkenntnis, dass Popkultur (oder, wie ich diesem Fall globaler und ungenauer sagen würde, allein um das Problem zu verdeutlichen: Gegenwartskultur) vielfach einen künstlerischen Anspruch hat, der hinter dem Showbusiness-Aspekt zu verschwinden droht.

Frage > Eine Frage noch zum Schluss, wie spricht man mit Xavier Naidoo?

Ich verstehe die Frage nicht ganz. Sein Englisch ist vorzüglich aber ich bevorzuge bei den angesichts seines Terminkalenders ausgesprochen seltenen Gelegenheiten unsere gemeinsame Sprache. Soweit ich mich entsinne, drehte sich eines unserer letzten Gespräche über die unterschiedlichen persönlichen Beziehungen zu Schweine- oder Rindfleisch in Thailändischem Essen.

Na dann guten Appetit in Poptown Mannheim!

Mikropolitik: Ausweitung der Kampfzone

Mikropolitik und Moral in Organisationen. Herausforderung der OrdnungIch erinner’ mich als ich jung und unverdorben aus der Universität in meinen ersten Job als Unternehmensberater kam. Die auswendig gelernten Konzepte wie „Management by Objectives“, Selbstregulation, Teilautonome Arbeitsgruppen oder Qualitätszirkel bestimmten das Prüfungsmaterial und mein Denken: Konzepte, die den Menschen und seine Selbstverantwortung in den Vordergrund stellen. Retrospektiv betrachtet ist man versucht zu sagen, dass stets eine romantische Verklärung hier mitschwebte. Die Einführung und Umsetzung und Aufrechterhaltung solcher Konzepte war nie ein Thema. Es gab nur Listen mit Vor- und Nachteilen, die eben auswendig gelernt werden mussten.

Der einzige Artikel, das einzige Konzept, das sich hier absetzte war der herrlich geschrieben Artikel „Mikropolitik“ von Neuberger (1995). Mikropolitik ist…

das Arsenal jener alltäglichen „kleinen“ Machtmethoden, mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt wird“

Neuberger hat sich mal angeschaut, was passiert wirklich in Organisationen, welche Machtspiele finden statt und wessen Interessen werden vertreten. Zielsetzungen von mikropolitischen Maßnahmen sind Aufstieg, die Erweiterung der Handlungsspielräume, höhere Budgets oder mehr Bezahlung. Maßnahmen selbst sind Filtern von Informationen, Vetternwirtschaft, das Ausnutzen des Bürokratismus, die Selbstdarstellung oder das gezielte Einschalten von Vorgesetzten.

Im Gegensatz zu pseudopopulärwissenschaftlicher Literatur bettet Neuberger die mikropolitischen Vorgehensweisen in ein umfassendes Handlungsmodell ein und thematisiert den Umgang mit Moral. Angebotene Gegenstrategien sind die Offenlegung von Entscheidungswegen und das offene Austragen von Konflikten.

Hier wären wir wieder bei dem Doing, der tatsächlichen Umsetzung. Wie trage ich Konflikte aus, damit ich einerseits die Arbeitsbeziehung nicht schwäche, aber trotzdem mein Arbeitsziel erreiche.

Und damit sind wir wieder am Anfang. Das tatsächliche Machen in Unternehmen, Ziele vorantreiben, Beziehungen aufbauen, wie das geht, das findet man nicht in den abstrakten Konzepten der reinen Lehre.

Schlagfertigkeit im Job

Clever kontern. Schlagfertig im Job.Die Ratgeberliteratur bringt höchst unterschiedliche Qualitäten hervor. Es gibt wohl zwei Sorten von Büchern zum Thema Schlagfertigkeit. Die einen haben Titel wie “Schlag zurück!” und “Mach sie sprachlos – Schlagfertigkeit für Frauen” (diese Bücher gibt es wirklich). Solche Bücher sind meiner Meinung nach keine guten Ratgeber. Sie nähren die naive Hoffnung, souveräner da zu stehen, wenn man gleiches mit gleichem vergilt. Die Betonung liegt auf SCHLAG-fertigkeit, als ginge es um einen Boxkampf. Am Ende werden wohl zwei Verlierer am Boden liegen.

Die anderen Bücher tragen der Tatsache Rechnung, dass wir trotz mancher unfairer Worte mit anderen Menschen konstruktiv zusammen arbeiten müssen und wollen. Es ist sehr wichtig, Unterstellungen zurückweisen, sich nicht für dumm verkaufen zu lassen, und sich gegen Beleidigungen zur Wehr zu setzen. Schlag-FERTIGKEIT beweist derjenige, der das auf eine gekonnte Art und Weise tut. „Clever kontern. Schlagfertig im Job“ von Meike Müller liefert eine Reihe grundlegender Hinweise und praktischer Tipps.

Die Basis für Schlagfertigkeit ist Selbstsicherheit. Es ist aussichtslos, schlagfertig sein zu wollen, wenn man sein Anliegen nicht selbstbewusst vertreten kann und nicht bereit ist, Grenzen aufzuzeigen. Auch für die passende Körpersprache ist die innere Einstellung sehr wichtig.

Es gibt allerdings einen Mechanismus, der uns hindert, selbstbewusst und schlagfertig aufzutreten: Die Perfektionismus-Falle. Perfektionisten fühlen sich sehr leicht betroffen von Kritik und sind dann, anstatt zu kontern, eher mit sich selbst und ihren Selbstzweifeln beschäftigt. Und dann suchen Perfektionisten gerne nach der tollen Schlagfertigkeits-Wunderformel, die clever, spritzig, witzig und treffend zugleich ist. Das ist gerade unter Druck natürlich schlecht möglich, und so hindern wir uns daran, eine unfaire Ansprache zu kontern. Mir ging es schon mehr als einmal so und ich halte es für einen wertvollen Hinweis in diesem Buch.

Gut gelungen ist der Autorin die Verknüpfung von unfairer Methode (z.B. Killerphrase) und Schlagfertigkeits-Soft-Skills (z.B. Abgrenzungs-Technik). Zunächst werden die Techniken vorgestellt und dann wird gezeigt, wie bestimmte unfaire Angriffe pariert werden können.

Nun einige Beispiele. Die Notfall-Technik beruht auf vorbereiteten Standardantworten. Nicht originell, aber besser eine wenig originelle Antwort als betretenes Schweigen.

Angriff: „Sie verhalten sich wie ein kleines Kind.“
Konter: „Ach was!“ (im Loriot-Stil) oder „Ihr Humor ist unschlagbar!“

Die Auszeit-Technik besteht im Ausklinken. Man muss ja nicht jede Frage beantworten, insbesondere wenn die Frage nur gestellt wurde, um uns zu beschädigen. Der Angriff wird also nicht gekontert, sondern abgebogen (ja, das machen Politiker gerne).

Frage: „Werden Sie persönliche Konsequenzen aus der Parteispendenaffäre ziehen?“
Antwort: „Sie werden dafür Verständnis haben, dass erst alle Details ganz genau geprüft werden müssen, bevor ich mich dazu äußere.“

Die Ja-ganz-genau-Technik kann einem Angreifer den Wind aus den Segeln nehmen. Ein prominentes Beispiel stammt von Wowereit: „…und das ist gut so“.

Die Durchzug-Technik ist ein guter Tip, wenn einem spontan nichts einfällt: Nonverbal Missachtung und eigene Stärke signalisieren. Zum Beispiel nachsichtig lächeln oder den Angreifer mit Blicken durchbohren. Wie schon gesagt, Selbstvertrauen ist für Schlagfertigkeit unabdingbar.

Die Abgrenzungstechnik benennt das Fehlverhalten des anderen und kann mit einer klaren Erwartung verknüpft werden (das Beispiel wandle ich etwas ab): „Ihre Bemerkung ist beleidigend. Ich erwarte, dass Sie zukünftig solche Bemerkungen unterlassen.“

Vorsicht ist geboten, wenn die Kritik vielleicht hart formuliert, aber in der Sache berechtigt ist. In diesem Fall ist ein Konter unangebracht und wir sollten gut zuhören, zu unserem Fehler stehen und dann das Gespräch in eine lösungsorientierte Richtung lenken.

„Clever kontern“ ist insgesamt ein sehr gutes Buch zum Thema Schlagfertigkeit. An manchen Stellen liest sich das Buch, als sei es speziell für Frauen geschrieben, aber davon sollten sich Männer keinesfalls abschrecken lassen. Überlassen Sie den Sprücheklopfern nicht das letzte Wort!

Weltfrauenkommunikation

Wir wollen mal heute am 8. März, dem Weltfrauentag, einen Blick auf die unterschiedliche Kommunikation der beiden Geschlechter werfen. Dabei hilft uns der ISQ-D, der Fragebogen zum Beeinflussungsverhalten. Er kategorisiert und misst 10 unterschiedliche Verhaltensweisen der Beeinflussung. gentineX hat die Unterschiede dieser Verhaltensweisen  zwischen Frau und Mann untersucht und es hat sich gezeigt, dass Frauen häufiger aktiv zuhören und häufiger Informationen und Gefühle aufdecken als die Männer. Nicht nur dafür gratulieren wir heute.

Alle Frauen und Männer, die die Studie im Detail lesen wollen, seien auf diesen Link der competence-site verwiesen.

Chefverstehen mit Stromberg

Langenscheidt Chef - Deutsch / Deutsch - Chef. Klartext am ArbeitsplatzChefs haben es schwer, denn oft werden sie missverstanden. Also, der Chef sagt das Eine und der Mitarbeiter versteht das Falsche. Wer könnte da besser zur Verständigung beitragen als Bernd Stromberg. Stromberg ist Chef bei einer Versicherungsgesellschaft. Stromberg ist geradezu ein Muster an Chef. Und damit Mitarbeiter die Chefs dieser Welt besser verstehen, hat er ein Buch geschrieben: Chef – Deutsch, Deutsch – Chef. Klartext am Arbeitsplatz. Bei Langenscheidt, das passt ja.

Beraterkollegen haben mich schon seit längerem auf die Büro-Serie mit Christoph Maria Herbst aufmerksam gemacht, die Fans lassen sich Ernie-Puppen signieren, und ich habe immer noch keine Folge gesehen. Da habe ich Nachholbedarf, also sehe ich mir einige Stromberg YouTube Videos an und habe dieses schlaue Büchlein auf meinen Schreibtisch. Es ist doch so: Das Büro ist ein einziger Kindergarten. „Wer hat wem was nicht gesagt oder absichtlich vorenthalten, um sich dadurch bei wem einen Vorteil zu verschaffen…?“. Büro ist Krieg…

Da braucht es jemanden, der den Laden zusammen hält. Chefs wie Stromberg. Der weiß, wie’s läuft. Der erklärt nicht nur, wie Chefs richtig zu verstehen sind, sondern hat auch die richtigen Praxistipps für angehende Chefs auf Lager. Merke: „Ehrlichkeit hat beim Delegieren nichts zu suchen“. Von Stromberg lernen heißt Siegen lernen.

Ich sag‘ mal, locker durch die Hose atmen! Chefverstehen ist ganz einfach:

Chef sagt: Sie haben bestimmt Recht mit dem, was Sie sagen…
Chef meint: Sie labern direkt in den Papierkorb, merken Sie das?!

Chef sagt: Fehler passieren, machen Sie sich keine Sorgen.
Chef meint: Solange ich behaupte, dass die Fehler Ihnen passieren, mache ich mir keine Sorgen.

Chef sagt: Wir ziehen hier alle an einem Strang!
Chef meint: Ich hier oben, ihr da unten.

Heute abend beginnt die dritte Staffel, 22:45h auf Pro7.

Beckmanns gedopte Fragen

In der Fragetechnik sind zwei Hauptarten von Fragen bekannt: die geschlossenen und die offenen. Offene Fragen oder auch W-Fragen (wieso, weshalb, warum …) sind explorativ und führen zu Informationen, die ich vorher nicht habe. Offene Fragen führen zu einem tieferen Verständnis eines Problems. Geschlossene Fragen führen häufig zum Ende einer Diskussion (Haben Sie mich jetzt verstanden?) oder zu einer Vorauswahl (Sind Sie der Entscheidungsträger?). Geschlossene Fragen können sinngerecht nur mit ja oder nein beantwortet werden und helfen ein Gespräch auf wichtige Punkte zu konzentrieren. „Fragen richtig einsetzen“ ist wesentlicher Bestandteil von Kommunikationsseminaren.

Die Fernsehunterhaltung erschuf eine weitere Kategorie von Fragen: Informationsfreie Selbstdarstellungsfragen. Der Fragensteller (der Moderator) beantwortet in einem Monolog die Frage selbst und fragt erst dann den Gast. War das so?

Geglückt aus fragetechnischer Sicht kann man allerdings das Interview von Reinhold Beckmann mit Jan Ullrich nennen. Der hatte am Morgen des gleichen Tages seinen Rücktritt vom aktiven Radsport erklärt. Dopingvorwürfe hinderten ihm im Sommer 2006 bei der Tour d’France zu starten.

Nach anfänglichem Geplänkel legt Beckmann los:

Dann lassen Sie uns mal versuchen einzusteigen. Befürchten Sie, dass die Öffentlichkeit den heutigen Rücktritt als Schuldeingeständnis werten könnte?

Die Fragen sind kurz und er lässt Jan Ulrich reden. Jan Ulrich erwähnt eine Speichelprobe und zack, springt der Tiger Beckmann auf das Thema:

Warum haben Sie die Speichelprobe, Jan, erst so spät abgegeben, warum haben Sie die Speichelprobe nicht unmittelbar (…) abgegeben.

Beckmann zitiert Ulrich und fragt.

Sie haben am 30.6. gesagt, Sie werden Ihre Unschuld beweisen. Danach ist nichts passiert, warum.

Interessante Randnotiz: Ulrich duzt Beckmann, Beckmann siezt Ulrich, sagt aber Jan.
Nachdem Ulrich beteuert, dass er nicht gewusst hätte, wo er die Speichelprobe abgeben soll, dreht Beckmann auf:

Ja, das wissen Sie ganz genau. Das kann nicht der Grund sein.

Das lässt er stehen und lenkt den Fokus auf die Chronologie und zählt alles in einem Filmbeitrag auf: Spanische Antidrogen-Einheit, Fuentes, Ermittlung gegen Ulrich, Blutreserven mit der Aufschrift Jan, Strafanzeige, Staatsanwaltschaft Bonn, außerordentliche Kündigung von T-Mobile, Durchsuchungen von Ulrichs Haus,…

Ulrich ist nun unter Druck, Beckmann bleibt ruhig. Nach Ulrichs Meinung ist die Geschichte so falsch dargestellt. Beckmann bleibt kühl:

Gut, dann fangen wir an die Geschichte so darzustellen, wie es Ihrer Meinung nach richtig ist. Wir haben Zeit genug.

Sein Untertitel ist: Hier ist noch lange nicht Schluss und wir reden nicht über Deinen Frau und nicht über Deine Tochter, sondern über die Dopingsache.

Wieder lässt er Ulrich reden. Ulrich leidet nun sichtlich und benutzt Kraftausdrücke. Wiederholt und hartnäckig fragt Beckmann, „begrüßen Sie es, dass die Speichelprobe nun abgeglichen wird.“ Beckmann ist jetzt ein Terrier. Ulrich ist angeschlagen. Er lässt lange Pausen, sagt häufig „jetzt aber ganz ehrlich“. Im Hintergrund hört man Beckmann „ja“ und „mhm“. Ulrich soll also weiterreden und er leidet und dann wieder ein „mhm“. Ulrich wiederholt, er wolle jetzt auf seine Anwälte hören, und nichts sagen, aber Beckmann schafft es, dass Ulrich weiterredet.

Gelegentlich will Beckmann formulierte Unschärfen von Ulrich genauer Wissen.

Was heißt es, dass es in Spanien ordentlich funktioniert?

Das wirkt wie ein Hieb.

Beckmann führt nun Zeugen an. Ein T-Mobile Pressesprecher hätte ihn mehrfach angewiesen, einen DNA-Schnelltest zu machen, warum sei Ulrich nicht darauf eingegangen. Beckmann führt also weitere „Zeugen“ mit in das Gespräch ein. Hier bleibt Beckmann am Ball, er fragt nach, „hat er ihnen das vorgeschlagen“ und dann macht Beckmann auf unverständlich:

Das wäre doch ein Befreiungsschlag für Sie gewesen. Ich habe nicht gedopt, ich kann einen Speicheltest abliefern (…) Hätten Sie das gemacht, wäre das ein Befreiungsschlag gewesen.

Dann spielt er den lieben Onkel und unterbricht ein Abwehrversuch von Ulrich mit:

Wir versuchen, es ja zu verstehen, warum sie sich nicht selbst befreit haben.

Beckmann lädt Ulrich ein, sich in andere hineinzuversetzen und lockt ihn so aus seiner Defensive.

Aber Jan, können Sie nachvollziehen, dass der Eindruck der an Indizien draußen da ist für den neutralen Beobachter so ist, dass es einen Kontakt gegeben haben muss.

Und jetzt fühlt sich Beckmann richtig sicher und holt noch mal zu einer Zwischencharme-Offensive aus:

Im Grunde genommen sind wir da, Jan, auch Fans. Wir haben alle da vor der Glotze gesessen, am Straßenrand, und haben gedacht, Mensch, was für ein außergewöhnlicher Sportler, was für ein Jahrhunderttalent.

Ulrich nickt. Leider reine Ablenkung, Jan. Beckmann verbindet Wahrheit und Fans, um dann seine Frage zu stellen:

Die Fans sagen, der soll uns doch die Wahrheit sagen, dafür lieben wir ihn doch. Sind Sie Ihren Fans das nicht schuldig?

Beckmann zitiert also Ulrich selbst, zitiert Zeugen, listet alle Anschuldigungen auf, lässt einen Dopingexperten sprechen, bietet sich als Helfer Ulrichs an und argumentiert aus Sichtweise der Fans. All das bringt Ulrich sichtlich unter Druck. Er leidet. Oder wie es Juan Moreno in der Süddeutschen formulierte:

Vor allem ist Jan Ulrich aber jemand, der am Montag gelernt haben dürfte, dass man keinen Berg braucht, um sich zu quälen, dass es weh tut. Manchmal reichen auch ein Fernsehstudio, 75 Minuten Zeit und Reinhold Beckmann.

Laterale Führung – wenn Anordnen nicht mehr funktioniert

Früher, da war immer klar, wer der Boss ist. Und der Boss hatte das Sagen. Wenn ein Mitarbeiter nachfragte „Warum?“, dann konnte er auch gerne die Antwort erhalten „Weil ich es so will!“. So funktionieren Unternehmen heute nicht mehr, jedenfalls immer weniger. Die Hierarchie als der alles bestimmende Faktor für die Organisation hat ausgedient. Die Hierarchien werden erstens immer flacher und zweitens auch noch durch die Matrixorganisation oder die Projektorganisation aufgeweicht. Das stellt sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter vor neue Herausforderungen. Führungskräfte können sich nicht mehr allein auf ihre Position berufen. Und Mitarbeiter sind nicht mehr nur einem einzigen Vorgesetzten verpflichtet, sondern je nach Aufgabe und Projekt mehreren Stellen.

Group Discussion by eschipul (cc)Die klassische Rolle des Vorgesetzten ist ein Auslaufmodell (allein dieses Wort ist ein Anachronismus: Der Vor-Gesetzte). Die Führungsaufgabe aber bleibt. Und die Führungskraft wird als Mensch mit besonderer Verantwortung im Unternehmen sogar noch wichtiger als früher. Denn das Führen hin zu unternehmerischen Ergebnissen ist essentiell, auch wenn die Hierachie verschwimmt oder verschwindet. Nur funktioniert Führung anders als früher, eher „seitlich“ orientiert oder sogar von unten. Das nennt man dann laterale Führung (lateral: lateinisch für seitlich): „Managen ohne Weisungsbefugnis“ (so der Titel des Artikels in managerSeminare März 2007, Seite 34-40). Das ist eine Situation, in der sich Projektleiter schon lange befinden. Doch im Zuge der neuen Entwicklungen werden auch die Führungskräfte in der sogenannten Linienorganisation immer mehr zu Projektleitern. Auch die „Führungsspanne“ ist nicht mehr stabil, sondern die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, ändern sich.

Und da wird es sehr spannend, finde ich. Es reicht nicht mehr, einfach Anordnungen zu geben. Wenn man sich nicht auf Macht berufen kann, muss man auf geschicktere Weise Einfluss nehmen. Laterale Führung erfordert ganz andere Fertigkeiten. Führungskräfte müssen andere von ihren Ideen und Vorschlägen überzeugen, mit gut platzierten Argumenten. Verständnis wecken, Akzeptanz schaffen. Führungskräfte müssen ein Team zusammen halten und Orientierung geben, zum Beispiel für eine große Aufgabe motivieren. Führungskräfte müssen offen sein für die Ideen und das Know-How anderer. Zwischen Hierarchien und Abteilungen vermitteln. Führungskräfte müssen andere einbinden, auch Menschen mit völlig anderen professionellen Hintergrund, auch Kunden und Lieferanten. Win-Win-Ergebnisse herbeiführen. Das erfordert Empathie und kommunikatorisches Geschick. Und bei alldem müssen Führungskräfte glaubwürdig und integer sein, das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Kurzum, hier sind ganz andere und vielfältigere kommunikative Fertigkeiten gefragt: Überzeugen, Brücken bauen, begeistern. Wer diese Soft Skills situationsgerecht einsetzen kann, dem gehört die Zukunft.

Bob Dylans Charisma

Chronicles Volume one Kommunikation beginnt mit der Wahrnehmung. Zunächst muss ich meine Umwelt oder den Gesprächspartner verstehen, um dann kommunikativ auf sie oder ihn einzuwirken. Auch das, was sich hinter dem „schillernden Begriff“ Charisma verbirgt, beginnt mit der Wahrnehmung. Richard Wiseman, Professor an der Universität Hertfordshire, stellte fest, dass charismatische Persönlichkeiten Emotionen äußerst stark empfinden, also ausgeprägte Antennen für unseren Gefühlsbereich haben und in menschlich-emotionale Bereiche vordringen, wo andere Personen bereits lange halt gemacht haben.

Dem vor kurzem veröffentlichten Spiegelartikel zu Charisma, war zu entnehmen, dass sich Charismatiker besonders stark für Themen oder Projekte begeistern und faszinieren können. Beide Aspekte des Charismas, sowohl ausgeprägte Gefühle als auch die Begeisterungsfähigkeit, wurden äußerst eindrucksvoll von Bob Dylan in seinen Chronicals dargestellt. Er veranschaulicht mit seiner eigenen Sprache, was er empfunden hat als er zum ersten Mal Woodie Guthrie, einen amerikanischen Liedermacher, gehört hatte:

Ich fühlte mich, als habe der Plattenspieler mich selbst gepackt und mich quer durch das Zimmer geschleudert. Ich achtete auch auf die Aussprache von Guthrie. Wenn ihm danach war, legte er die Betonung auf die letzten Buchstaben eines Wortes und das saß wie ein Hieb.

Der letzte Satz macht deutlich, wie fokussiert und exakt Dylan die Songs Guthries wahrnahm, wie fein seine Rezeptoren waren. Wahrnehmungsfähigkeit macht den Unterschied zu Menschen, die nicht Bob Dylan sind.

Woodie Guthrie walzte alles nieder, was ihm in den Weg stellte. Für mich war das eine Offenbarung, wie ein schwerer Anker, der gerade in das Hafenbecken gestürzt war.

Dylan entwickelt also Emotionen zu Liedgut, bei dem andere „ganz nett“ oder „langweilig“ gesagt hätten. Erst die ausgeprägte Wahrnehmung lässt ihn ausgeprägt empfinden.

Es war als wäre ich im Dunklen gesessen und irgendjemand hat den Hauptschalter des Blitzableiters umgelegt.

Künstler wie Dylan schaffen es auch ihre eigene Begeisterung wiederum in Worte oder Musik zu packen. Sie schaffen es einen neuen Glanz in die Welt zu bringen, weil sie Charisma haben. Sie schaffen es in den Extremen zu empfinden und sie schaffen es diese Gefühlsbereiche so wieder zu kommunizieren, dass ihre Musik auch nach über 40 Jahren noch zahlreiche Hörer findet.

Gloria Beck, die bereits hier häufiger zitierte Autorin des fraglichen Buches „Verbotene Rhetorik“ ist da anderer Meinung:

Charismatische Personen müssen nicht selbst stark empfinden, es reicht, wenn sie es aussehen lassen als ob. Allerdings schließt eigene Gefühlskälte nicht aus, in anderen starke Gefühle erregen zu können. Je berechnender man agiert, umso vorhersehbarer lassen sich Emotionen in anderen hervorrufen.

Ich halte diese Aussage für groben Unsinn. Vereinzelt wird es tatsächlich ein paar Clowns geben, die glauben als großer Zampano auftreten zu können ohne Substanz und Lebensenergie zu haben, aber über kurz oder lang werden sie entlarvt. Das was menschliches Verhalten lebens- und liebenswert macht ist das authentische, echte Leben, und kein ständiger Komödiantenstadtl, in dem man nur Laiendarsteller seines eigenen Lebens ist.

Vernichten Sie diese E-Mail!

papierkorb.JPGEinen guten Teil der Kommunikation im Business machen E-Mails aus. Die meisten E-Mails enthalten unten einen sogenannten Disclaimer, also Absicherungsklauseln. Darin steht zum Beispiel, dass die E-Mail vertrauliche Daten enthalten kann und was der Empfänger tun soll, wenn er die E-Mail versehentlich erhalten hat.

Diese E-Mail enthält vertrauliche und/oder rechtlich geschützte Informationen. Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind oder diese E-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den Absender und vernichten Sie diese E-Mail. Das unerlaubte Kopieren sowie die unbefugte Weitergabe dieser Mail oder von Teilen dieser Mail ist nicht gestattet.

Und so weiter… Oft enthalten diese Disclaimer Formulierungen, die auf mich befremdlich wirken, auch mal bedrohlich, völlig sinnfrei oder lustig.

Die Ahndung von Straftaten wird grundsätzlich beabsichtigt, so dass Sie sich bei Nichtbeachtung dieses Disclaimers nicht nur strafbar machen würden, sondern schon als potentiell rechtskräftig verurteilt fühlen dürfen.

Der folgende Disclaimer wurde zwangsweise an die Mail geheftet und hat für diese eMail keinerlei rechtliche Bedeutung.

Die Inhalte dieser Nachricht dürfen nur für die beabsichtigten Zwecke verwendet werden.

Mehr Beispiele findet man auf der Seite Angstklauseln in E-Mails.

Mit diesen Disclaimern wollen Unternehmen die Haftung für fehlgeleitete Mails ausschließen. Aber das geht nicht. Auch wenn Sie besser formuliert sind als obige Beispiele. E-Mail Disclaimer sind umsonst, nutzlos, rechtlich völlig unverbindlich. „Juristisch gesehen haben Disclaimer keine bindende Wirkung für den Empfänger“ (Dominik Boecker, auf Internetrecht spezialisierter Rechtsanwalt, in der FTD vom 20.2.2007). Der Grund liegt darin, dass Disclaimer nur einseitige Regeln enthalten und daher nicht zwischen Vertragspartnern vereinbart sind. Wenn man Mist baut, haftet man sowieso. Ohne Wenn und Aber.

Warum verwenden dann so viele Unternehmen Disclaimer? Ich kann nur für uns sprechen. Wir haben früher auch E-Mail Disclaimer verwendet. Dass die rechtlich nichts bringen, war uns bekannt. Aber es sollte so eine Art Vertrauenssignal sein, nach dem Motto „Sicherheit ist uns wichtig, wir gehen sensibel mit E-Mails um“. Aber die beabsichtigte Wirkung ist nicht unbedingt die erzielte Wirkung. Wenn ich dann auch noch lese, dass Disclaimer auf einer Seite als „Angstklauseln“ bezeichnet werden, dann hört es auf. Wir wollen nicht, dass sich jemand womöglich eingeschüchtert fühlt.

E-Mail Disclaimer? Sparen wir uns.